von P. Marc Brüllingen
Eigentlicher Gegenstand der Herz-Jesu-Verehrung ist das leibliche Herz des Gottmenschen Jesus Christus als Sinnbild seiner Liebe oder anders: in Verbindung mit dem gesamten gottmenschlichen Innenleben, dessen sprechendstes Sinnbild das Herz ist. Die Grundhandlungen der Herz-Jesu-Verehrung sind, wie Pius XI. (1922-1939) in der Enzyklika „Miserentissimus Redemptor“ (1928) ausführt, die Hingabe oder Weihe als Erwiderung der Liebe Jesu und vorzüglich die Sühne für die ihm zugefügten Beleidigungen.
Die Theologie hat die Aufgabe, diese kirchliche Andachtsform verständlich zu machen. Nie ist die theologische Rechtfertigung in den Privatoffenbarungen gesucht worden. Diese haben nur die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der allgemeinen Offenbarung gelenkt. Erst nach Johannes Eudes (1601-1680) und Margareta Maria Alacoque (1647-1690) ist die Herz-Jesu-Verehrung ein explizites Thema der Theologie geworden.
Die theologische Begründung der Herz-Jesu-Verehrung ist gegeben mit der Anbetungswürdigkeit der Menschheit des Herrn, die mit dem Gottesssohn untrennbar verbunden ist. Eindringlicher noch wie das heilige Antlitz des Herrn oder sein kostbares Blut stellt sein Herz die Liebe Gottes zu uns ans Licht. Das leibliche Herz ist das vorzüglichste Organ der Menschheit Jesu, die Quelle seines für uns vergossenen Blutes. Nach Jesu Tod von der Lanze durchbohrt, entströmten ihm Blut und Wasser, die Sinnbilder der Taufe und Eucharistie, der Grundsakramente der Kirche, so daß diese selbst im Herzen Jesu begründet erscheint. Schließlich ist das Herz Sinnbild des Innenlebens; der ganze Tugendreichtum Jesu, insbesondere seine Liebe, treten im heiligsten Herzen Jesu uns vor die Seele. Darum führt kaum eine andere Andacht so tief ins Innere Jesu ein und spornt so zu dankbarer Hingabe und Sühne an.
Die Ansicht, das Wort „Herz“ bei dieser Andacht stehe nur metaphorisch für die Liebe oder das Innenleben Jesu, ist nicht in Einklang mit den kirchlichen Dokumenten. Das leibliche Herz ist in irgendeiner Weise im Gegenstand der Andacht eingeschlossen, aber immer im Zusammenhang mit der Liebe Jesu. Man verehrt die Person des Erlösers im Hinblick auf sein leibliches Herz als „Symbol“ seiner Liebe oder im Hinblick auf seine durch das leibliche Herz symbolisierte Liebe. Vor allem gegen solche, die das leibliche Herz aus irgendeinem Grund aus der Andacht ausschalten wollten, hat man mit besonderem Nachdruck seine durch die Hypostatische Union (= Vereinigung zweier Naturen in einer Person) gerechtfertigte Anbetungswürdigkeit hervorgehoben.
Gestützt von den kirchlichen Dokumeneten, ist man allgemein der Ansicht, daß nicht nur die menschliche, sondern die ganze gottmenschliche Liebe des Erlösers in der Herz-Jesu-Verehrung verehrt wird. Sie ist auch in einem gemeint als Liebe zum Vater und zu den Menschen. In der Andacht wird besonders betont, daß diese Liebe von den Menschen verschmäht und verwundet worden ist.
Die Herz-Jesu-Verehrung ist ein latreutischer Kult, der nicht nur die explizite Anbetung, sondern die ganze Summe der durch die göttlichen Tugenden informierten persönlichen Beziehungen zum Erlöser im Hinblick auf sein Herz umfaßt. Ihr entsprechender Höhepunkt ist die Gegenliebe. Besonders werden auch die Weihe, die Sühne und die Nachahmung betont. Die Weihe ist zu verstehen als eine Teilnahme an der Liebe Jesu zum Vater und zu den Menschen im mystischen Leib und muß sich äußern in einem christlichen, apostolischen Leben. Die Sühne richtet sich besonders auf das verschmähte Herz, aber bleibt dabei eine Teilnahme an der Sühne, die der Herr dem Vater darbringt. In der ganzen Andacht bleibt der Herr der Weg zum Vater. Die Praxis des „Tröstens“ des Herrn wird von Pius XI. dadurch erklärt, daß der Herr in seinem Leiden unsere Sühne vorausgeschaut hat. Wie der hl. Apostel Paulus von einem Nicht-Betrüben des Hl. Geistes spricht, so kann man auch von einem Trösten des Herrn sprechen. Die Eucharistie nimmt in der Andacht eine besondere Stelle ein wegen ihres Zusammenhangs mit der verkannten Liebe des Herrn. Die Andacht zum eucharistischen Herzen Jesu ist nur eine spezielle Form der Herz-Jesu-Andacht.
(nach: Lexikon für Theologie und Kirche, 5. Band, Herder Verlag – Freiburg im Breisgau, 1960;
und: Lexikon des katholischen Lebens, Herder Verlag – Freiburg im Breisgau, 1952, herausgegeben von Erzbischof Dr. Wendelin Rauch)