November – Der Arme-Seelen-Monat

von P. Marc Brüllingen


graeberDie Jahreszeit des Herbst, in der wir uns nun befinden, erinnert uns an die Vergänglichkeit der irdischen Dinge. Auch unser Leben ist davon nicht ausgeschlossen. Ganz besonders der Monat November, indem wir uns nun befinden, ermahnt und erinnert uns daran, daß wir diese Welt einmal verlassen werden, um vor das Angesicht Gottes zu treten.

Doch bevor wir die ewigen Freuden genießen dürfen, müssen wir rein von jeglichen Sünden und Unvollkommenheiten sein. Die Seelen, die noch nicht ganz vollkommen sind, müssen hierfür noch in einen besonderen Reinigungsort, um ihre verbliebenen Sündenstrafen und Fehler abzubüßen. Diesen Reinigungsort nennt die katholische Kirche das FEGFEUER. Die Seelen, die sich in diesem Reinigungsorte befinden, werden ARME SEELEN genannt. Da diese Seelen im Stande der heiligmachenden Gnade verstorben sind, gehören sie zur Gemeinschaft der Heiligen. Da sie jedoch für sich keine Verdienste mehr sammeln können und sich somit auch keine Linderung ihrer Leiden verschaffen können, sind sie auf unsere Hilfe angewiesen.

Im Monat November gedenken wir daher im besonderen Maße der Armen Seelen, vornehmlich am 2. November, dem GEDÄCHTNIS ALLERSEELEN. „Heute ist das feierliche Gedächtnis aller abgeschiedenen Gläubigen. Soeben (ALLERHEILIGEN – 1. November) noch hat die Kirche als gemeinsame und zartfühlende Mutter sich Mühe gegeben, all ihre Kinder in der Himmelsfreude mit gebührenden Preisgesängen zu verherrlichen. Unverweilt will sie heute in Muttersorge allen ihren Kindern, die im Reinigungsorte seufzen, durch machtvollen Beistand bei Christus, dem Herrn und Bräutigam, zur baldmöglichen Aufnahme in die Gemeinschaft der Himmelsbürger verhelfen.“ So kündet die römische Liturgie diesen einzigartigen Tag ihres heiligen Jahres im Martyrologium des kirchlichen Morgengebetes der Prim an. Der „machtvolle Beistand“ besteht vor allem in der Darbringung des hl. Meßopfers und in der Teilnahme daran.

Der hl. Abt Odilo von Cluny (+ 1048) schrieb für seine Klöster vor, daß am 2. November Messen für alle Verstorbenen gelesen werden. Dieser fromme Brauch fand weite Verbreitung. In Rom finden wir ihn im 14. Jahrhundert. Es ist dann schließlich PAPST BENEDIKT XV. (1914-1922) gewesen, der den Priestern das Privileg verlieh, am 2. November (Allerseelen) dreimal das hl. Meßopfer für die Verstorbenen zu feiern. Anlaß zu diesem Privileg waren wohl die vielen Todesopfer des 1. Weltkrieges (1914-1918), die den Papst zu dieser Anordnung veranlaßten. In Spanien war die dreimalige Feier der hl. Messe an Allerseelen den Priestern schon im Anfang des 16. Jahrhunderts erlaubt.

Die Existenz des Fegfeuers wird schon im Alten Testament im 2. Makkabäerbuch angedeutet: „Er (Judas Makkabäus) veranstaltete unter den Kriegern eine Sammlung, die 2000 Drachmen einbrachte, und sandte sie nach Jerusalem, um ein Sündopfer darbringen zu lassen; eine Tat, die schön und ausgezeichnet war, weil er an die Auferstehung dachte. Hätte er nämlich nicht erwartet, daß die Gefallenen auferstehen, so wäre es überflüssig und töricht gewesen, für Tote zu beten. Weiter hatte er im Auge, daß jenen, die in Frömmigkeit zur Ruhe eingehen, der herrlichste Gnadenlohn aufbewahrt ist: ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er für die Gefallenen das Sühnopfer darbringen, damit sie von der Sünde erlöst würden.“ (2 Makk 12,43-45).

Auch das Neue Testament berichtet an verschiedenen Stellen von der Existenz des Fegfeuers: Mt 12,32: „Wer ein Wort redet wider den Menschensohn, dem wird vergeben werden, wer aber wider den Heiligen Geist redet, dem wird weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werden.“ Da die Armen Seelen demnach im Fegfeuer nichts mehr für sich tun können, sind sie auf unsere Hilfe angewiesen, indem wir für sie beten und auch für sie hl. Messen lesen lassen. Bedenken wir auch, daß das Gebet für die Armen Seelen ein geistiges Werk der Barmherzigkeit ist und auch zur christlichen Nächstenliebe zählt. Die Leiden im Fegfeuer sind zeitlich begrenzt, und die Armen Seelen wissen auch, daß ihr Leiden einmal zu Ende geht. Ihnen ist auch bewußt, daß sie gerecht leiden und daß sie die heiligmachende Gnade nicht mehr verlieren können. Wir sollen uns jedoch angesichts dieser Tatsachen nicht zu der Annahme verleiten lassen, daß die Leiden im Fegfeuer ein Kinderspiel und mit Leichtigkeit zu bewältigen seien. Die Armen Seelen leiden in diesem Reinigungsorte große Pein, und die mit Sicherheit größte und schwerste Pein ist zweifelsohne die ENTBEHRUNG DER ANSCHAUUNG GOTTES. Diese bleibt ihnen solange verwehrt, bis ihre Strafen abgebüßt sind. Das Fegfeuer ist und bleibt jedoch, trotz seiner Schwere, und dies dürfen wir nicht außer Acht lassen, ein ORT DER UNENDLICHEN BARMHERZIGKEIT GOTTES, den Gott unseretwegen erschaffen hat. Ohne diesen Reinigungsort würden sehr wahrscheinlich nur wenige Seelen in die ewige Glückseligkeit eintreten können.


Foto: Heike Hannah Lux