Der hl. Joseph

von P. Miguel Stegmaier


„Quis et qualis homo fuerit beatus Joseph?“ (Sermo sancti Bernardi Abbatis) „Wer und was für ein Mann ist der heilige Joseph wohl gewesen?“ (Predigt des hl. Abtes Bernhard)

Die Auskünfte, die das Evangelium über den heiligen Joseph gibt, reichen nicht aus, sein Leben darzustellen. Das soll uns aber nicht hindern, über ihn zu sprechen. Wir ahnen doch schon, daß der Mensch, der in so enger Verbindung mit Jesus und Maria lebte, eine selten „edle Seele“ gehabt haben muß.

Der heilige Epiphanias sagt darüber: „Obgleich arm und dürftig, in ganz gewöhnlichen Verhältnissen lebend, obgleich von den Augen der Welt unbekannt und ungeachtet, war doch vor dem Angesichte Gottes keiner edler und reicher als Joseph, weil keiner zu einer solchen Auszeichnung erhoben wurde.“ Und der hl. Bernardin von Siena erweitert: „Gott vereinte mit dieser gebenedeiten Jungfrau keine andere Wirksamkeit und Tugend als eine solche, die der ihrigen höchst ähnlich war.“ Wollten wir es doch versuchen, die Seele Josephs in den einzelnen Berichten des Evangeliums zu entdecken, finden wir einige wenige Szenen, über die der hl. Leonard von Porto Maurizio, aus dem Franziskanerorden, schreibt: „Schweigen also auch die Evangelisten und übergehen fast alles, was sie von den hohen Vorzügen und vollkommenen Tugenden zu seinem Ruhm hätten sagen können, so genügt mir schon dies eine, daß sie ihn den Mann Mariens nennen. Das heißt, unter allen Lebenden war er dem vollkommensten Werk, das im Bereich der geschöpflichen Wesen aus den Händen Gottes hervorging, am ähnlichsten. „In der Tat, wie heilig mußte dieser Mann gewesen sein, wie rein in seinen Gedanken und wie zart in seinem Empfinden, daß er Maria unter seinen Schutz nahm, obwohl das Geheimnis, das sich in ihrem Schoß regte und dessen göttlicher Ursprung ihm verborgen war, ihn tief erschreckt hatte.

Trotz allem wird Joseph „der Mann Mariens“ genannt. Der Engel selbst wendet sich mit dieser Bezeichnung an ihn, und deshalb nennt ihn die Kirche im Kanon der hl. Messe ja auch „Virginis sponsi“ (Mann der Jungfrau Maria). Der hl. Kirchenlehrer Thomas von Aquin gibt uns eine weitere Antwort dazu: „Diejenigen, die Gott zu etwas auserwählt, bereitet er vor und stattet er aus, daß sie zu dem Amt, wozu er sie bestimmt, tauglich befunden werden.“ Joseph ist also auserwählt, der Mann Mariens zu werden. Als der Engel zu Joseph sagte: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt. 1, 20-21), was nichts anderes bedeutete, als daß Maria den Erlöser des Volkes Israel zur Welt bringen werde, ihre Überraschung darüber war groß, denn auch sie erwartete gemeinsam mit ihrem Volk diesen ungeduldig.

Gerade die „messianische Hoffnung“ zeichnete die Religion der Juden aus. Der Eifer der Frommen wandte sich der Zukunft zu: einer wunderbaren Zukunft, in der der Messias sein Volk retten und ein Königreich gründen werde, dessen Herr Gott selbst sein würde. Von dieser Hoffnung war Joseph tief durchdrungen und überzeugt; er erwartete noch ungeduldiger aber glücklicher als der weise Simeon die Ankunft des Messias und das Heil seines Volkes: „Joseph ist weit glücklicher als Simeon; er trägt das Jesuskind nicht bloß einmal auf seinen Armen, sondern tausendmal“ (Johann Baptist de Lectis d’Orlonia)“Viele erwarteten den Messias vor allem einer politischen und zentralistischen Neuordnung wegen. Denn der Messias malten sie sich auch aus als den „Befreier des Volkes“, das selbst nicht imstande war, die Befreiung zu erlangen. Joseph, als „vir justus“ (Gerechter) hegte den Wunsch nach nationaler Befreiung gegen die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten der fremden römischen Besatzung.

Joseph war ein Mann seiner Zeit, doch ging seine Hoffnung weit über das bloße Niveau politischer Erwartungen hinaus. Er erinnerte sich an die prophetischen Aussprüche von Jeremias und Ezechiel, die einen neuen Bund ankündigten, in dem das Volk in „einem neuen Geist und mit neuem Herzen“ (Jer. 31, 31-33, Ezech. 36, 25-29) wirklich seinem Gott angehören würde. Das ideale Volk der Zukunft sollte mit göttlicher Heiligkeit erfüllt werden. Deshalb war sein Leben im Allgemeinen ein stilles Vorbereiten der Erlösung und glanzvollen Offenbarung Christi in der Tradition der Propheten. Wie standen doch, anscheinend, andere Persönlichkeiten der messianischen Zeit durch ihr Amt Gott näher. Der Priester Zacharias zum Beispiel oder die letzten Propheten. Und doch vertraute Gott nicht ihnen seinen eingeborenen Sohn an, sondern den schwieligen, rissigen Händen eines einfachen Mannes, der keine theologische Bildung besaß, den die Pharisäer verachteten, der lediglich von ganzem Herzen fromm war.

Der Evangelist Matthäus berichtet uns: „Als Joseph vom Schlafe erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt. 1, 24). Die Botschaft des Engels gab seiner Hoffnung neuen Aufschwung und sein Glaube ist hier tatsächlich offenbar geworden. Deshalb nahm er Maria voll Vertrauen zu sich, mit dem ganzen Geheimnis ihrer Mutterschaft, er nahm sie zu sich zusammen mit dem Sohn, der durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Welt kommen würde, als Messias seines Volkes. Und so lebte er Seite an Seite mit Jesus und Maria in Nazareth und die drei bildeten eine „Heilige Familie“, deren allgemeine Bedeutung weit über jede private hinausging. Zwischen ihr und dem Erlösungsplan Gottes herrscht eine innige Beziehung; war sie doch von grundlegender Bedeutung für die Kirche, das Reich Christi und die ganze Menschheit.

Joseph dachte an Gott, er redete mit Gott, er tat seine Arbeit für Gott. Auf diese Weise hatte er sich von aller bösen Begierde gereinigt und war des einzigartigen Gnadenvorzugs würdig geworden: „Bräutigam der Allerseligsten zu heißen und den Erlöser der Welt auf den Armen zu halten. „Bei Joseph bildete sich eine ganz übernatürliche Hoffnung heraus durch den täglichen Kontakt mit Jesus. Inniger Glaube und unerschütterliches Vertrauen lebten in ihm auf die Güte Gottes. Die Liebe unterdrückte bei ihm jede Regung der Bitterkeit. Was der hl. Joseph für seine Familie leistete und ihr bot, hat er damit der Kirche und auch uns geboten. Ein so liebevolles Verhalten belohnt Gott; dafür ist die Seele Josephs mit größter Freude erfüllt worden: „Wohlan denn, du guter und getreuer Knecht, weil du in Wenigem treu gewesen bist, will ich dich über Vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Der hl. Bernhard sagt sehr schön: „Joseph ist von Gott dazu bestimmt worden, gleichsam der Verwalter seiner großen Geheimnisse auf der Erde zu sein, das erhabene Geheimnis der Menschwerdung des eingeborenen Sohnes zu kennen und zu fördern, der Bräutigam Mariens und Beschützer ihrer Jungfräulichkeit zu sein und Pflegevater Jesu Christi genannt zu werden. Welch ein Glück für ihn, Jesus Christus nicht nur zu sehen, sondern auch ihn zu hören, ihn an sein Herz zu drücken, ihn von einem Ort zum andern zu tragen, ihn zu liebkosen, zu umarmen, zu nähren, und Anteil zu nehmen an jenen unaussprechlichen Geheimnissen, welche den Augen der Welt verborgen gewesen sind!“

Das ganze Leben des Heiligen bildete eine lange Reihe von ungezählten, wichtigen Diensten, die er dem göttlichen Wort, seiner Menschwerdung und seiner Erziehung im Schoß der Familie von Nazareth geleistet hat mit Fleiß, sowie Demut und Frömmigkeit, nicht im Evangelium direkt nachzulesen aber auch nicht Legende. Josephs Verhalten als „Verwalter“ auf Erden der Geheimnisse Gottes, beweist die Bedeutung der Mitarbeit, zu der auch wir berufen sind, um durch unsere Hoffnung dem Werk Gottes zu dienen. Gott verlangte von Joseph die Haltung der Hoffnung, und seine Hoffnung war ein Flehruf an den Erlöser, sein Werk zu vollziehen: „Joseph von Nazareth, der Glauben hatte und gegen jede Hoffnung hoffte“ (Papst Johannes Paul II.).

Dieser Heilige liebt die Menschen, die sich in sehnsüchtiger Erwartung ihm zuwenden. Wenn Joseph auch nicht direkt und sichtbar an der Wiederaufrichtung des Gottesreiches arbeiten konnte, so lehrt er uns doch, durch das innere Verlangen des Herzens an der Ausbreitung des Reiches Christi mitzuwirken. Er kann uns helfen, aus unserer Hoffnung ein Beten zu machen, das göttliche Gnade auf die Menschheit herabzieht. Schutzpatron der Kirche, Schutzpatron der Familie, Schutzpatron der Sterbenden – mit diesen überirdisch hohen Ehrentiteln belohnte die Kirche ein männlich opferbereites und gerechtes Herz, eine männliche, reine und ernste Liebe: „Der Herr hat den Gerechten auf rechtem Weg geführt. Und ihm das Reich Gottes gezeigt“ (Sap. 10, 10). Wir Menschen freilich haben lange gebraucht, um die innere Größe dieses Mannes zu verstehen. Deshalb lassen wir uns jetzt die Ehre Josephs angelegen sein. Und wenn sich eine Gelegenheit bietet, seine Verehrung zu empfehlen und zu verbreiten, lassen wir sie nicht ungenutzt vorübergehen: „Geht zu Joseph“ (Gen. 41, 55). Das war der Rat und sollte der Trost sein, den Pharao seinem armen Volk gab. Können wir diesen Rat nicht auch denen geben, die uns ihre Not klagen?

Es ist ein leichtes Apostolat für den heiligen Joseph, das ihm sehr wohlgefällig, dem Nächsten und uns von Nutzen sein wird: „Zu meinem Fürsprecher und Herrn erwählte ich den glorreichen heiligen Joseph und empfahl mich ihm recht inständig. Und in der Tat! Ich habe erkannt, daß dieser mein Vater und Herr gewesen, der mich sowohl aus meiner damaligen Not als auch aus anderen und noch größeren Nöten, die meine Ehre und das Heil meiner Seele betrafen, gerettet und mir sogar noch mehr verschafft hat, als ich zu bitten gewußt“ (hl. Theresia von Ávila).


Bild: Ikone des hl. Joseph | Foto: Heike Hannah Lux

Zum Thronfest des Hl. Apostels Petrus

– am 22. Februar
von P. Marc Brüllingen


Am 22. Februar feiert die Kirche das Thronfest des hl. Apostels Petrus. Petrus, der zusammen mit Paulus am 29. Juni als Hauptapostel verehrt wird, war der erste Papst, dem unser Heiland das oberste Hirtenamt zunächst verheißen hatte (vgl. Mt. 16,18f.: „Du bist Petrus der Fels, und auf diesen Felsen will Ich Meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Und dir werde Ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.“) um ihn dann später, nach seiner Auferstehung in dieses oberste Amt feierlich einzusetzen (vgl. Jo. 21,15ff.: „In jener Zeit sprach Jesus zu Simon: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich mehr als diese? Er antwortete Ihm: ‚Ja, Herr, Du weißt, daß ich Dich liebe.‘ Da sprach Er zu ihm: ‚Weide Meine Lämmer!‘ Abermals fragte Er ihn: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich?‘ Jener erwiderte Ihm: ‚Ja, Herr, Du weißt, daß ich Dich liebe.‘ Er sagte zu ihm: ‚Weide Meine Lämmer!‘ Zum dritten Mal fragte Er ihn: ‚Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich?‘ Da wurde Petrus traurig, weil Er ihn zum dritten Mal fragte: Liebst du Mich? und entgegnete: ‚Herr, Du weißt alles; Du weißt auch, daß ich Dich liebe.‘ Da sprach Er zu ihm: ‚Weide Meine Schafe.'“

Zur Erinnerung an diese Einsetzung hat die Kirche daher das Thronfest des hl. Apostels Petrus eingeführt, das mancherorts auch „Stuhlfeier Petri“ oder „Kathedra Petri“ heißt. Kathedra (oder Cathedra), ist der Wortbedeutung nach ein Sessel oder Stuhl zum Sitzen, auch ein Lehrstuhl an einem erhöhten Orte, überhaupt ein Sitz für einen Ausgezeichneten oder Höheren.

Da der Erste in der kirchlichen Versammlung der Bischof war, gab man insbesondere seinem Sitze diesen Namen. Und zwar war derselbe im Priesterchore angebracht, das in Form einer Krone, als der Altar noch freistand, sich hinter demselben befand. Die Priester saßen auf niedrigen, der Bischof auf einem erhöhten Sitze an der Spitze des Priesterchores. Denn so heißt es im Ordo Romanus I.: „Der Oberpriester steht von seinem Sitze auf und steigt zum Altare hinab.“ Da er eben auf diesem Sitze als der mit der Hohenpriesterwürde und priesterlichen Vollgewalt Bekleidete und demnach so recht eigentlich in dem Amte erschien, welches der Name. „episcopus“, Aufseher, bedeutet, nannte man bald das bischöfliche Amt selbst Kathedra. Insbesondere aber gab man diesen Namen dem Amte des obersten Bischofs, dem die volle apostolische Macht und Würde verblieben und der sowohl für die Lehre als auch für die Gerichtsbarkeit zur lebendigen Mitte, zum Zentrum der Einheit gesetzt worden ist. Von „Kathedra“ kommt folglich auch der Ausdruck „ex cathedra sprechen“, das im eminenten Sinne gebraucht wird, und wobei jener Akt bezeichnet wird, durch welchen der oberste Bischof, falls es nicht möglich wäre, mit dem gesammelten Lehrkörper, dem Träger der Infallibilität, sich zu beraten, allein entscheidet, was in dem betreffenden Punkte zu glauben oder zu tun ist, und wobei er, was Christi Worte an Petrus deutlich genug bezeugen und was auch die Geschichte gelten lassen muß, unter der besonderen Obhut des göttlichen Geistes steht. Kathedra heißt schließlich auch der Tag, an welchem ein bischöflicher Sitz gegründet oder von Seiten eines Bischofs in Besitz genommen wurde, so wie der jährliche Gedächtnistag der Gründung oder des Antritts, den die Kirche festlich feierte. So feierte Jerusalem die Kathedra des hl. Apostels Jakobus schon in der ältesten Zeit; Antiochien und Rom die Kathedra des hl. Apostels Petrus.

Der hl. Papst Leo der Große selbst hielt Reden an diesem Tage zu Rom, und der Bibliothekar Anastasius in vita Hadriani I. beschreibt die Feier dieses Festes. Aber das Fest der Kathedra Petri, als des Fürsten der Apostel feierten sehr früh auch die anderen christlichen Gemeinden. Zu Ehren des hl. Petrus bringen die bereits von der gallikanischen Liturgie beeinflußten Herausgeber des Martyrologiums des Hieronymus die beiden Feste Petri Stuhlfeier am 18. Januar und am 22. Februar. In der Depositio martyrum erscheint dagegen nur am 22. Februar ein Fest der Cathedra Petri, das an eine bei den Römern an diesem Tage übliche Totenmahlfeier angeknüpft haben dürfte (Cathedra = Sesselmahl). Die kirchliche Ablehnung der Totenmahlfeiern im 4. Jahrhundert führte zur Umdeutung des Festes in einen um 500 wieder außer Übung gekommenen Gedächtnistag der Stuhlbesteigung Petri zu Rom (Cathedra = Lehrstuhl, Lehramt). Seit dem 6./7. Jahrhundert ist in Gallien ein meist am 18. Januar gefeiertes Fest zur Erinnerung an die Berufung Petri zum Schlüsselinhaber und Fundament der Kirche sicher nachweisbar, die Sonntage bis Quadragesima wurden sogar danach gezählt. Im Verlauf des fränkisch-römischen Liturgieaustauschs fand dieses Fest auch in Rom Aufnahme, allerdings unter dem traditionellen Datum (22. Februar). Aufgrund einer irrigen Deutung der beiden Daten erhielt das Fest des 22. Februar allmählich den Charakter einer Feier des antiochenischen Amtsantritts Petri (de Cathedra Antiochena). Papst Paul IV. bestimmte 1558 den 18. Januar als Gedächtnistag des römischen Amtsantritts Petri (de Cathedra Romana).

Für uns Gläubige soll das Fest der Thronbesteigung des hl. Apostels Petrus am 22. Februar eine besondere Bedeutung haben, ist es doch der Heiland selbst gewesen, der einem einfachen Fischer, den er dann zum Apostel heranbildete, mit diesem Amte des obersten Hirten hier auf Erden bekleidet hat. Deshalb sollen wir an diesem Tage für unseren Heiligen Vater Papst Benedikt XVI. beten, der nun das oberste Hirtenamt als rechtmäßiger Nachfolger Petri innehat und daran denken, daß auch er keine leichte Bürde zu tragen hat, ist ihm doch die Christenheit auf der ganzen Erde anvertraut worden.

„Gott mit uns“

Eine Betrachtung des seligen Kardinals J. H. Newman


Der heilige Johannes der Täufer war von der Welt getrennt; er war ein Nasiräer. Er zog sich von ihr zurück, wandte sich gegen sie, sprach zu ihr aus seiner Überlegenheit und rief sie zur Buße. Ganz Jerusalem ging zu ihm hinaus in die Wüste; er trat ihm Aug in Aug entgegen. In seiner Pre-digt aber sprach er von Einem, der zu den Menschen kommen und in ganz anderer Weise zu ihnen sprechen werde. Er werde sich nicht von ihnen trennen und als ein höheres Wesen zur Schau stellen, sondern ihr Bruder sein, Fleisch von ihrem Fleisch, einer unter vielen Brüdern, der aus ihrer Mitte kommt und zu ihnen gehört. Ja, er war schon unter ihnen. „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Dieser Größere nannte sich selbst den Menschensohn – er war zufrieden, in allem wie ein Mensch befunden zu werden, obwohl er der Allerhöchste war. Der heilige Johannes und die anderen Evangelisten, deren Berichte über ihn ihrem Charakter nach sonst so verschieden sind, stimmen darin auffallend überein. Der Täufer sagt: „In eurer Mitte steht er, den ihr nicht kennt.“ Weiter lesen wir, daß er aus-drücklich auf Jesus hinwies, nicht vor der Menge, sondern vor einem oder zweien seiner Jünger, die sich dann aufmachen, Jesus zu suchen, und die Erlaubnis erhalten, ihm nach Hause zu folgen. Allmählich fängt Jesus an, sich zu erkennen zu geben und seine Herrlichkeit in Wundern zu offenba-ren. Aber wo? Bei einer Hochzeit, wo es nicht selten zu Ausschweifungen kam, wie der Speisemeister andeutet. Und wie? Indem er den Wein ver-mehrt, das Mittel solcher Ausschwei-fungen. Er nahm an dieser Hochzeit nicht als Lehrer teil, sondern als Gast und sozusagen aus gesellschaftlichen Rücksichten, denn er war in Begleitung seiner Mutter. Man vergleiche das mit dem, was er im Matthäusevangelium von sich selbst sagt: „Johannes kam und aß und trank nicht – der Menschensohn kam und aß und trank, und sie sagten: Siehe, dieser Schlemmer und Weinsäufer!“ Johannes mochte gehaßt sein, aber er war geachtet. Jesus war verachtet. Siehe auch Markus 1, 22 u. 27 und 37 sowie 3, 21, wo alle sich über ihn wundern und aufregen. Der Einwand kommt noch einmal vor, 2, 16. Es muß ein bezeichnender Zug im Charakter und in der Sendung unseres Herrn gewesen sein, da ihn zwei Evangelisten so unabhängig in ihren Erzählungen erwähnen. Der Prophet hatte dasselbe gesagt (Jes. 53).

Dies alles geschah, o geliebtester Herr und Heiland, weil du die menschliche Natur, die Du ins Dasein gerufen, so sehr geliebt hast. Du hast uns nicht allein geliebt als deine Geschöpfe, als das Werk Deiner Hand, sondern als Menschen. Du liebst alle, denn alle hast Du erschaffen, den Menschen aber liebst Du über alles. Wie ist das möglich, o Herr? Was hat der Mensch voraus vor anderen? „Quid est homo, quod memor es eius?“ Doch „nusquam angelos apprehendit“ – „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst?“. . . „nie nahm er Engelsgestalt an“. Wer kann die Tiefe deiner Ratschlüsse und Pläne ergründen? Du hast die Menschen mehr geliebt als die Engel; darum hast Du nicht Engelsgestalt angenommen, als du Dich zu unserer Erlösung offenbartest; Du hast auch verschmäht, eine Gestalt, eine Lebensweise oder einen Beruf zu wählen, der über dem gewöhnlichen menschlichen Dasein lag – Du woll-test weder als Nasiräer noch als levitischer Priester, als Mönch oder Einsiedler zu uns kommen, sondern in der Fülle und im wahren Sinn der Menschennatur, die Du so sehr ge-liebt hast. Du bist nicht bloß als voll-kommener, sondern als eigentlicher Mensch gekommen, nicht mit einem neu aus Erde geformten und nicht mit dem vergeistigten Leib, den du jetzt hast, sondern in demselben wahren Fleisch, das in Adam gefallen ist, mit all unserer Gebrechlichkeit, unseren Gefühlen und Neigungen, die Sünde allein ausgenommen.

O Jesus, großer Gott, es geziemt Dir, das Dir vom Vater übertragene Werk in solch überfließendem Maße und in solcher Vollkommenheit auszuführen. Du hast es nicht halb vollbracht. Die Größe und Herrlichkeit des Opfers gereicht Dir als Gott zur Verherrlichung und uns Sündern zum Trost und zur Hilfe. O liebster Herr, Du bist in vollkommenerem Sinne Mensch als der Täufer, als Johannes, der Apostel und Evangelist, als Deine liebe Mutter. Wie Du an göttlichem Wissen über mich sie alle übertriffst, so auch an Erfahrung und persönli-cher Kenntnis meiner Natur. Du bist mein älterer Bruder. Was sollte ich fürchten, warum sollte ich nicht mein Herz Dir hingeben, der Du so mild und liebevoll, so vertraut, anspruchs-los und bescheiden und so über alles natürlich und demütig bist! Du bist jetzt im Himmel noch derselbe wie einst auf Erden: der allmächtige Gott und doch das kleine Kind – der All-heilige und doch ein fühlender, ein ganzer Mensch.

Aus dem Englischen übertragen von Maria Knoepfler, Kösel-Verlag KG, München 1952)

Bruder Firminus Wickenhäuser OFM

von P. Andreas Fuisting


Ich erinnere mich gut daran, als kleiner Junge häufiger vom „Herrgottsbrüderle“ gehört zu haben, besonders dann, wenn ich mit Erwachsenen spazierengehend am Franziskanerkloster in meiner Heimatstadt Düsseldorf vorbeikam, wo er in der Krypta beigesetzt ist. Dabei befremdete meine rheinländischen Ohren das „-le“, was ich nicht deuten konnte. Später erfuhr ich den Grund: Bruder Firminus war Schwabe.

Geboren in Massenbachhausen (Kreis Heilbronn) wurde Josef Wickenhäuser am 19. Januar 1876 als Sohn einfacher und armer Eltern. Sein Vater Adam war Schäfer von Beruf. In zweiter Ehe heiratete dieser Elisabeth Merkle, die Mutter Josefs. Sie galt als tiefreligiöse und geduldige Frau. Das Vorbild seiner christlichen Eltern war die beste Anleitung für Josef zu heiliger Gottesfurcht und christlicher Frömmigkeit. Sein Vater starb 1891; ab diesem Zeitpunkt mußte Josef für den Unterhalt seiner Mutter sorgen. In seiner Pfarrkirche empfing er die Hl. Taufe und diente als Bub seinem Pfarrer als vorbildlicher Meßdiener am Altar, wo er 1889 die erste Hl. Kommunion empfing. In Kirchhausen wurde Josef 1892 gefirmt. Nach der Schulentlassung (Volksschule in seinem Heimatdorf) arbeitete er zur Unterstützung seiner Eltern in einem Steinbruch. Mit 16 Jahren begann Josef seine Lehre bei Steinmetz Pisot in Kirchardt. Diesem viel sogleich die außergewöhnliche Frömmigkeit und Redlichkeit seines Lehrlings auf, der sich niemals dazu verleiten ließ, gegen sein Gewissen zu handeln. Wurde er von Kameraden ausgelacht oder verspottet, ließ er sich nicht beirren und setzte sich meistens durch. Sah er bei Hänseleien die Nutzlosigkeit persönlicher Rechtfertigung ein, schwieg er lieber.

Mit einem guten Zeugnis ging Joseph als Steinmetz nach Stuttgart in das Grabsteingeschäft Schönleber. Hier lernte er die eigentliche Bildhauerarbeit, Punktieren und Modellieren. Seine freien Stunden galten Weiterbildung und Gebet. Früh auf sich allein gestellt, brachten Wanderjahre ihn bis ins Rheinland und nach Berlin. 1896 kam Josef zum Militärdienst beim Infanterieregiment „Kaiser Franz Josef“. Das Soldatenleben konnte ihn aus seiner gewohnten und gesuchten Christusverbundenheit nicht herausholen.

In Stuttgart lernte Josef das Hausmädchen Maria Farny kennen, die wegen ihrer Frömmigkeit und heiteren Wesensart von ihm geschätzt wurde. Sie versprachen sich einander die Ehe. Während seiner Wanderjahre forderte seine Verlobte von ihm eine Entscheidung. Josef entschied sich dazu dem Ruf Gottes zu folgen und gab Maria frei. Nach dem Tod seiner Mutter (1905) gab er seiner längst vernommenen Berufung endgültig nach und beschloß nun ganz für Gott da zu sein.

1906 erbat er die Aufnahme in den Franziskanerorden. Nachdem er mehrer Klöster besucht hatte, um im franziskanischen Geist geschult zu werden, kam Bruder Firminus, diesen Namen hatte er nach altem Brauch bei der Einkleidung erhalten, schließlich nach Düsseldorf. 1912 berichtete sein Novizenmeister: „Bruder Firminus faßt das Ordensleben ideal auf. Er zeigt großen Eifer im Tugendstreben und in seinem ganzen Verhalten den sicheren Ordensberuf.“

Mit Brüdern aus anderen Ordensgemeinschaften tat unser Bruder im Ersten Weltkrieg Dienst als Malteser überall, wo man ihn brauchen konnte: im Bahnhofsdienst, in Krankensälen und im Operationssaal. Keine Arbeit war ihm zu schwer und keine Zeit zu ungelegen in der Betreuung der Verwundeten. Einmal schreibt er. „Es wurde mir sehr schwer, die schrecklichen Wunden zu verbinden. Doch mit Gottes Hilfe konnte ich das Opfer bringen. Täglich gehe ich in der Frühe eine Stunde weit zur Kirche, um mir in der Feier der Hl. Messe die Kraft für mein schweres Tagwerk zu holen.“

Inzwischen war – auch während des Krieges – zu einer seiner Hauptaufgaben die Bildhauerei geworden. Trotz zahlreicher ehrenvoller Bildhauerarbeiten (Kaiser Wilhelm II. schätzte seine Arbeiten und grüßte ihn im Lazarett von St. Remi einmal mit: „Sind Sie der verkappte Michelangelo?“), hat er nie diese Arbeit, bei der er Adelsleute, Politiker und hohe Militärs modellierte, zum Gegenstand seines Lebens im soldatischen Dienst gemacht. Für ihn gab es nur Gott. Eine Anekdote verdeutlicht das. Als Firminus einmal gefragt wurde, ob er auch sonntags an einer Büste arbeiten könne, gab er die klare Antwort: „… ich pflege sonntags nicht zu abreiten, sondern zu beten und an mir zu modellieren.“

Zum Kriegsende November 1918 kam Bruder Firminus endlich ins Kloster Düsseldorf zurück und durfte nun wieder ganz Ordensmann sein. 1910 legte er die Ewigen Gelübde ab bis zum Tode. Vorbehaltslos ging er weiter auf sein Ideal zu, wie der hl. Franziskus es aufgestellt hat: Regel und Leben der Minderbrüder ist dies: Das hl. Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beobachten und zu leben in Armut, Gehorsam und Jungfräulichkeit. In seinen Aufzeichnungen lesen wir. „Es ist mein einziger Wunsch, daß ich ein immer besserer Minderbruder werde.“

Zwischen 1919 und 1924 erhielt der Bruder den Auftrag, an der St. Apollinariskirche in Remagen größere Restaurierungsarbeiten auszuführen. Es war zumeist eine mechanisch – technische Arbeit. Diese lag ihm eigentlich nicht. Aber er wollte nicht aufgeben oder um eine andere Arbeit bitten. Ihm galt der Auftrag als Auftrag Gottes.

Seine Haupttätigkeit als Bruder, aus Steinblöcken Kunstwerke herauszuarbeiten, blieb die Gesundheit des Firminus betreffend, nicht ohne Folgen. Er erkrankte an der berüchtigten Staublunge, bei der sich durch feinste Ablagerungen krankhafte Veränderungen am Lungengewebe zeigen. Als Folge bildete sich eine Schädigung des Herzens heraus, was mit der Zeit den ganzen Körper in Mitleidenschaft zog. Im Frühjahr 1939 wurde er ins Krankenhaus eingewiesen. Vorausahnend, daß sein Heimgang zum Herrn nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, ließ er sich nur Geld für die Hinfahrt geben. Trotz seines elenden Zustandes fanden ihn die Krankenschwestern häufig neben seinem Bett knien und beten. „Für Gott allein! So wirst du hier und ewig glücklich sein!“ So betete er! Wenn der Bruder konnte, half er den Schwestern beim Kranken- und Wirtschaftsdienst. Gern besuchte er die anderen Kranken, um ihnen durch sein Wort und seine Güte zu helfen. So ging Firminus betend, leidend, liebend und dienend seinem Heiland entgegen. Am 30. September 1939 verstarb er, nachdem ihm in der Krankenhauskapelle morgens noch die hl. Kommunion gereicht worden war. Am gleichen Tag wurde er ins Kloster überführt und im Klostergang aufgebahrt. Eine große Zahl an Verehrern brachte Blumen her und berührte seinen Leichnam mit Rosenkränzen.

Am 3. Oktober wurde Br. F. Wickenhäuser auf dem Friedhof in Stoffeln (Düsseldorf) beigesetzt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war überraschend groß, hatte doch gerade erst der Zweite Weltkrieg begonnen. Nachdem die Friedhofsverwaltung die „häufigen und wiederholten Besuche des Grabes“ bestätigen konnte, leitete Joseph Kardinal Frings, Erzbischof von Köln, auf Bitten der Ordensgemeinschaft der Franziskaner am 29. April 1957 den Seligsprechungsprozeß ein. Am 14. September des Jahres 1957 schließlich wurden die Gebeine in die Bruder-Firminuskrypta des Franziskanerklosters in Düsseldorf überführt und dort beigesetzt.

Die Eigenschaften eines Heiligen

Demut:

Bruder Firminus machte seinem Ordensnamen alle Ehre. „Der Beständige“ war er gewiß, der in unerschütterlichem Glauben fest und beständig seinen Ordensweg ging. Dabei war er sich bewußt, aus der Kraft und Treue Gottes zu leben. In einer Mischung aus Humor und demütiger Überzeugung gab Firminus seinem Namen eine andere Deutung. Er sah sich als den „Vier – minus“, dessen Leben nur die Note „schwach ausreichend“ verdiente. Mit der „vier minus“ signierte er sogar seine Kunstwerke. Er wollte damit auf seine Art zeigen, was er war: nach der Regel des Ordensgründers Franziskus ein „Minderbruder“, der im Geist und in der Nachfolge Christi bereit ist, im selbstlosen Dienst an den Armen, Leidenden und Verachteten den letzten Platz einzunehmen.

Nächstenliebe:

Unter dem Beinamen, „Das Herrgottsbrüderle von Düsseldorf“ ist Bruder Firminus bekannt geworden. Zwar wurde ihm dieser Name wohl von Menschen verliehen, die ihn gut kannten und sein geistliches Leben schätzten; aber selbst trägt er auch Anteil daran. Es war nämlich seine Gewohnheit die Mitmenschen „Herrgottsbrüderle“ oder “ -schwesterle“ zu nennen. In dieser Kurzformel gab er seine Sicht vom Menschen wider: Jeder Mensch steht im Schnittpunkt der Gottesliebe (Herrgott) und Nächstenliebe (Bruder und Schwester). So schreibt er einmal: „Da jeder Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und unser Bruder und unsere Schwester ist, so ist infolgedessen unsere Nächstenliebe der heilige Maßstab unserer Gottesliebe.“

Es findet sich in der Hl. Schrift häufiger die Rede, daß Gott selbst seinen Getreuen einen neuen Namen geben wird. Besonders Freunden und Vertauten offenbart Gott diesen Namen bereits zu Lebzeiten, wie die Geschichte der christlichen Spiritualität zu berichten weiß. In diesem Zusammenhang bedeutet „Name“ das umfassende göttliche und menschliche Geheimnis der Person. „Herrgottsbruder“ könnte wohl ein solcher Name sein.

Beten:

Bruder Firminus beeindruckte viele durch seine innere Sammlung beim Gebet. Dieses war im Laufe der Jahre so sehr zur Mitte seines Lebens geworden, daß von einem beständigen und unaufhörlichen Gebetsgeist, der ihn beseelte, gesprochen werden kann. Er betete immerzu: in der Kirche, in der Werkstatt, bei jeglicher Arbeit und Freizeit. Stets war er sich der Gegenwart Gottes bewußt. So war er ein lebendiges Vorbild des Gebetes, das anderen Mut machte und zur Nachahmung anregte.

Gebet ist immer eine Begegnung mit Gott, in der Er seinen heiligen und liebenden Willen mit den unvollkommenen und oft so unheiligen Selbstentwürfen des Menschen durchkreuzt. Im Gebet offenbart Gott seinem geliebten Geschöpf stets neu seine Wahrheit und bietet ihm die Gemeinschaft seiner Liebe an. Firminus hat die Größe, aber auch die Schwierigkeiten der gottgewollten Umgestaltung durch das Gebet zutiefst erfahren. Er sagt selbst dazu: „Weil Gott mich liebt, will er mich auch trotz meiner Sünden noch heilig machen. Ich muß deshalb auch im Kreuz und Leid auf Gott vertrauen, ja, in Kreuz und Leid erst recht. Auch jede Schwierigkeit im Gebet läßt Gott zu, damit ich durch dieses Kreuz von meinen bösen Neigungen gereinigt, in der Tugend immer wieder geübt und schneller zur Vereinigung mit ihm gebracht werde. Die trockenen Stunden, wo ich nicht mit Trost und Genuß beten kann, will ich im Geiste der Buße und Sühne annehmen.“

In seiner Arbeit als Künstler:

Bruder Firminus liebte seinen Beruf und seine Arbeit. Doch stand bei ihm nicht die Leistung, sondern die Gesinnung im Mittelpunkt seines Schaffens. Er sah in seiner Tätigkeit einen „Dienst an der Schöpfung“ und zur Ehre Gottes und zum Heil und Wohl der Menschen. Neben dem Gebet war für ihn die Arbeit das beste Mittel, um seine wahre Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich unter Beweis zu stellen.

Große handwerkliche Fähigkeit, die ihn zum Steinmetz befähigte, verband sich bei ihm mit einer künstlerischen Begabung, die ihn zum Bildhauer werden ließ. Diese Tätigkeit am Stein wurde für ihn zu einem tiefen Sinnbild und Gleichnis. Sie schenkte ihm die Schau, daß es bei jeder Arbeit im Grunde darum geht, ein Kunstwerk zu schaffen, das vollkommen ist und nie vergeht. Ein solches Kunstwerk aber kann nur gelingen, wenn menschliches Handeln und göttliches Wirken Hand in Hand gehen. Es gelingt, wenn Gottes Hand den Meißel führt, mit dem unser Leben geformt und gestaltet wird, damit wir „dem Bilde seines Sohnes gleichgestellt werden“ (vgl. Röm 8,28 f.).

Besucher, und Bewunderer seiner Kunstwerke lernten seine Sicht dieses tiefen Sinngehalts menschlichen Wirkens kennen, wenn er ihnen sagte: „So wie ich mit Hammer und Meißel arbeite, so arbeitet der liebe Gott an unserer Seele, damit das Bild Christi in ihr herauskommt. . .

Laßt uns ausreißen, was einer anderen Richtung zuneigt, und unbarmherzig mit dem Hammer und dem Meißel der Abtötung herunterhauen, wie ich jetzt an einem Stein rücksichtslos schon sechs Wochen herunterhaue. Da gibt es keinen Eigenwillen von Seiten des Steines. . .

Ich meißle zwar gern die Heiligenbilder, aber viel lieber erfülle ich im Gehorsam den Willen Gottes. . .

Ich bin ein ganz armer Sünder. Der Herr muß noch viel draufschlagen, bis ein Heiligenbild daraus wird.“

In der Nachfolge des gekreuzigten Herrn:

Für viele Menschen ist die Nachfolge des Gekreuzigten ein „Ärgernis“, weil sie im Kreuz nur Tod und Untergang sehen. Der Glaubende sieht das Kreuz mit den Augen Gottes und erkennt darin „Gottes Weisheit und Gottes Kraft“, die durch das Leiden und Sterben Jesu der Welt offenbart und geschenkt wurde. Endgültiges Heil und Erlösung gibt es nur dort, wo der Mensch aus einer Quelle trinken kann, deren Wasser die Lebenskraft hat, von aller Schuld und allem Bösen zu befreien und aus dem Tod zu erlösen. Dieser ewiges Heil und ewiges Leben spendende Quell, so sieht und bekennt es dankbar der Gläubige, entsprang am Kreuz aus den fünf Wunden des gekreuzigten Herrn. Dazu äußert sich Bruder Firminus wie folgt: „Alle Leiden und Schmerzen sind unserer sündigen Natur zuwider; aber es liegt ein großes Geheimnis im Kreuz und Leiden. Das Geheimnis der Leiden des Herrn ist der Grundstein heiligen Glaubens. Das Kreuz ist der Quell allen Segens und der Ursprung aller Gnaden.“

Die Nachfolge des gekreuzigten Herrn war für Firminus vor allem der königliche Weg der göttlichen Liebe. Von dieser Liebe hatte er sich ganz gefangen nehmen lassen, und er bemühte sich, sie täglich sichtbar zu machen. Wer diesen Weg geht, geht im Tod nicht zugrunde, weil die allmächtige Liebe Gottes ihn ewig leben läßt in der Herrlichkeit des auferstandenen Leibes. Und da der Bruder Kreuz und Leid in diesem österlichen Licht der vollendeten Liebe Gottes zu sehen pflegte, nahm er täglich in großer Liebe sein und vieler Menschen Kreuz auf sich und folgte dadurch Jesus nach. Denn er hatte festgestellt: „Das Kreuz ist die bejahende schöpferische Kraft des Guten, entgegen der verneinenden Macht des Bösen.“

Leben aus dem Geheimnis der Hl. Kommunion:

Die unbegreifliche Gegenwart und Wirksamkeit des auferstandenen Herrn inmitten seiner Kirche war für Bruder Firminus die wahre Sonne, die ihm stets Licht und Leben schenkte, in der täglichen Mitfeier der hl. Messe. Hier erfuhr er die unfaßbar innige Gemeinschaft mit Christus durch die hl. Kommunion. Sie erfüllte seine Seele immer wieder mit Staunen und Dank. Sooft es ihm möglich war, ging er in die Kirche, um zu beten und sich von „der Sonne Jesu im allerheiligsten Sakrament bescheinen“ zu lassen. Auch die Anbetung des Allerheiligsten war für ihn ein Kernstück wahrer Christusliebe. Deshalb sagte er: „…reiße dich los von der Unterhaltung der Menschen und verweile von heute an täglich einige Zeit lang vor Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament…“ Und schreibt einer Bekannten: „Was wären wir unvermögend, wenn wir nicht oft zu den hochheiligen Geheimnissen, der heiligen Kommunion hinzutreten dürften. Gehen Sie, sooft es Ihnen möglich ist. Der liebe Heiland wandelt uns dann nach und nach zu Heiligen. Liebe und Freude werden wir dann ausstrahlen gegen alle Menschen.“

O Wunder, das niemals seinesgleichen hatte, noch haben wird!
O Gnade, die wir niemals verdienen konnten!
O Liebe, die wir niemals zu erfassen vermögen!

Bruder Firminus

Im Vertrauen auf die Fürsprache Mariens:

Der Marienwallfahrtsort Neviges hatte für Bruder Firminus eine besondere Bedeutung. In dessen Gnadenbild, so scheint es, fand er weitgehend den sichtbaren Ausdruck zu jenem Bild der Gottesmutter, das er unsichtbar in seinem Herzen trug. In seiner inneren Schau sah er Maria vornehmlich in ihrer vollkommenen und vollendeten Gestalt. Ihr ganzes Leben sah er in diesem Licht. Bei ihr in der wunderbaren Eigenschaft als Gnadenvermittlerin, verweilte zunehmend sein Blick, an sie richtete er immer häufiger seine Gebete. „Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, schrieb er deutlich sichtbar in den Sockel jener Marienstatue, die er zu Ehren der Mittlerin aller Gnaden gestaltet hatte, und „Maria, Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, waren die letzten Worte, die er zwei Tage vor seinem Tod niederschrieb. Mit großem Vertrauen betete Bruder Firminus zur Gottesmutter. Von ihrer Fürbitte erhoffte er sich die größten Gnaden für sein Leben und das anderer Menschen. So schreibt er in einem Brief an den Adressaten. „Möge unsere gute, himmlische Mutter ihnen eifriges Tugendstreben und viel Freude dazu am Throne Gottes erbitten…Die mächtige Fürbitte der lieben Gottesmutter wird Sie wieder gesund machen.“

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Auf dem Weg zu ewigen Leben:

Das von Gott dem Menschen gesetzte Ziel, das ewige Leben bei ihm, verlangt den ganzen Einsatz der Person. Wie der Weg zu diesem Ziel zu gehen und wie es zu erreichen ist, dafür ist das Leben von Bruder Firminus ein Vorbild. Fest und beharrlich ging er den Weg, den Gott im Leben Jesu vorgezeichnet hat. Er bemühte sich, keine Umwege zu machen und auf dem Weg nicht stehen zu bleiben. Daher war er auch von der Hoffnung mit Christus zu siegen und mit ihm das ewige Leben zu erben ganz erfüllt. Nur die Macht Gottes vermag es den Tod zu besiegen, mag der Mensch sonst kämpfen und siegen wie er will. In der Auferstehung Jesu Christi von den Toten hat Gott diese seine Macht erwiesen und ihn eingesetzt zum Mittler des ewigen Lebens für alle Menschen. Wer das Leben des auferstandenen Herrn in seinem Leben wirksam werden läßt durch den Glauben und die Nachfolge Christi, der wandelt schon im neuen Leben, das nach dem Tod in göttlicher Herrlichkeit sich offenbaren wird. So ist der Tod kein Feind mehr, sondern ein Bruder, der das Tor öffnet zum ewigen Leben. Davon war Firminus so fest überzeugt, daß er folgende tröstliche Worte schreiben konnte: „All unsere Werke, Gedanken und Worte müssen eine Vorbereitung zum Tode sein. Dann kann der Tod als unser Freund und Bruder jederzeit willkommen sein.“

Durch den Ruf der Heiligkeit, durch den der Diener Gottes im Leben leuchtete, hörte auch nach seinem Tod die Verehrung nicht auf. Deshalb eröffnete Joseph Kardinal Frings als Erzbischof von Köln im Jahr 1957 den Prozeß seiner Seligsprechung und Kanonisierung.

Die Kongregation für die Seligsprechung billigte dies ordnungsgemäß in einem Dekret am 24. Mai 1991.

Nach Regel und Brauch ist dann erörtert worden, ob Bruder Firminus die Tugenden in heroischer Weise geübt habe. Am 1. Juli 1997 tagte ein besonderer Kongreß mit glücklichem Ausgang über die theologischen Räte.

Am 6. Oktober 1998 bekannten in einer ordentlichen Sitzung die Kardinäle und Bischöfe, daß Bruder Firminus die theologischen Tugenden, sowie die dazugehörenden Kardinaltugenden in „heroischer Weise“ gelebt habe.

Nachdem der höchste Pontifex Johannes Paul II. über die erfolgten Schritte informiert worden war, ordnete er an das „Dekret über die heroischen Tugenden“ des Dieners Gottes aufzusetzen.

Es lautet:

„Es steht fest, daß Bruder Firminus Wickenhäuser, die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowohl Gott als auch dem Nächsten gegenüber, sowie die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und alle dazugehörigen Tugenden auf h e r o i s c h e  W e i s e ausgeübt hat!“


Die Ausführungen sind dem lesenswerten Buch entnommen „Franziskanerbruder Firminus Wickenhäuser, 1876 – 1939, gelebt und gestorben im Rufe der Heiligkeit“, Herausgegeben vom BRUDER-FIRMINUS-WERK, Franziskanerkloster Düsseldorf, 2007. Auswahl der Texte und deren Kürzungen von mir.

Die Heiligen – Freunde Gottes und Helfer der Menschen

von Pater Marc Brüllingen


Der Monat November ist vielen von uns als Allerseelenmonat bekannt. Doch beginnt der Monat November mit dem Fest Allerheiligen, an dem die Kirche alle Heiligen im Himmel verehrt. Aber, wann ist ein Mensch ein Heiliger? Wann wird jemand als Heiliger verehrt? Zunächst einmal muß festgestellt werden: Gott ist der Allheilige. Es ist das Wesen des höchsten Gutes und der höchsten Güte, sich selbst gemäß, d.h. heilig zu sein. Gott ist auch der Urheilige, der vernunftbegabte Geschöpfe über die Möglichkeiten ihrer geschöpflichen Ordnung hinaushebt in eine übernatürliche und sie sich selbst gemäß macht und angleicht, sie heilig macht. Jedes vernünftige Geschöpf strebt zwar kraft seines Wesens nach Gott, seinem Ursprung, um in ihm Ruhe und Heimat zu finden. Aber welches Geschöpf dürfte wohl wagen, wie Gott sein zu wollen und sich eindrängen in das persönliche Leben Gottes? Das Geschöpf kann sich seinen Platz nicht wählen in der göttlichen Sphäre seines Schöpfers. Aber der Schöpfer kann – aus Gnade – das Geschöpf teilhaben lassen an seinem eigenen Leben. Und da Leben bei dem höchsten Geiste Erkennen und Lieben ist, muß der geschaffene Geist, der an seinem Leben teilhaben will, in seinem Erkennen dem göttlichen Geiste angeglichen werden.

Der übernatürliche Glaube, der in Schauen übergeht, und der Mensch muß dem göttlichen Lieben gleichförmig werden durch jene Liebe, welche der Geist der Liebe, der ausgegossen ist in unsere Herzen, bewirkt. Der Mensch wird so gottförmig. Er wird vergöttlicht, ohne aufzuhören, ein Mensch zu sein. Es gibt Menschen, über deren Leben und Sterben die katholische Kirche die Sicherheit hat, daß Gott schon auf Erden in ihnen alles geworden ist. Solche Mitglieder anerkennt die Kirche öffentlich als Heilige und ehrt sie durch diesen Titel. Von ihnen behauptet die Kirche, daß sie in der Anschauung Gottes selig sind und daß sie als Freunde Gottes unsere Fürbitter sind. Darum empfiehlt sie, die Heiligen zu verehren, wohl wissend, daß die Verehrung der Heiligen im Grunde den ehrt, der die Quelle ihrer Heiligkeit ist, den Allheiligen, von dem sie selbst nur ein Abglanz sind.

Die Heiligen sind nicht selbstleuchtend wie die Sonne, sie glänzen vom Lichte Gottes, von dem alle Heiligkeit ausgeht und auf den alle Heiligenverehrung zurückziehlt. Die Kirche läßt eine öffentliche Verehrung, also eine Verehrung im kirchlichen Gottesdienst, nur zu nach vorhergegangener kirchlicher Prüfung. Eine solche Prüfung fand bereits in der altchristlichen Zeit bei den Märtyrern statt. Man nannte die Anerkennung des Martyriums durch den Bischof oder durch Synoden vindicatio; die Märtyrer, deren Verehrung gestattet war, hießen Martyres vindicati. Das waren solche, die durch ihren Tod öffentlich Zeugnis für Christus abgelegt hatten. Die Namen der anerkannten Märtyrer wurden beim Gottesdienst verlesen. Die Namen der Märtyrer eines Ortes, deren Andenken gefeiert werden sollte, waren auf Täfelchen, den sogenannten Diptychen, aufgezeichnet. Zu diesen setzte man auch die Namen anderer berühmter Märtyrer, die man wegen des Glanzes ihres Martyriums oder des Rufes ihrer Heiligkeit und ihrer Wunder verehren wollte. Auf diesen Brauch weisen heute noch Gebete des römischen Meßkanons hin. Die Berichte über den Tod der Märtyrer gingen um und wurden beim Gottesdienst häufig vorgelesen. Dadurch wurde ihre Verehrung stark ausgebreitet.

Die Kirche hatte nach der Märtyrerzeit zunächst gezögert, auch Nichtmärtyrer öffentlich als Heilige zu verehren. Aber die Verehrung, welche der hl. Antonius der Einsiedler und andere große Gestalten des Mönchtums im Morgenland, die der hl. Martin von Tours und andere nach ihm im Abendland fanden, konnte nicht nur auf die private Frömmigkeit beschränkt bleiben. Bald war es allgemeine Überzeugung, daß es, wie Isidor von Sevilla (+ 636) schreibt, zwei Arten von Märtyrern gibt: „Die einen legen vor aller Augen Zeugnis ab durch ihr Todesleiden, die andern bezeugen Gott durch die verborgene Tugend ihrer Seele. Manche haben den Anschlägen des Teufels widerstanden, haben sich nicht überwinden lassen durch das Gelüsten des Fleisches und haben sich so dem allmächtigen Gott geopfert, daß sie Zeugen Gottes wurden, als die Kirche Frieden hatte, wie sie Blutzeugen geworden wären, wenn sie Verfolgung zu leiden gehabt hätten.“ Das Wort confessor, Bekenner, wurde in jener Zeit der Ehrentitel jener Nichtmärtyrer, deren Heiligkeit die Kirche anerkennen wollte. Die feierliche Zuerkennung der öffentlichen Verehrung gab dem Bekenner, der Jungfrau oder der Witwe, das sind die beiden anderen Stände, die man bei den Heiligen unterschied, was bei jedem anerkannten Märtyrer Sitte war, daß nämlich über seinem Grabe das eucharistische Opfer gefeiert werden durfte. Sie fand ihren Ausdruck darin, daß die Gebeine des neuen Heiligen gehoben und unter einem Altare beigesetzt wurden.

Die Seligsprechung, welche die Vorstufe zur Heiligssprechung ist, wird dann vorgenommen, wenn durch die Kirche festgestellt worden ist, dass der Diener Gottes von heroischer Tugendgröße gewesen ist und daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat. Können nach der Seligsprechung zwei weitere Wunder bewiesen werden oder drei, falls der Diener Gottes rechtmäßig eine öffentliche Verehrung seit unvordenklicher Zeit genoß, dann erfolgt die Heiligsprechung. Bei den Martyrern genügt zur Seligsprechung der Nachweis des Martyriums als Beweis heroischer Tugendgröße. Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (= Kanonisation), die sie vorbereitet. Die Seligsprechung gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung. Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Heilige Vater als oberster Lehrer der Christenheit sein letztes, allgemein geltendes und allgemein bindendes Urteil: „Dieser Selige ist ein Heiliger, ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er hat Anspruch auf Verehrung in der ganzen Kirche.“


Foto: Heike Hannah Lux

Der Rosenkranz

von P. Miguel Stegmaier


„Salutate Mariam! Quae multum laboravit in vobis“ – Grüßet Maria, die sich für euch so sehr abgemüht hat (Röm 16, 6).

Im 4. Jahrhundert kam der hl. Bischof und Kirchenlehrer Gregor von Nazianz, mit dem Beinahmen „Der Theologe“, auf die Idee, Maria gegenüber seine Verehrung und Liebe darzubringen, indem er statt eines Kranzes aus Rosen einen Kranz aus Gebeten und Liedern ersann, die aus den tiefen Empfindungen seines andächtigen Herzens hervorkamen.

Der Inhalt dieser Gebete und Lieder pries und verherrlichte die Tugenden Mariens, ihre Demut, ihr Gottvertrauen, ihren Gehorsam, ihre Jungfräulichkeit, ihren Leidensmut, ihre Macht und Güte, ihre Muttersorge und Treue.

Der hl. Gregor lud an den Muttergottesfesten die Gemeinde zum Mitbeten ein, und die Erfindung dieses Gebetskranzes (lateinisch: corona praecum) fand großen und freudigen Beifall beim katholischen Volk.

Was ist nun ein Rosenkranz?

1) Der Rosenkranz ist eigentlich ein Kranz mündlichen Gebetes.

Was bedeutet „beten“? „Beten“ heißt, „sein Herz zu Gott erheben“ (sursum corda), und „ihn um Gnade zu bitten“ (preces). Beten heißt, fromm mit Gott oder mit seinen Heiligen zu sprechen (pia conversatio). Wir beten also, wenn wir ganz bei Gott sind, wenn wir seine Größe bewundern, wenn wir unsere Armseligkeit, unsere Hilflosigkeit ihm eingestehen und ihn um seine Hilfe bitten: „Deus in auxilium meum respice“ ( Ps. 39, 1) – Herr, sei bedacht, mir zu helfen. Wenn wir in bestimmten Worten unseren Gefühlen Ausdruck geben, dann haben wir das mündliche Gebet, wenn wir nur an ihn denken, wenn wir ganz aufmerksam sind auf seine Worte, wenn wir mit unserm Herzen bei Gott sind, daß wir bestrebt sind, alle Gedanken, die Gott mißfallen, aus unserm Herzen zu entfernen. Die hl. Theresia vom Kinde Jesu sagt ähnlicherweise über das Gebet: „Für mich ist das Gebet ein Schwung des Herzens, ein einfacher Blick zum Himmel, ein Ausruf der Liebe und Dankbarkeit mitten aus der Prüfung, mitten aus dem Glück. Kurz, es ist etwas Erhabenes und Übernatürliches, das die Seele ausweitet und sie mit Gott vereint.“

Allerdings, den meisten Menschen ist es nicht gegeben, ihre Gefühle mit ihren eigenen Worten frei und leicht auszudrücken, sie brauchen deshalb „mündliche Gebete“, die sie entweder auswendig gelernt haben oder aus einem Buch ablesen. Aber die Qualität des Gebetes hängt nicht vom Aufsagen langer Gebetsformeln und nicht vom langen Lesen in einem Gebetbuch ab, sondern von der guten Gesinnung, die die Menschen Gott gegenüber bezeugen. Für Gott ist nicht die Quantität des Gebetes, sondern mehr ihre Qualität wichtig. Der Heiland sagt: „Auch sollt ihr beim Gebete nicht viele Worte machen, wie die Heiden, die meinen, sie würden wegen ihrer vielen Worte erhört“ (Mt. 6, 7).

Die Qualität ist also im wesentlichen eine Frage des Inhalts. Im Rosenkranz haben wir nicht irgendein Gebet vor uns, das Menschen gemacht haben, sondern ein Gebet des Herrn, das „Vater unser“, das wir von Jesus selbst gelernt haben und das „Ave Maria“, den englischen Gruß, vom Erzengel Gabriel zuerst gesprochen, der von Gott gesandt war.

Das „Vater unser“ enthält so herrliche Bitten, daß wir es ruhig öfter hersagen können. Und das „Ave Maria“ ist eine ehrfurchtsvolle Begrüßung der Muttergottes, die nicht nur ein großer Heiliger, sondern ein Bote Gottes gesprochen hat. Diese beiden Gebete erheben also mit Leichtigkeit unser Herz zu Gott, wir können Gott Vater und die allerseligste Jungfrau niemals mit schöneren Worten preisen, als wenn wir diese beiden Gebete sprechen. Wenn wir also das „Vater unser“ und das „Ave Maria“ sprechen, gehen wir gewissermaßen an der Hand der Muttergottes zum himmlischen Vater und vereinigen unser schwaches Gebet mit dem Gebet der größten Heiligen, um Gott würdig zu preisen. In der Tat vereinigen wir uns mit großen Heiligen, die ständig den Rosenkranz beteten; z.B. ließ der hl. Pius V, ungeachtet seiner vielen Geschäfte, keinen Tag vorübergehen, ohne den Rosenkranz zu beten. Der hl. Karl Borromäus betete ihn gleichfalls täglich. In seiner Domkirche zu Mailand errichtete er die Rosenkranzbruderschaft, bei deren Versammlungen er häufig selbst den Rosenkranz vorbetete. Der hl. Johannes Berchmans, Jesuit, wollte mit dem Rosenkranz in der Hand sterben. Der hl. Franz Xaver heilte die Kranken durch Berührung mit dem Rosenkranz. Der hl. Franz von Sales und der hl. Alfons von Liguori hatten sich durch ein Gelübde verpflichtet, alle Tage den Rosenkranz zu beten.

2) Der Rosenkranz ist ein Mariengebet und ein vertrauensvolles Gebet.

Wir sehen im Rosenkranz, wie Maria bei allen Geheimnissen der Erlösung beteiligt ist, wir ergreifen im „Ave Maria“ ihre Hand und betrachten gemeinsam mit ihr die Geheimnisse des Lebens und Todes Jesu Christi, damit sie uns den Heiland vorstelle und an unserer Stelle für uns bitte.

Nun, das Psalterium Mariae (Psalter Mariä) oder Rosarium (Rosenkranz) besteht darin, daß man nach vorausgeschicktem apostolischem Glaubensbekenntnis, fünfzehn Mal das Gebet des Herrn mit dem Verherrlichungspruche: „Ehre sei dem Vater“, und einhundertfünfzig Mal den englischen Gruß betet, wobei die fünfzehn Geheimnisse des Erlösers und seiner heiligsten Mutter zur Betrachtung beigefügt werden. Der ganze Rosenkranz zerfällt wieder in drei Teile, in fünf „Vater unser“ und fünfzig englische Grüße, die „decades“ – Gesetze genannt werden. Die beigefügten Geheimnisse scheinen diese Abteilung hervorgebracht zu haben. Der erste Teil enthält die fünf vorzüglichsten Geheimnisse der Menschwerdung (Mysteria gaudiosa); der zweite die des Leidens (Mysteria dolorosa); der dritte die der Verherrlichung (Mysteria gloriosa); Papst Johannes Paul II fügte dem Rosenkranz mit dem Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae vom 16. Oktober 2002 die lichtreichen Geheimnisse hinzu. Diese nennen Glaubensgeheimnisse zwischen Kindheit und Leiden Jesu und ergänzen die drei klassischen Formen (freudenreicher, schmerzhafter und glorreicher Rosenkranz).

Die Abfassung und Einteilung des Rosenkranzes in bestimmte Gesetze oder Absätze mit abwechselndem „Vater unser“ und zehn „Ave Maria“, sowie der beigemischten Betrachtung der Geheimnisse des Lebens, Leidens und der Verherrlichung unseres Erlösers, mit einem Wort, der Rosenkranz, wie wir ihn gewöhnlich beten, rührt wohl vom hl. Dominikus, Stifter des Prediger-Ordens oder Dominikaner, her, der im dreizehnten Jahrhundert lebte. Etwas dem Rosenkranz ähnliches hatte man jedoch schon früher. Bereits im vierten Jahrhundert hat der hl. Bischof Gregor von Nazianz einen Kranz aus Gebeten und Liedern zur Ehre der Gottesmutter komponiert. Im elften Jahrhundert bestimmte der hl. Abt Johannes Walbert: diejenigen unter seinen Mönchen, welche nicht Priester waren und kein Latein verstanden, also die lateinischen Psalmen im Chor nicht mitsingen konnten, sollten statt dessen eine gewisse Anzahl „Vater unser“ und „Ave Maria“ beten. Zum Abzählen bedienten sie sich gewisser Körner, welche sie an ihrem Gürtel angehängt trugen. Sogar in den ersten Jahrhunderten gebrauchten die Einsiedler schon kleine Steinchen oder sonstige Zeichen, um damit ihre Gebete abzuzählen.

Die Benennung „Rosenkranz“ soll durch eine wunderbare Begebenheit entstanden sein. Die hl. Rosalia, eine nahe Verwandte Kaiser Karls des Großen, hatte in ihrer Einöde eine Schnur mit vielen kleinen Körnern, die sie in ihrer Hand trug und woran sie wohl auch betete, und an deren Spitze ein kleines Kreuz hing. Der Name Rosalia, kann vielleicht eine Veranlassung zu der Benennung „Rosenkranz“ gewesen sein. Jedenfalls kommt er auch durch den Vergleich Mariens mit einer Rose. Schon die heilige Schrift sagt von ihr nach der Auslegung der Kirche: „Wie eine Rosenstaude wuchs ich“, und wir nennen sie in der „Laurentanischen Litanei“ die „rosa mystica“ (geheimnisvolle Rose). Maria heißt deshalb die „geheimnisvolle Rose“, weil sie gleich dieser Blume durch ihre Lieblichkeit, durch den herrlichen Blumenduft der schönsten Tugenden sich ausgezeichnet und weil sie, wie die Rose, die vornehmste unter den Blumen, die schönste, die höchste, die Königin aller Menschen und Engel ist. Wie der allweise Schöpfer der Rose die Dornen gegeben hat zum Schutz, so war auch Marias jungfräuliche Reinheit durch den doppelten Dornenzaun der Makellosigkeit und sittsamer Zurückgezogenheit gegen die Gefahren der Welt gesichert.

Der Rosenkranz stellt uns vor, was Gott alles für uns getan hat, um uns an sich zu ziehen. Er stellt uns das ganze Erlösungswerk Christi vor und leitet uns an, die Güte Gottes in diesen Geheimnissen zu betrachten. Darum tun wir recht daran, den Rosenkranz zu beginnen mit dem Glaubensbekenntnis. Wir beten dann zuerst um die drei göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe, um das richtige Verhältnis zu Gott zu finden, und dann ist jedes Geheimnis eine so nachdrückliche Predigt von der Liebe Gottes zu uns, daß es uns nicht schwer fallen kann, diesem gütigen Gott unsere Anliegen mit unbeschränktem Vertrauen vorzutragen.

Der Rosenkranz ist endlich eine wahre Schule des Gebetes und eine Schule der Marienverehrung. Was für den Priester sein Brevier, das ist für den Gläubigen der Rosenkranz. Alle guten Eigenschaften des Gebetes können wir hier lernen, alle unsere Stimmungen in ihn hineinlegen. Die großen Feste des Kirchenjahres kehren in seinen Geheimnissen wieder, die Gnade Gottes können wir durch ihn erflehen, unsere Sorgen und Nöte tragen wir im Rosenkranz zu Maria und schöpfen aus seinen Geheimnissen Trost und Kraft. Wenn man um unsere im Tode erkalteten Hände den Rosenkranz schlingt, wie es der Wunsch des hl. Johannes Berchmans war, so soll das nicht ein inhaltsloser Brauch sein. Nein! Sondern das Bekenntnis, daß wir im Tod durch den Rosenkranz Hilfe von Maria erwarten. So können wir mit jedem „Ave Maria“ im Stillen das Gebet verbinden: „O Gott, du hast Großes an uns getan. Siehe, wir vertrauen auf dich, daß du uns die Gnade deiner Erlösung zuwenden und unser Gebet erhören wirst.“

Königin des heiligen Rosenkranzes, bitte für uns!

Hermann Joseph von Steinfeld

– ein Heiliger der Eifel

von P. Marc Brüllingen


Wohl kaum eine Persönlichkeit ist so mit der Eifel verbunden wie der hl. Hermann Joseph von Steinfeld. Viele, die von der Eifel hören, bringen mit dieser schönen Landschaft Steinfeld und den hl. Hermann Joseph in Verbindung. In der Tat wird Steinfeld jedes Jahr von mehreren Menschen besucht, die hierher kommen um die schöne Klosteranlage zu besichtigen sowie die großartige Basilika, in der sich das Grab des hl. Hermann Joseph befindet. Das Leben dieses großen volkstümlichen Heiligen steht in der Blütezeit der Hohenstaufen-Kaiser. Papst Innozenz III. (1198-1216) war in seinem Pontifikat auf dem Höhepunkt der kirchlichen Machtfülle. Rainald von Dassel war zu dieser Zeit Erzbischof von Köln und zugleich mächtiger Reichskanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter Kaiser Friedrich Barbarossa. Zeitgenossen von Hermann Joseph, ebenfalls bekannte Heilige, waren Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Dominikus, Elisabeth von Thüringen sowie Hedwig von Schlesien.

Der hl. Hermann Joseph wurde um 1150 in Köln als Sohn armer Eltern geboren. Wie die Legende erzählt, habe Hermann Joseph als Kind einmal die Kirche St. Maria im Kapitol besucht und sich vor einem Marienbild gekniet und dem Jesuskind auf dem Arm der Gottesmutter einen Apfel dargereicht. Jesus habe darauf die Hand ausgestreckt und die Frucht entgegengenommen. Nach diesem Erlebnis habe für Hermann Joseph festgestanden, daß er Priester werden wolle. Diese Begebenheit zeigte schon im zarten Kindesalter seinen vertrauten Umgang mit der Gottesmutter und ihrem göttlichen Kind.

Mit zwölf Jahren kam Hermann Joseph nach Steinfeld ins Prämonstratenserkloster. Der Eintritt ins Kloster begann für Hermann Joseph jedoch mit einer Enttäuschung. Er war der Ansicht, von nun an ein Leben des Gebetes und des Studiums führen zu können, zurückgezogen und allein in seiner Klosterzelle. Der Abt aber übertrug ihm zunächst das Amt des Speisemeisters, und Hermann Joseph mußte sich nun Tag für Tag um die Einkäufe der notwendigen Lebensmittel für die Klostergemeinschaft kümmern. Er hatte soviel zu tun, daß er nicht mehr in dem von ihm gewünschten Maß zu Gebet und Besinnung kam. Weil Hermann Joseph so innerlich in seinem Herzen beunruhigt war, soll er daraufhin in seiner unglücklichen Lage, so erzählt die Legende, zur Muttergottes gebetet haben und sich über den in seinen Augen „unglücklichen“ Verlauf des Klosterlebens beklagt haben. Maria soll ihm daraufhin geantwortet haben: „Wisse, daß du mir nichts Angenehmeres tun kannst, als deinen Brüdern in aller Liebe zu dienen.“

Später übertrug man ihm das Amt des Sakristans. Hermann Joseph erhielt von seinen Mitbrüdern seinen zweiten Namen „Joseph“ aufgrund seiner glühenden Marienverehrung. Bekannt dafür ist ein Gemälde von Antonius van Dyck (1599-1641): Die mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Die Muttergottes berührt auf dem Gemälde die Hand von Hermann Joseph).

Trotz harter Bußstrenge gegen sich selbst, hatte Hermann Joseph ein gütiges und mitfühlendes Herz für seine Mitmenschen. Dies geht besonders daraus hervor, daß er ein eifriger Seelsorger war, der sich als solcher für die leiblichen und seelischen Nöte seiner Mitmenschen einsetzte, besonders auch als begehrter Beichtvater und Seelenführer der Ordensfrauen in verschiedenen Klöstern. Hermann Joseph, der nicht nur ein vorbildlicher Priester und Seelsorger war, war darüber hinaus auch ein begnadeter Mystiker. Seine mystische Frömmigkeit kommt besonders in seinen zarten wie innigen Gebeten und Hymnen zum Ausdruck, welche die vollendete Hingabe einer der Welt entrückten und ganz Gott hingegebenen Seele wiederspiegeln.

Von seinen Werken sind erhalten: der große Marienhymnus „Gaude, plaude, clara Rosa“; der Hymnus auf das göttliche Herz Jesu „Summi Regis cor, aveto“; das Jubellied auf die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen (Stadtpatrone von Köln) „O vernantes Christi rosae“; ferner die Sequenz auf die heilige Ursula „Virginalis turma sexus“; schließlich die zwölf Dankgebete zum Erlöser; der innige eucharistische Hymnus „Jesu, dulcis et decore“ sowie seine Betrachtungen über die fünf Freuden Mariens „Gaude Virgo gratiosa“. Hermann Joseph ist auch Verfasser einer verloren gegangenen Erklärung zum Hohen Lied.

Hermann Joseph starb in sehr hohem Alter an einem Donnerstag nach Ostern (wahrscheinlich am 7. April 1241) im Kloster der Zisterzienserinnen in Hoven bei Zülpich, wo er während der Fastenzeit der Kommunität noch einen Besuch abstattete. Als Hermann Joseph bei diesem letzten Besuch das Kloster betreten hatte, malte er mit seinem Stock die Form eines Grabes auf den Boden und sagte: „Hier werdet ihr mich begraben.“ Nach dieser Visitation war der schwache Hermann Joseph nicht mehr in der Lage, die Heimreise anzutreten und schloß bald darauf seine Augen für immer. Die Zisterzienserinnen bestatteten ihn in Hoven. Doch seine Mitbrüder ruhten nicht eher, bis sie seinen Leichnam nach Steinfeld überführen durften, um ihn dort beizusetzen. Auf Bitten der Prämonstratenser von Steinfeld veranlaßte der Kölner Erzbischof die Überführung der sterblichen Hülle Hermann Josephs von Hoven nach Steinfeld. Es wird berichtet, daß die Eifeler Bevölkerung mit brennenden Kerzen und Fahnen Hermann Joseph entgegen gezogen sei, um ihn für im-mer heimzuholen. Seitdem wird sein Grab durch viele Wunder verherrlicht.

Von seinem Tode an setzte eine große Verehrung für diesen liebenswürdigen Heiligen ein, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr ausbreitete, so daß Hermann Joseph nicht nur in den europäischen Ländern, sondern sogar auch in Nord- und Südamerika verehrt wird. Der Prozeß um die Heiligsprechung Hermann Josephs entwickelte sich in den letzten drei Jahrhunderten nur mühsam, so daß erst Papst Pius XII. (1939-1958) am 11. August 1958 den heroischen Tugendengrad und die große Verehrung dieses Heiligen anerkannte. Über den „Heiligen der Eifel“ veröffentlichte Papst Johannes XXIII. (1958-1963) im Jahre 1958 ein Dekret, in dem es auszugsweise heißt: „In der katholischen Kirche gibt es immer Menschen, die den Gipfel der Heiligung tapfer erreicht haben und so auf den Leuchter gestellt wurden, um anderen den Weg zum Heil zu weisen. Zu diesen ausgezeichneten Menschen gehört mit Recht der Diener Gottes Hermann Joseph, Priester aus dem Orden der Prämonstratenser, selig oder heilig genannt. Dieser Mann steht bis heute im Bewußtsein der Völker deutscher Zunge als frommer Diener Gottes, reichlich ausgestattet mit Tugend und voll zarter Liebe zur seligsten Jungfrau Maria“. 1960 erfolgte seine Heiligsprechung. Seit 1923 betreuen die Salvatorianer (Ordensgesellschaft des Göttlichen Heilandes) die Wallfahrtsstätte zum Grab des hl. Hermann Joseph.

Hermann Joseph gilt als Patron der Kinder und der heranwachsenden Jugend. Priester und Ordensleute sehen ihn als ihr geistliches Vorbild. Auch die Uhrmacher verehren ihn als Patron, weil Hermann Joseph Uhren angefertigt und repariert haben soll.

Dargestellt wird Hermann Joseph meist als Prämonstratenser-Chorherr mit dem Kelch in der Hand, aus dem drei Rosen hervorsprießen, deutende Zeichen seiner mystischen Begnadungen, besonders bei der heiligen Messe. Ebenfalls bringt eine Holzplastik aus dem Jahre 1500 im rechten Seitenschiff der Steinfelder Basilika den Heiligen treffend zum Ausdruck, mit einem scharf geschnit-tenen herben Antlitz. Andere Darstellungen: Mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Altarbild des Hermann-Joseph-Altars in Steinfeld); Grabplastik: der Heilige mit der Lilie und dem Jesuskind auf dem Arm. Sehr bekannt ist vor allem die Darstellung jener mystischen Be-gebenheit, bei der er als Kind in der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol der Muttergottes einen Apfel anbietet, den das Jesuskind annimmt.

„Im wunderschönen Monat Mai“

von P. Andreas Fuisting


„Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
doch keins von allen kann dich schildern,
wie meine Seele dich erblickt.
Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel
seitdem mir wie ein Traum verweht,
und ein unendlich süßer Himmel
mir ewig im Gemühte steht.“

Diese wunderbare Liebeserklärung an die Gottesmutter des vielleicht berühmtesten frühromantischen Dichters, Friedrich Freiherr von Hardenberg (1772 – 1801), genannt Novalis, wollen wir natürlich nicht nur im Mai über unsere Beziehung zu Maria stellen. Trotzdem ist dieser Monat in einer besonderen Weise der Verehrung der Mutter Gottes geweiht.

Die ersten Spuren der Maiandacht finden sich beim Mystiker aus dem Dominikanerorden, Heinrich Seuse (gest. 1365). Aus seinem Tagebuch erfahren wir, wohl von sich in der Dritten Person erzählend: „Er pflegte in der angehenden Maien seiner allerliebsten himmlischen Frau mit großer Andacht einen Kranz von Rosen aufzusetzen. Und er ging vor ihr Bild … und fing an, … der Mutter eine Sequenz zu singen … Und da er ausgesungen, kehrte er sich zu der herzlichen Weisheit (dem Kind auf ihrem Schoß) und neigte sich zu ihr nieder … und lobte sie mit Singen und Sagen, mit Gedanken und Begierden, so gut er es nur immer konnte.“

Der entscheidende Schritt zur heutigen Maiandacht bestand darin, daß P. Annibale Donese SJ, in einem Maibüchlein den Gedanken des Monatspatronates der Heiligen auf den Mai und die Mutter Gottes anwandte (1725). Die ausdrückliche Bestätigung durch den Heiligen Stuhl und Segnung der Andacht erfolgte 1815.

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Hier nun eine kurze Andacht zur Gottesmutter für Sie, liebe Freunde, zum Pfingstfest; entnommen dem Büchlein „Marienlob“, Andachten zur Gottesmutter für den Monat Mai und zu Marienfesten, herausgegeben von Josef Gülden, Christopherus-Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br. und Düsseldorf.

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V. Also berichtet die Apostelgeschichte von dem einmütigen Gebet der Urgemeinde mit Maria, der Mutter des Herrn (Apg. 1,13 f.): „Als sie nach Jerusalem gekommen waren, stiegen sie in den Obersaal hinauf, wo Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon der Eiferer und Judas (der Bruder des Jakobus) beisammen blieben. Diese alle beharrten einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und samt seinen Brüdern.“

Da, wo die Urgemeinde, die junge Kirche des Herrn, ihr Pfingsten erwartet, um mit Heiligem Geist erfüllt zu werden, ist Maria mitten unter den Aposteln und Jüngern des Herrn. Ihre Seele ist erfüllt von österlicher Freude. Zehn Tage lang beharren sie einmütig im Gebet und rufen:

A. Komm, Heiliger Geist!

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S t i l l e

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B e t r a c h t u n g: So wie die Heilige Schrift über die Jugend Mariens schweigt, so endet auch ihr Leben in vollkommenem Schweigen. Aber nur ihr irdisches Leben! Im ewigen lebt und herrscht sie als Königin des Himmels; dort ist sie auch unsere mächtige Mutter und Fürsprecherin bis zu jenem Tag, da sich die letzte Weissagung ihres Magnificat erfüllt hat.

Bete nun still ein Ave Maria.

V. Lasset uns beten: Heilige Maria, inmitten des Tages deiner Herrlichkeit vergiß nicht die Betrübnisse der Erde! Schau voll Güte auf alle, die Leid tragen, auf alle, die mit Schmerzen zu kämpfen haben, auf alle, die ohne Unterlaß die Bitterkeit des Lebens verkosten müssen. Habe Mitleid mit denen, die sich lieben und (dennoch) getrennt sind; habe Mitleid mit der Einsamkeit des Herzens; habe Mitleid mit der Schwäche unseres Glaubens; habe Mitleid mit denen, die wir lie-ben; habe Mitleid mit allen, die weinen, mit denen, die flehen, mit denen die zittern. Gib ihnen Hoffnung und Frieden!

A. Amen.

V. Heilige Maria!

A. Bitte für uns!


Foto: Heike Hannah Lux

Predigt von Bischof Dr. Rudolf Graber

 … am 2. Februar 1975 bei der Priesterweihe im Kloster Paring:


„Das Fest Maria Lichtmeß oder … Darstellung des Herrn ist heute im neuerstandenen Kloster Paring durch eine Priesterweihe ausgezeichnet … Schon der alte Name Maria Lichtmeß ist bedeutsam für diese Priesterweihe; denn Priester und Maria gehören eng zusammen. Aber von noch größerer Bedeutung scheint mir der … Name zu sein: Darstellung Jesu im Tempel. Und hier müssen wir etwas weiter ausholen. Im Evangelium steht der inhaltsschwere Satz: ‚Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein‘ (vgl. Ex. 13,2. 12. 15). Diese Vorschrift erinnert an ein Ereignis beim Auszug der Israeliten aus Ägypten. Der König hatte das Volk nicht ziehen lassen. Gott sandte eine Plage nach der anderen, um den König zur Sinnesänderung zu bewegen. Als alles nichts nützt, greift Gott zu der schlimmsten Plage: Jede Erstgeburt der Ägypter muß sterben. Und so geschah es. Und nun läßt der König das Volk ziehen. Von da an ist nun auch die männliche Erstgeburt der Israeliten, die damals verschont geblieben waren, dem Herrn zugehörig. Er, Gott, erhebt Anspruch.

Im lateinischen Text steht das vielsagende Wort: consecrabis, du sollst die Erstgeburt dem Herrn weihen. Die Priesterweihe ist eine solche Konsekration Gott gegenüber, und das ist die erste Richtung, die in diesem Sakrament zutage tritt: dem Herrn, Gott geweiht. Gott hat seine Hand auf einen Menschen gelegt, er nimmt ihn in seinen Dienst, er durchdringt ihn ‚mit dem Feuer seiner Liebe‘ und ‚gestaltet ihn um‘ (Augustinus). Das ist unendlich mehr als eine reine Beauftragung, wie das heute sogar von hoher Seite behauptet wird. Es ist die totale Inbesitznahme eines Menschen durch Gott, der eine umwandelnde Kraft innewohnt, und dem entspricht von seiten des Menschen die totale Hingabe, wie das heute in der lectio brevis (Kurzlesung) der ersten Vesper (gemeint ist hier in der erneuerten Form der Liturgie) mit den Worten des Hebräerbriefes von Christus ausgesagt wird: ‚Darum spricht Christus beim Eintritt in diese Welt: Opfer und Gaben verlangtest du nicht, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brand- und Sühnopfern findest du kein Gefallen. Da sprach ich: siehe, ich komme … um deinen Willen zu vollbringen‘ (Hebr. 10,5-7). Das ist nun Ihre Aufgabe: mit Ihrem ganzen Sein und Handeln einzugehen in den Willen Gottes, Gott hingegeben und geopfert, so wie ihr Ordensgründer, der hl. Augustinus es sagt: ‚Demnach ist der Mensch überhaupt, wenn er durch den Namen Gottes geweiht und Gott überantwortet ist, ein Opfer, sofern er der Welt stirbt um Gott zu leben. – Ipse homo, Dei nomine consecratus et devotus, inquantum mundo moritur, ut Deo vivat, sacrificium est.‘ (De Civitate Dei, i. X, c. VI) Ein wunderbares Wort. Wohl klingt das Wort der Welt vom Absterben negativ, aber wir dürfen nicht vergessen, dieses Absterben ermöglicht das Leben, das Leben für Gott. Leider ist diese erste Ausrichtung des Priesters auf Gott vielfach in Vergessenheit geraten, und die Krisis der Priester von heute rührt nicht zuletzt davon her, daß man diese innerliche consecratio vergißt und sogar leugnet.

Das heutige Festgeheimnis sagt uns aber ein Zweites, das auf die andere Richtung des Priestertums hinweist. Jede männliche Erstgeburt, so hörten wir, ist dem Herrn geweiht und damit eigentlich ihm überlassen, so wie die Erstgeburt der Ägypter. Aber nun bestand im mosaischen Gesetz die Möglichkeit, diese Erstgeburt gleichsam loszukaufen und auszulösen, sie also zurückzuerhalten, und dafür mußte ein Preis bezahlt werden, im heutigen Evangelium ‚ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben‘, das Opfer der Armen. Das bedeutet: der Vater im Himmel gibt seinen Sohn den Eltern zurück, damit er seine Aufgabe auf Erden erfüllen kann, die Erlösung der Menschen. Der Priester ist Gott geweiht ganz zu seinem Dienst und doch zu gleicher Zeit, wie der Hebräerbrief sagt: ‚Für Menschen bestellt, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden‘ (5,1). Das alles scheint selbstverständlich, ist es aber nicht.

So wie man bei der ersten Ausrichtung des Priesters auf Gott hin die Konsekration leugnet und durch eine Beauftragung ersetzt, so verlegt man heute die zweite Ausrichtung des Priesters auf die Menschen hin in das rein Soziale, ähnlich wie man heute da und dort in der Kirche fast nur mehr einen Verein für caritative Aufgaben und Entwicklungshilfe sieht. Da haben doch jene Drehbuchautoren viel tiefer gedacht, die vor Jahren den Film drehten ‚Gott braucht Menschen‘. Ich weiß nicht, wer diesen Film gesehen hat und sich noch erinnert: Ein Inseldorf, das nicht gerade in gutem Ruf steht, verliert seinen Pfarrer. Kein Priester will auf diese verrufene Insel. Und auch der Bischof schickt niemanden mehr. Gewiß, diese verwegenen Fischer, diese Strandräuber, sind wirklich keine Heiligen. Aber sie wollen, wie sie sagen, nicht sterben wie die Hunde, sie wollen eine Segenshand, die sich erhebt zum Zeichen der Lossprechung. Sie wollen einen Menschen, der ihnen ins Gewissen redet. Sicherlich, Gott ist überall, aber man will ihn doch nahehaben, man will wissen: Wenn ich dahin gehe in die Kirche, dann weiß ich: hier ist er ganz bestimmt. Und diese Menschen wollen einen, der ihnen die Gegenwart Gottes verbürgt. Sie wollen einen, der sie durch das dunkle Tor des Todes hindurch geleitet in ein besseres Leben. Das wollen Menschen vom Priester.

Das hat sogar einer gespürt, den man den Mörder Gottes genannt hat, Friedrich Wilhelm Nietzsche, der vor 75 Jahren (im Jahr 1900) gestorben ist und der von den Priestern einmal sagt: ‚ Es bedarf nämlich auch für den seelischen Unrat der Abzugsgräben und der reinlichen, reinigenden Gewässer drin, es bedarf rascher Ströme der Liebe und starker, demütiger, reiner Herzen, die zu einem solchen Dienst der nichtöffentlichen Gesundheitspflege sich bereitmachen und opfern – denn es ist eine Opferung, ein Priester ist und bleibt ein Menschenopfer‘ (Johann Kosnetter, Nietzsche und das katholische Priesterbild, Wien 1969, S. 12). Ist das nicht im höchsten Grad seltsam und eigenartig, daß ausgerechnet dieser Mann so vom Priester spricht? Wahrhaftig, er hat die Bedeutung des Priesters gerade für unsere Zeit der moralischen Zersetzung und Verwilderung viel tiefer begriffen, als selbst so mancher Priester der heute seinen Stand verläßt. Und merkwürdig, auch Nietzsche gebraucht jenen Ausdruck, auf den wir den Akzent gelegt haben, der das Wesen des priesterlichen Seins und Tuns ausmacht: der Priester ist ein Menschenopfer. Mit dem sacrificium, mit dem Opfer steht und fällt das Priestertum, steht und fällt der Priester.

Und damit sind wir eigentlich schon bei dem letzten Gedanken angelangt, der mit dem eben Gesagten eng zusammenhängt. Ihr wißt, wie es heute mit dem Priesternachwuchs bestellt ist und ihr selbst habt erfahren, was es heißt keinen Priester mehr am Ort selber zu haben. … Aber nicht jede priesterlose Gemeinde hat das unverhoffte Glück ein Kloster zu bekommen. Sollte Eure Dankbarkeit nicht darin bestehen, einen Gebetskreuzzug zu beginnen, um Priesterberufe von Gott zu erbitten. Ein Beispiel, wie segensreich ein solches Gebet werden kann, gibt die Gemeinde Lu in Oberitalien. Der ‚Almanach (=kalendarisch angelegtes Jahrbuch) für das Bistum Münster‘ 1949 berichtet darüber: ‚Die Pfarrei Lu in Norditalien zählt 4.000 Seelen. Um 1870 war in Lu kein Priester mehr da. Einige Mütter fingen dann an, regelmäßig zusammenzukommen und gemeinsam um Priesterberufe zu beten. 1881 erhielt Lu wieder einen eigenen Seelsorger. Die Mütter hörten aber nicht auf, in diesem Anliegen zu beten. Einen Sonntag im Monat machten sie zu einem besonderen Tag des Gebets, feierten die hl. Messe … in diesem Sinne und beteten dann gemeinsam: ‚O Gott, gib, daß eines meiner Kinder Priester wird. Ich will als wahre Christin leben und will die Meinen zu allem Guten anhalten, damit ich dereinst die Gnade erlange, dir, o Herr, einen heiligen Priester schenken zu dürfen.‘ Aus der Gemeinde gingen auf dieses Gebets- und Opferleben hin 500 Priester- und Ordensberufe hervor. Auch sonst blüht das Pfarrleben: täglich wenigstens 160 heilige Kommunionen, 70.000 im Jahre, jede Familie hat im durchschnittlich 6 bis 9 Kinder. – Im September 1947 war eine Zusammenkunft der noch lebenden 235 Priester und Ordensleute. An die 200 waren da. Die anderen waren durch Alter, Krankheit oder zu weite Entfernung verhindert. Am Fest Mariä Geburt war eine große Dankprozession. Ein ergreifendes Bild: das ganze Volk von Lu geht mit den Reihen ihrer erwählten Söhne und Töchter in der Prozession mit. Der Gottesmutter Bild wird mitgetragen. Die Priester begleiten das Allerheiligste, dem sie dienen‘ (Dr. A. Schuldis, Werk aller Werke, Freiburg 1953, S. 80).

Könnte nicht auch in unserem Bistum ein solches Lu entstehen? Man spricht heute nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil so viel von der Mündigkeit der Laien. Diese Mündigkeit bedeutet, Verantwortung mitzutragen für die Kirche. Diese Verantwortung besteht aber nicht darin, überall mitzureden und mitzuentscheiden, sondern vor allem mitzubeten und mitzuopfern für die Kirche, für die Welt, für den Frieden in der Welt, für die Hungernden in der Welt und nicht zuletzt für die geistlichen Berufe.

So möge denn von diesem Lichtmeßtag, von diesem Priesterweihetag ein Licht ausgehen in diese Gegend und in unser ganzes Bistum gemäß der Mahnung des Apostels: ‚Nun aber seid ihr Licht im Herrn; wandelt als Kinder des Lichtes‘ (Eph. 5,8). Diese Mahnung gilt aber vor allem Ihnen, lieber neugeweihter Priester, ein Licht zu sein zur Erleuchtung der Heiden, das heißt der vielen heute nicht mehr Glaubenden und Zweifelnden; … Licht zu sein, … daß sie, wie wir in den preces (Fürbitten) beten, erkennen den einzig wahren Gott und den du gesandt hast, Jesus Christus. Maria aber, deren Seele nach Simeons Weissagung vom Schwert des Schmerzes gerade heute durchbohrt ist, möge unsere Bitten tragen zu ihrem Sohn und vor den dreifaltigen Gott. Amen.

(aus: Graber, Rudolf [Sammlung] „Froher Glaube“: Predigten, Ansprachen, Vorträge, mit einem Vorwort von Johannes Auer -1. Aufl.- Regensburg: Pustet, 1976)

Der Altar

von P. Miguel Stegmaier und P. Marc Brüllingen


“ Quid est altare, nisi sedes et corporis et sanguinis Christi? “
(hl. Bischof Optatus von Mileve, † vor dem 4. Jh.)
“ Was ist der Altar, außer der Sitz des Leibes und Blutes Christi? „

Beim Eintritt in ein Gotteshaus fällt der erste Blick ganz unwillkürlich auf den Altar. Die Säulen und Pfeiler, alle Linien der Architektur nehmen in einer nach liturgischen Grundsätzen, die bis noch vor wenigen Jahrzehnten gegolten haben, erbauten Kirche mit sanfter Gewalt den Blick gefangen und führen ihn nach vorne, wo der Altar sich erhebt.

Der Altar, der vornehmste Teil der Kirche, „das Herz des Gotteshauses“, ist der Opfertisch (trapeza auf Griechisch, mensa auf Latein), auf dem das hl. Meßopfer gefeiert wird (lat.: altare von alta ara, „erhöhte Unterlage“ für gottgeweihte Gaben). Deswegen wird der Ort, wo der Altar steht, das Heiligtum, „Sacrarium“, genannt. Daher nennen die ältesten Kirchenväter ihn den heiligen Tisch (auf Grieschisch tò thousiasteérion) oder Tisch des Herrn, wie der hl. Ignatius von Antiochien in seiner Epistel an die Epheser schreibt: „Wenn jemand nicht im Bereich des Altares sei, nehme er Abstand von dem göttlichen Brot“.

Die Verbindung des Altares mit der Märtyrerverehrung führte eine Umgestaltung des Altares herbei. Bereits im 5. Jahrhundert schreibt das Konzil von Karthago vor, alle Altäre zu entfernen, in denen sich keine Märtyrerreliquien befänden. Gern stellte man den Altar jetzt auf Friedhöfe (lat.: coemeteria) über oder vor ein Martyrergrab, zu dem die Gläubigen hinuntersteigen oder durch ein Gitter hineinschauen konnten (wie beim Grab des hl. Paulus in der Kirche St. Paul vor den Mauern). Auch wurde dem Altar der Name „Confessio“ gegeben, weil sie die Gebeine der hl. Märtyrer enthielt. Der Name eines Märtyrers prägte auch den Namen des Altares. So wurde der Altar über dem Grab des hl. Cyprian vom hl. Augustinus selbst „Mensa Cypriani“, ‚der Tisch des Cyprian‘ genannt.

Bis ins 4. Jahrhundert befand sich in jeder Kirche nur einen Altar. Man sah ihn als den Mittelpunkt der Einheit an, die den Bischof und die Priester mit den Gläubigen in einem Glauben verband. Daher heißt es in den apostolischen Satzungen: „einen andern Altar errichten, [heißt] so viel wie sich vom Bischof trennen“. Im 4. Jahrhundert erscheint nach gestiftetem Kirchenfrieden, die Verordnung, steinerne Altäre zu errichten, die sogennanten Seitenaltäre oder Nebenaltäre. In der Kirche von Jerusalem standen vier Altäre, der Hauptaltar stand in der Mitte der Kirche, die drei anderen um ihn herum im „Sacrarium“. Weitere Altäre, die bald in den Seitenschiffen errichtet wurden, nahmen keine Beziehung zum Hauptaltar ein, weil lediglich dieser, nach dem Zeugnis des hl. Optatus von Mileve, „der Sitz des Leibes und Blutes Jesu Christi ist“ (Optat. Lib. 6. contr. Parmenian. Cap. 1). Im 6. Jahrhundert beginnt man auch in Frankreich und Deutschland mehrere Altäre in einer Kirche aufzustellen. In der Kirche St. Peter zu Bordeaux befand sich ein Altar auf einer Anhöhe und in einer Krypta ein weiterer Altar. Dies fand man auch in mehreren anderen Kirchen, weshalb der ‚Hauptaltar‘ (altare maius) bei den Deutschen ‚Hochaltar‘ (altare summum) genannt wurde. Daher ist die Behauptung einiger Gelehrter falsch, in früheren Zeiten habe es nur einen Altar gege-ben, an dem auch nur ein Opfer täglich dargebracht wurde. Nach dem Zeugnis des hl. Eusebius beispielsweise brachten mehrere Bischöfe am Tag der Kirchenweihe zu Jerusalem das hl. Messopfer für den gemeinschaftlichen Frieden dar (Vid. Vita Constant. Lib. Ult. Cap. 45). Papst Leo I. befahl sogar, daß wegen der großen Anzahl der Gläubigen an besonderen Festtagen das hl. Meßopfer so oft wiederholt werden möge, wie sich eine hinlängliche Zahl an Gläubigen in der Kirche einfänden: „sacrificii oblatio indubitanter iteretur“ ‚Zweifellos soll das Messopfer wiederholt werden‘ Epist. 81. Cap.2.

Wie das Gotteshaus, die Kirche, so hat auch der Altar eine Entwicklung und im Laufe der Jahrhunderte eine mehrfache Umgestaltung erfahren. Der erste christliche Altar war der Tisch, auf dem der Herr selbst im Abendmahlssaal das unblutige Opfer darbrachte. Das war ein gewöhnlicher Holztisch, wie er eben bei einer feierlichen Mahlzeit verwendet wurde. Sicher ist auch, daß in den ersten Jahrhunderten die Altäre aus Holz waren. Der hl. Optatus von Mileve (+ 400 Jh.) wirft dem Donatisten Parmenian vor, daß er die Altäre gebraucht habe, um Feuer anzuzünden. Bis zum 6. Jahrhundert hielt sich der Brauch von Holzaltären, doch nahm man schon in alter Zeit auch Steine und salbte sie mit Chrisam zu Opferstätten. In den Katakomben bildete für gewöhnlich ein mit einer Steinplatte bedecktes Märtyrergrab den Altar zur Feier der Opfergeheimnisse. Als die Verfolgung der ersten Jahrhunderte vorüber war, galt zunächst der Brauch und schließlich die strenge Vorschrift der Päpste, daß nur noch steinerne Altäre geweiht werden durften. Papst Silvester I. errichtete zuerst in Rom einen steinernen Altar aus feinstem Marmor, ohne dass man jedoch ganz vom Brauch der hölzernen Altäre abkam. Die steinernen Altäre werden hier „altaria fixa“, ‚feststehende Altäre‘ genannt. Feststehende Altäre gab es in der ersten Zeit nicht. Man hielt die hölzernen Altäre für tragbare Altäre (altaria portatilia). Man hatte eben sowohl hölzerne feststehende , ‚fixa lignea‘, als auch steinerne tragbare, ‚lapidea portatilia‘, Altäre.

Der christliche Altar besteht aus drei Teilen: die Altarplatte, das Reliquiengrab (Confessio, Subconfessio oder auch Subcorpus gennannt) und der Unterbau.

Die Hauptsache beim Altar ist der Unterbau und die Steinplatte (=Altarplatte), worauf Hostie und Wein konsekriert werden: das übrige ist Zutat und Ausschmückung, welche im Laufe der Jahrhunderte sich in mannigfacher Weise gestaltete. Ohne Genehmigung des Bischofs darf ein Altar weder errichtet noch abgebrochen werden. Die Vorschrift der Kirche, dass der Altar aus natürlichem Stein bestehen müsse, beruht auf praktischen und symbolischen Gründen. Er ist etweder unbeweglich oder beweglich (Tragaltar). Der wesentliche Unterschied zwischen dem unbeweglichen und beweglichen Altar liegt darin, dass ersterer aus einer meist umfangreicheren Steinplatte und einem steinernen Untersatz besteht, die beide nicht bloß zusammengemauert, sondern auch konsekriert und durch bischöfliche Salbung so zu einem Ganzen verbunden werden, dass jede Trennung derselben den Verlust der Konsekration herbeiführen würde, während letzterer nur aus einem einfachen, meist kleineren Stein besteht, der allein konsekriert wird und in jeden Unterbau beliebig eingefügt und wieder daraus entfernt werden kann, ohne dass er die Konsekration verlieren würde.

Zum unbeweglichen Altar gehören drei Stücke: Altarplatte oder Altartisch, Untersatz oder Unterbau und Reliquiengrab. Die steinerne Altarplatte darf nicht aus mehreren Bruchstücken zusammengesetzt sein, sondern muss aus einem einzigen und unversehrten Stein bestehen. Wegen seiner hohen Bestimmung und als Sinnbild Christi soll der Altarstein nicht nur Festigkeit, sondern auch Einheit besitzen. In der Regel werden auf demselben – an den vier Ecken und in der Mitte – fünf Kreuze eingemeißelt. – Der Unterbau, auf welchem der Altartisch ruht, wird entweder aus steinernen Säulen bzw. Pfeilern gebildet, wodurch der Altar tischförmig erscheint, oder er wird aus einem Mauerwerk bzw. Steinwerk ausgeführt, was ihm die Form eines Sarges verleiht. – Das Grab, d.h. die Höhlung oder Vertiefung, in welche das Gefäß mit den Reliquien gelegt wird, kann in der Altartafel oder im Untersatz angebracht werden.

Unter Tragaltar versteht man eine viereckige Steinplatte (ara lapidea), in welche ein Reliquiengrab gehauen ist: diese Steinplatte muss wenigstens so groß sein, daß die Hostie und der größere Teil des Kelches darauf Platz haben. Sie wird auf den provisorischen Altar gelegt oder in den Unterbau von Holz oder Stein so eingelassen, dass sie von der Vorderseite des Altares nicht weit absteht. Das Grab zur Aufbewahrung der heiligen Reliquien muß beim Tragaltar auf der oberen Seite oder Fläche des Steines angebracht und selbstverständlich mit einer steinernen Tabula verschlossen werden, da dieser Verschluss einen wesentlichen Bestandteil des Altares bildet.

Der Grund für die Einschließung der Reliquien von Märtyrern hat seine Bedeutung darin, daß jene, die als Opfer für Christus ihr glorreiches Blut vergossen haben, am Fuße des Altares ruhen sollen, auf dem das Opfer Christi gefeiert wird, welches ihnen Heldensinn und Kraft zum Martyrium verliehen hatte. Das Ruhen der Märtyrer in oder unter dem Altar soll die innige Verbindung zwischen ihnen und dem Lamm Gottes, wie sie im Leiden stattfand und jetzt im Himmel besteht, anzeigen.

„Mit Recht ruhen unter dem Altar die Seelen der Gerechten, weil auf dem Altar der Leib des Herrn geopfert wird. Ganz ziemend und gleichsam durch eine ihnen gebührende Genossenschaft wird den Märtyrern ihr Begräbnis dort gegeben, wo täglich der Tod des Herrn gefeiert wird“ (hl. Augustinus – Serm. 221, n. 1 – inter serm. Suppositicios).

Der Altar soll hochgelegen sein, weil er ein mystischer Kalvarienberg ist. Dies gilt besonders für den Hauptaltar, zu dem mehrere Stufen hinaufführen sollen. Die Altarstufen – aus praktischen und symbolischen Gründen wünschenswert – kommen schon in früherer Zeit vor und sind seit dem 6. Jahrhundert allgemein üblich. Sie sollen auf drei Seiten besteigbar sein: Die oberste Altarstufe (das Fußbrett) soll eine solche Weite und Breite haben, daß der Priester bequem Kniebeugung machen kann. Für levitierte Ämter sind mehrere Stufen erforderlich, damit die hierarchische Rangordnung der Mitwirkenden auch durch den verschiedenen Standort des Zelebranten (in suppedaneo= auf der obersten Altarstufe), des Diakons (in gradu medio= auf der mittleren Altarstufe) und des Subdiakons (in plano= auf der Ebene) zum Ausdruck kommt.

Wenn eben möglich, soll der Altar, wie der Bau der Kirche, nach Osten gerichtet sein; denn von jeher war es Sitte bei den Christen, nach Osten hin zu beten, weil man in der aufgehenden Sonne im Osten ein Symbol für den auferstandenen Christus sah, den wahren Aufgang aus der Höhe und die Sonne der Gerechtigkeit.

„Die Welt kennt das Erbarmen meines Herzens nicht“

von P. Miguel Stegmaier


herz-jesu-k„Die Welt kennt das Erbarmen meines Herzens nicht“
(Der Heiland zu Josefa Menéndez RSC am 24. Febr. 1921)

Schwester Josefa war Laienschwester aus der Gesellschaft der Ordensfrauen vom Heiligsten Herzen Jesu. Geb. 1890 in Spanien. Im Jahre 1920 trat sie ins Kloster „Les Feuillants“ in Poitiers (Frankreich) ein. Dort war sie als Schneiderin tätig. Am 29. Dez. 1923 starb sie im Alter von 33 Jahren im Rufe der Heiligkeit.

1938 erlaubte S. Em. Eugenio Pacelli, Kardinalprotektor der Gesellschaft, die Veröffentlichung der Botschaft Jesu an Schwester Josefa für die Seelen. Im selben Jahr erschien zu Toulouse das Buch: „Un appell à l’amour“ (Die Liebe ruft).

Die wahre Liebe zeigt sich nicht in schönen Worten und auch nicht in zarten Gefühlen, sondern in der Tat. „Kindlein, lieben wir nicht mit dem Wort und nicht mit der Zunge, sondern in der Tat und Wahrheit“ (1 Joh. 3,18). Und wenn die Werke, in denen die Liebe sich betätigt, mit Opfer verbunden ist, dann strahlt sie im hellsten Glanz. Dionysios Areopagita sagt: „Die Liebe ist ein Kreislauf, der sich unaufhörlich vom Guten zum Guten wendet“ (Amor circulus est bonus a bono in bonum perpetuo revolutus; aus: De divinis nominibus 4, 712d.) Daher ist die höchste und zugleich ergreifendste Äußerung der Liebe die Opferliebe. Das Leben Jesu Christi ist der bedeutsamste Erweis der großmütigen Opferliebe. „…er liebte sie bis ans Ende“ – in finem dilexit eos.

Die erste Äußerung der Opferliebe unseres Herrn finden wir bei seiner Geburt in Bethlehem in einer armen Krippe. In Bethlehem finden wir ein Herz, das gekommen ist zu heilen „..deren Verstand verdunkelt ist, durch die Blindheit ihres Herzens“ (Eph. 4,18); zu heilen die Indifferenz der Herzen durch seine Lieblichkeit „..wird aus ihrem Leibe das Herz von Stein wegnehmen“ (Ez. 11,19); und wird heilen die menschliche Schwäche des Willens durch seine Kraft „..damit er eure Herzen kräftige“ (1 Thess. 3,13).

Und was ist das für ein Herz? Das barmherzigste Herz, das man nur finden kann, es ist das Heiligste Herz Jesu. Es liebt jeden Menschen, auch den Elendsten, sogar den Sündigsten, man könnte sagen, den Elendsten und Sündigsten besonders. Armseligkeit und Fehler bilden also kein Hindernis, sondern sind geradezu ein Grund mehr sich ihm zu nahen.

Dies ist das Geschenk, für das Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit von den Sündern erwartet, daß sie wahrhaft bereuen und bereit sind, sich zu ihm zu bekehren: „Herr, erweise Gutes den Guten und allen, die redlichen Herzens sind!“ (Ps. 124,4)

Sein Herz wartet mit liebender Ungeduld auf die Rückkehr der armen Verirrten. Es verspricht ihnen volle Verzeihung „denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; war verloren und wurde wiedergefunden“ (Lk. 15,24). Nicht die Sünde selbst verwundet mein Herz am meisten, sondern daß die Seelen sich nicht zu mir flüchten, nachdem sie sie begangen haben“ (zu Josefa, am 29. 08. 1922). So sucht Jesus den Sünder und wenn eine Seele vor ihrer Verirrung zurückschreckt, ist die Freude seines heiligsten Herzens übergroß, gleichwie als sei der herrlichste Sieg errungen oder ein ganzes Reich erobert, „denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?“ (Matt. 16,26).

Das ist die Liebe des Heiligsten Herzens Jesu; während die Welt in Undankbarkeit gegen es verharrt, schenkt es ihr den größten Beweis der Liebe: „Eine größere Liebe hat niemand als die, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh. 15,13). Am Vorabend seines Leidens und Sterbens setzte Jesus das Allerheiligste Altarssakrament ein; es ist das Sakrament der Liebe. „Jesu, ave, fax amoris dulcis recordatio, melos auris, favus oris, cordis jubilatio…“ – Sei gegrüßt, o Jesus, Herd der Liebe, süßer Gedanke, Musik für die Ohren, Honig für den Mund, Freude des Herzens (Ulrich v. Wessobrunn). Jesus läßt uns nicht als Waisen zurück. „Ich kann deinem Elend nicht länger widerstehen“ (zu Josefa, 14. 03.1921). Im heiligsten Altarssakrament bleibt er wahrhaft und wirklich und wesentlich bei uns alle Tage bis zum Ende der Zeiten. „So oft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt“ (1 Kor. 11,26). In der Menschwerdung hat er sich entäußert bis zur Annahme der Kindsgestalt. Im Altarssakrament hat er sich entäußert bis zur Annahme der Brotsgestalt, alles aus Liebe zu uns: „Schön ist es, von der Welt hinweg in Gott unterzugehen, um in ihm neu aufzugehen…Ich habe keine Freude an vergänglicher Speise noch an den Genüssen dieser Welt. Jenes Gottesbrot begehre ich, das das Fleisch Jesu Christi ist, und als Trank begehre ich sein Blut, welches unvergängliche Liebe ist“ (Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Römer). Ja, das Herz Jesu ist das liebevollste Herz!

Als Jesus sterbend am Kreuz in bitterer Qual und äußerster Verlassenheit rief: „Eloi, Eloi, lama sabachthani!“ (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! – Mk. 15,34), werden wir erinnert an die Stelle bei Jeremias: „..unsere Schmerzen hat er auf sich genommen“ (53,4), oder an das Wort aus den Klageliedern: „..seht, ob ein Schmerz dem meinen gleich ist“ (1,12). Und der innere Trost war ihm gänzlich entzogen. „Meine Seele will sich nicht trösten lassen“ (Ps. 76,3). Wohin er seinen Blick am Kreuz auch richten mochte, alles vermehrte ihm den Schmerz: Die Mutter unter dem Kreuz, die in Mitleid sein Herz verwundet; das Volk auf dem Berg, das ihn verspottet, der Vater im Himmel, der ihn zu verlassen scheint. So groß ist das Gefühl der Verlassenheit: „Sion sprach: Verlassen hat mich der Herr“ (Jes. 49,14). Und nach drei langen Stunden neigt er das Haupt und stirbt. „Eine größere Liebe hat niemand als die, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde“ (s. o.).

Die Verehrung, die wir dem heiligsten Herzen schulden, ist Anbetung im wahren und eigentlichen Sinn, jene Anbetung, die Gott dem Herrn selbst und ihm allein gebührt. Nicht nur dem Herzen Jesu, indem man darunter die Hingabe an den göttlichen Willen und die Verwirklichung der göttlichen Liebe versteht, gebührt wahre Anbetung, sondern auch dem leiblichen Herzen und dem übersinnlichen Herzen, insofern es den gottmenschlichen Willen und seine Tätigkeit bedeutet, gebührt die höchste Verehrung und Anbetung.

Das heiligste Herz Jesu darf dabei freilich nicht als etwas für sich allein stehendes, von der Menschheit des Herrn, zu der es als Teil ja gehört, angesehen werden. Sondern es muß als mit der menschlichen Natur untrennbar verbundenes betrachtet und verehrt werden. Die menschliche Natur in Christus muß wiederum in ihrer Vereinigung mit der Gottheit des Sohnes gesehen werden, ohne die sie nie war und sein wird.

Wir beten auch die menschliche Natur Christi des Herrn deshalb an, weil sie durch das Geheimnis der Menschwerdung Gottes die Natur des Sohnes geworden ist und beten das Herz Jesu an, weil der Sohn Gottes durch hypostathische Vereinigung* dessen Inhaber geworden ist.

Die Gottheit wird wegen der ihr eigenen Größe und Erhabenheit angebetet, das Heiligste Herz Jesu aber wegen der göttlichen Vorzüge, die die Gottheit ihm verleiht. Indem wir in Christus auch seine menschliche Natur anbeten, können wir auch jeden Teil dieser Menschlichkeit verehren und anbeten, weil für jeden Teil derselbe Grund der Verehrung zulässig ist wie für das Ganze. Also beten wir das heiligste Herz mit Recht an.

Wenn wir dies tun, wird die Verheißung auch uns gelten: „Ich werde den Verehrern meines Herzens alle Gnaden geben, die sie in ihrem Stande brauchen“ (zur hl. Margareta Maria Alacoque).

„Herz Jesu flammend von Liebe zu mir, entflamme auch mein Herz von Liebe zu dir!“ (Hl. Alfons v. Liguori).

*Hypostatische Union :

Bezeichnet das kath. Dogma, nach dem in Christus die eine göttliche Person des Wortes die Trägerin und Inhaberin beider vollständigen Naturen der Gottheit und Menschheit ist. (Der große Herder, Band 6, Freiburg i. Breisg. 1933)

Maria Maienkönigin

von P. Marc Brüllingen


„Maria, Maienkönigin,
dich will der Mai begrüßen,
o segne ihn mit holdem Sinn
und uns zu deinen Füßen.
Maria, dir befehlen wir,
was grünt und blüht auf Erden;
o laß es eine Himmelszier
in Gottes Garten werden.“

Jetzt im Monat Mai finden wir in den katholischen Kirchen das Bild oder die Statue der Gottesmutter Maria ganz besonders geschmückt. Dies hat seinen Grund darin, dass wir den Monat Mai als „Marien-Monat“ begehen, der Monat also, welcher der Muttergottes geweiht ist und in dem wir Maria besondere Verehrung zukommen lassen.

Aber, so werden wir uns fragen, warum gerade der Monat Mai und kein anderer Monat, ist doch auch schon der Oktober Maria als „Rosenkranzkönigin“ geweiht.

Nun, dies hat seinen Grund darin, dass kein anderer Monat nach langen, dunklen Wintertagen so voller Sehnsucht und Hoffnung ist wie der Maimonat. In keinem Monat leuchtet das gerade sprießende Grün so intensiv. Die Freude und Erbauung über die hell erwachende, jungfräuliche Natur, über die Blütenpracht des Frühlings wird mit der Gottesmutter in Verbindung gebracht: Maria steht am Beginn des Heilswerkes Gottes und gebiert Christus, das Heil der Welt, nach dem sich die Menschen des Alten und Neuen Bundes sehnen. Aus diesem Grund hat die Kirche den Mai der Muttergottes geweiht, um uns auch auf diese Weise ihre Rolle als Miterlöserin kundzutun. So wie Ostern, das Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, ebenfalls im Frühling gefeiert wird, weil es eine Auferstehung zu neuem Leben ist, so ist in analoger Weise der Mai der Monat des Frühlings, der die eben erwachte Natur nach der Winterruhe zu neuem Leben erweckt, indem das Grün wieder erblüht.

Maria hat an diesem Erlösungswerke am Menschen entschiedenen Anteil, weil sie durch Ihre Zustimmung, Muttergottes zu werden unsere Erlösung mitbewirkt hat. Durch Marias einzigartige Stellung in der Heilsgeschichte Gottes ist sie „selig zu preisen von allen Geschlechtern“ (Lk 1,48). In der frühen Mariendichtung wird Maria als Mittelpunkt der menschlichen Teilhabe an der Erlösung hingestellt. Es werden besonders ihre Schönheit und Reinheit betont und verehrt. Und gerade diese Schönheit und Reinheit der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria kommt am deutlichsten im Monat Mai zum Ausdruck, in dem die Natur ihre ganze Fülle zeigt, ja eigentlich ein Abbild der Schönheit Marias darstellt und somit auf die Größe und Allmacht des himmlischen Vaters zurückzuführen ist. In der gesamten Schöpfung Gottes ist Maria das größte Werk Gottes, was die allerheiligste Dreifaltigkeit erschaffen hat. Deshalb ist es angemessen, der allerseligsten Jungfrau einen eigenen Monat zu weihen.

Der hl. Alphons Maria von Liguori, der den Redemptoristenorden gegründet hat und ein großer Marienverehrer gewesen ist, hat die Schönheit und Reinheit Mariens, d. i. die UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS, in seinem „Hymnus an die Unbefleckte“ auf folgende erhabene Weise ausgedrückt: „…Ich wünschte, die ganze Welt möchte dich kennen und preisen als das schöne Morgenrot, immer geschmückt mit dem göttlichen Licht, als die auserwählte Arche des Heiles, die vor dem allgemeinen Schiffbruch der Sünde bewahrt blieb, als jene vollkommene und unbefleckte Taube, für die dein göttlicher Bräutigam dich selbst erklärt hat, als den verschlossenen Garten, der der Lieblingsaufenthalt Gottes ist, als die versiegelte Quelle, zu der der böse Feind nie Eingang fand. Ich wünschte, die ganze Welt möchte dich kennen als jene weiße Lilie, die zwischen den Dornen, nämlich den Kindern Adams, wächst, die alle von der Sünde befleckt, in der Feindschaft Gottes geboren werden, während du allein ganz strahlend rein, ganz heilig, aufs innigste von deinem Schöpfer geliebt geboren wurdest…“. Wenn wir dieses Gebet des hl. Alphons lesen, dann wird uns klar die hohe Bedeutung Mariens als Maienkönigin vor Augen gestellt.

Jetzt in diesem Monat Mai können wir der Muttergottes ganz besondere Verehrung erweisen, in dem wir zu ihrer Ehre sog. Maiandachten halten, in denen wir die Vorzüge Mariens preisen. Der letzte Tag im Mai ist auch gleichzeitig der Höhepunkt und krönende Abschluß dieses schönen Monats: das Fest MARIA KÖNIGIN (31. Mai). In diesem Jahr ist es zudem ein schönes Ereignis, dass das Fest Maria Königin auf den Pfingstsonntag fällt. Das Fest Maria Königin können wir dadurch zwar nicht feiern, weil Pfingsten als höheres Fest den liturgischen Vorrang hat, doch steht die Gottesmutter auch in enger Beziehung zum Hl. Geist, da sie doch von der Mariologie als „Braut des Hl. Geistes“ bezeichnet wird.

Daher wollen wir Gott danken für sein erhabenes Schöpfungswerk, in dem er durch seine Kirche die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria zur Maienkönigin erhoben hat, der wir nun in diesem Monat Mai unsere besondere Verehrung erweisen wollen.

Ostern – Aufruf zu einer Entscheidung

von P. Andreas Fuisting


Die Frohbotschaft von der Auferstehung unseres Herrn und Gottes Jesus Christus ist das zentrale Geheimnis unseres Glaubens. Es ist uns klar, daß diese Botschaft für unser Leben weitreichende Folgerungen nach sich ziehen muß. Dazu müssen wir über sie nachdenken, sie betrachtend erwägen.

Mit der Trostlosigkeit der Kartage, die Jesus den Tod brachten, war die Hoffnung vieler mitbegraben worden. Da bricht die Nachricht herein: Er lebt, er ist nicht tot! Zuerst verkünden es Engel (das kennen wir schon), dann Frauen, dann Apostel. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich: Er lebt! Aus dem Evangelium erfahren wir, wie diese Nachricht immer greifbarere Formen annimmt dadurch, daß Christus selbst erscheint, sich berühren läßt, mit seinen Jüngern speist, um ihnen absolute Gewißheit werden zu lassen, daß er lebe.

Vor der Tatsache von der Auferstehung Jesu, vor dem Ostertag also, steht der Karfreitag und vor diesem die Sünde. In ihr geriet der Mensch in den Gegensatz zu Gott, in die Gottferne, weil der Mensch von Beginn an „Ja“ zu sich selbst gesagt hat und „Nein“ zu Gott. Die dadurch entstandene Kluft zwischen Gott und Mensch, die den Blick auf den Sinn des Lebens für den Menschen unmöglich gemacht hat, wird erst durch den Gehorsam Christi gegenüber dem Willen des Vaters überwunden. Das Heilshandeln des Sohnes findet seinen Abschluß in der Auferstehung, die auch eine Bestätigung der Erlösung des Menschen ist. Wäre Jesus nicht auferstanden, wäre alles umsonst gewesen, wäre er nur ein Mensch gewesen hätte sein Tod für uns nichts bewirken können. Gott aber konnte nicht im Tod bleiben. Indem Jesus von den Toten aufersteht vollendet er unsere Erlösung. Jesus lebt, damit wir leben, damit die Liebe, die in ihm da ist, auch im Menschen wieder wach wird, und ihn zu Gott zurückkehren läßt.

Diese Erkenntnis, daß uns Christus den Weg freigemacht hat, muß heißen: wir müssen ihn nun auch gehen. Uns ist nicht die Arbeit abgenommen. Einmal schon sind wir Christus nachgefolgt in der Taufe. In ihr feierten wir unser persönliches Ostern, unser persönliches Sterben und Auferstehen. Was die Taufe bewirkt hat, ist in jeder Stunde unseres Daseins umzusetzen: Der Sünde sterben und im neuen Leben wandeln. Ostern ist kein Fest fürs Gemüt, in dem bunte Eier und Hasen aus Schokolade die Hauptrolle spielen; sondern Aufruf zu einer Entscheidung. Sterben all dem, was ungeordnet ist, was Sünde, Egoismus, Selbstsucht heißt und das neue Leben blockiert. An der Stelle, an die Gottes Wille uns gestellt hat, soll nun die Liebe herrschen. Diese muß bestimmend für unser Handeln sein und nicht nur in Augenblicken geistiger oder emotionaler Hochstimmung gelebt werden. Dann überwänden wir Haß, Neid, Feindschaft und Gemeinheit nicht. Wir irren, wenn wir glaubten diese Liebe aus eigener Kraft aufbringen zu können; sie kommt von Ihm, der für uns gestorben ist, aber lebt. Das bedeutet Ostern!

Ich wünsche Ihnen von Herzen daß Sie, liebe Freunde, ganz zu der Liebe finden, die allein wirklich beglücken und befreien kann. Dazu erflehe ich für Sie den Segen des Auferstandenen.


Foto: Heike Hannah Lux

Gedanken zur Fastenzeit

von P. Miguel Stegmaier


O sacrum ieiunium! (O heilige Fasten)

„Was hilft es, den Leib durch Fasten mager werden zu lassen, wenn der Geist von Hoffahrt aufgebläht wird?“ (Hl. Hieronymus)

Wir Christen gehen mit dem Kirchenjahr durch die Zeit. Mit dem Kirchenjahr gehen heißt, wir gehen mit Christus, denn Christus lebt im Kirchenjahr; er ist der Herr der Zeit, das Ziel aller Zeit: Alpha und Omega. – Nach dem Frohsinn der Fastnacht treten wir ein durch das Tor des Aschermittwoch in die Fastenzeit. Und das bedeutet, daß wir nicht nur von Fasten reden, sondern auch in der Tat danach handeln müssen. Wir wollen an Ostern mit Christus auferstehen, aber vorher müssen wir in das Grab hinabsteigen, damit das Böse, die Sünde und der alte Adam in uns sterben können. Dann kann der neue Mensch Christus in uns auferstehen. Das ist nicht einfach, aber es gibt keinen anderen Weg. Und wenn wir das uns Unangenehme, das Negative überwinden können, sehen und erfahren wir das Christliche, das Licht, das über allem steht. Es geht nicht um Tod, sondern um Leben mit Christus als dem Licht der Welt.

Weihnachtslicht – Dreikönigslicht – Lichtmeßlicht – Osterlicht – das steht über allem.

Holz, Kohle und Öl werden in den Ofen geworfen und verbrennen, verzehren sich. Doch das genügt nicht. Aus dem Verzehren entsteht Wärme und Licht. Auch wir müssen uns verzehren, damit Besseres, Licht und Leben daraus entstehen können. Christus hat es uns vorgemacht, als geschlachtetes Opferlamm am Holz des Kreuzes und damit geboren als Licht für die ganze Welt. Ihm sollen und wollen wir in unserem Handeln nachfolgen.

Gott wird Mensch

von P. Andreas Fuisting


Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Das wissen wir alle. Aber ist uns auch bewußt, daß bereits die Urkirche ein so prägnantes Christusbekenntnis abgelegt hat, wie beim hl. Paulus zu lesen steht?: „Dieser ist (ihm) dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids geboren worden. Seinem heiligen Geiste nach aber war er vorherbestimmt zum Sohne Gottes…“ (Röm. 1, 2 u.3). Was hier niedergelegt ist heißt folgendes: Jesus gehört auf die Seite Gottes und auf die Seite des Menschen. Die Tatsache der wahren Menschheit Christi wird durch die Bezeichnung „Sohn Davids“ ausgedrückt.

Die junge Kirche versuchte ihre gläubige Überzeugung in ihren Schriften durch entsprechende Belege zu untermauern. Die Evangelienstelle Matthäus 1, 1-17 beschäftigt sich mit dem Stammbaum Josephs. Durch diesen Stammbaum, der mehr theologische Absichten verfolgt, als den Anspruch erheben darf, einer geschichtlichen Prüfung standzuhalten, wird „bewiesen“, daß Joseph ein Sohn Davids ist. Damit ist die Davidssohnschaft Jesu noch nicht geklärt.

Um nun eine Antwort zu geben auf die Frage „wie kann Jesus, der in Maria durch den Heiligen Geist Mensch geworden ist, Sohn Davids sein?“ greifen wir auf die Stelle des Matthäusevangeliums zurück, die an der Vigil von Weihnachten verkündet wird (Matth. 1, 18-21). Der Evangelist argumentiert dabei so wie folgendermaßen: Durch die Namengebung hat Joseph, der aus dem Geschlechte Davids stammt, den von seiner rechtmäßigen Frau geborenen Sohn als seinen Sohn rechtlich anerkannt. Dadurch wird Jesus zum Sohn Davids. Diese besondere Art der Davidssohnschaft des Messias ist im AT bereits durch den Propheten vorausverkündet (Mt. 1,23; Is. 7, 14). Gott selbst drängt dann Joseph durch den Engel dazu, Maria zur rechtmäßigen Frau zu nehmen und das in ihr durch den Heiligen Geist Gewordene als eigenes Kind anzuerkennen.

Das ist das große Geheimnis des Weihnachtsfestes: Gott wird wirklich Mensch. Er teilt das Menschliche mir uns, damit wir das Göttliche mit ihm teilen. Er tritt auf unsere Seite, um uns auf die Seite Gottes zu holen. Ich möchte mich, auch im Namen meiner Mitbrüder, bei Ihnen allen ganz, ganz herzlich für Ihre im vergangenen Jahr geleisteten Wohltaten bedanken, sei es Ihr Gebet, Ihre ehrenamtliche Mitarbeit oder Ihre finanzielle Unterstützung gewesen. Ich versichere Ihnen: Auf diese drei sind wir nach wie vor dringend angewiesen! Wir werden Sie auch weiterhin in jedes hl. Meßopfer mit einschließen. Bleiben Sie uns verbunden, wie wir es Ihnen sind durch den ankommenden Heiland der Welt.

In diesem Sinne: GESEGNETE WEIHNACHT!

Ihr P. A. Fuisting


Foto: Heike Hannah Lux

Die Armut des Herrn

Gedanken zum Advent

von P. Andreas Fuisting


Wer aus dem Heiligen Land zurückkehrt und dort die Heiligen Stätten besucht hat, berichtet häufig davon in welcher äußeren Einfachheit und Anspruchslosigkeit, ja Armut das Leben Jesu sich bewegt haben muß. Das Wort des hl. Paulus: „Christus hat sich selbst entäußert, hat Knechtsgestalt angenommen und ist den Menschen gleich geworden, und er hat sich erniedrigt“, findet hier seinen Widerhall.

Wenn wir zunächst an Nazareth denken, gerät Maria in unseren Blickwinkel. Künstler der Jahrhunderte haben all ihr Können aufgewandt, um die Ankündigung der Menschwerdung Christi durch den Erzengel Gabriel in aller Schönheit und mit allem Glanz darzustellen, damit die Einzigartigkeit und Größe dieses Geschehens ins Bewußtsein gebracht wird; was es bedeutet hat, als der Engel bei ihr eintrat und sagte: „Gegrüßet seist du, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir!“

Die Wirklichkeit dahinter sieht, von außen betrachtet, jedoch anders aus: kein Reichtum und kein Glanz, keine prachtvollen Kleider und vornehmen Räume. Nazareth ein eher unbedeutender Ort: „Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen“ hat es damals geheißen! Maria lebte in einer Art Haus wie alle anderen auch: vier Wände aus Lehm oder Ziegel und einem flachen Lehmdach darauf. Sie trug, wohl selbst hergestellte, bescheidene Leinenkleider wie alle anderen Frauen auch. Um an Wasser zu gelangen, mußte sie durch staubige Gassen gehen zur einzigen Quelle des Ortes. Und sie buk jeden Tag den Brotfladen für den Bedarf eines Tages, wie es damals üblich war. Nach außen änderte sich gar nichts in ihrem Leben, sie lebte den Alltag und legte sich abends auf eine ebenerdige Strohmatte, um vom Tagwerk auszuruhen; sie stellte sich nach wie vor in die letzte Reihe der Synagogenbesucher, die für Frauen bestimmt war. So lebte diese Heilige von Nazareth bescheiden, anspruchslos, ja, an unseren heutigen Verhältnissen gemessen, mehr als arm.

In Bethlehem war das nicht anders. Es ist verständlich und auch richtig, daß die Darstellungen der Geburt des Herrn meistens idyllisch – romantisch ausfallen. Nur sollte uns klar sein: mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Manchmal liest man von einer Grotte; sagen wir lieber Stall. Oder Krippe? Es war wohl ein Steintrog. Alles zusammen war es eine sehr bescheidene Zuflucht für Hirten und deren Schafe. Die Niedrigkeit der Umstände seiner Geburt setzen sich im Leben Jesu fort, sonst hätte er nicht gesagt: „Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel des Himmels ihre Nester; der Menschensohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen könnte“ (Mt. 8,20).

Überhaupt der ganze Lebensraum des Herrn. Kargheit wohin man blickt: Die trostlose Wüste, in der Christus vierzig Tage und vierzig Nächte hindurch fastete und die er wiederholt durchwandert hat. Den kargen Boden, der mehr Steine zeigt als alles andere. Die große Hitze und das dadurch selten anzutreffende kostbare Wasser; alles mußte zu Fuß geschehen; daß er am Palmsonntag von einem Esel getragen wurde, bildete eine Ausnahme. So hat Jesus sein Wort an sich selbst erfüllt: „Sie sollten weder Beutel noch Tasche noch Schuhe mitnehmen“ (Lk. 10,4). Wie anspruchslos sich der Alltag des Herrn abgespielt haben muß können wir an folgender Geschichte ermessen: als der Steuereinnehmer die Tempelsteuer von ihm verlangte, mußte er Petrus an den See schicken, daß er einen Fisch fange – und beim ersten Fisch, den er gefangen hätte, würde er im Maul eine Vierdrachmenmünze finden; er mußte also seine göttliche Allwissenheit zu Hilfe nehmen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können. Das war das Erdenleben Jesu, uns Menschen gleich geworden – auch und gerade in der Erniedrigung.

Nun könnte jemand sagen: wenn Christus so einfach und anspruchslos gelebt hat, dann hat er sich eben von den Menschen der damaligen Zeit, die ebenso gelebt haben nicht unterschieden. Die Verhältnisse waren nun einmal so! Anders gesagt: Er hätte die Zeit seines Wirkens in einem anderen Jahrhundert ansetzten können. Oder er hätte, wenn es schon damals hätte sein sollen, seine Heimat im Bereich der griechisch – römischen Kultur wählen können; in einer gehobenen Familie, in vielleicht anspruchsvoller Umgebung; in einem Land mit günstiger klimatischer Umgebung. Nein! Christus hat das harte, einfache, anspruchsvolle geradezu arme Leben in Palästina mit den schwierigen politischen und sozialen Verhältnissen ganz bewußt und freiwillig gewählt.

Sollten nicht auch wir etwas in uns lebendig machen von einer Gesinnung bewußter und freiwilliger Einfachheit und Bescheidenheit des Lebens?

Nun möge niemand denken es solle damit die Freude an einem schönen Weihnachten unterdrückt werden. Die Freude an schönen Dingen, die Freude an Geschenken, die man vielleicht bekommt, oder die Freude, andere beschenken zu können. Denn so sehr sich alle, bis auf wenige Ausnahmen, darüber im klaren sind, die übertriebenen Erscheinungen dieser Wochen abzulehnen, so hat das, was die politische Linke gerne vorschnell mit „Luxus“ verwechselt auch seine Berechtigung. Denn wie viele verdienen ihren Lebensunterhalt dadurch, daß es Menschen gibt die Geld ausgeben können. Darum geht es also nicht! Es geht darum, daß wir uns innerlich die Freiheit bewahren gegenüber Besitz und Eigentum. Daß wir das Herz nicht daran verlieren. Daß wir nicht meinen darin bestünde das Glück des Lebens. Und daß wir es leicht nehmen, wenn das Leben uns manches versagt.

Schaffen wir uns also freiwillig einen Bezirk, in dem wir bewußt auf dieses oder jenes verzichten. Denken wir dabei, um diesen Verzicht noch wertvoller zu machen, an die stetig zunehmende Zahl der Abertausenden von Armen. Die sich bereits in den Anfängen herausbildende Weltwirtschaftskrise schädigt am stärksten die, die sowieso nichts haben. Wohl dem, der ein weites Herz hat!

Nun gehen wir hinein in den heiligen Advent. Möchten uns die Adventskerzen von Woche zu Woche heller und leuchtender zu erkennen geben: Seht, welche Liebe uns der Heiland in seiner Erniedrigung erwiesen hat!

November – Der Arme-Seelen-Monat

von P. Marc Brüllingen


graeberDie Jahreszeit des Herbst, in der wir uns nun befinden, erinnert uns an die Vergänglichkeit der irdischen Dinge. Auch unser Leben ist davon nicht ausgeschlossen. Ganz besonders der Monat November, indem wir uns nun befinden, ermahnt und erinnert uns daran, daß wir diese Welt einmal verlassen werden, um vor das Angesicht Gottes zu treten.

Doch bevor wir die ewigen Freuden genießen dürfen, müssen wir rein von jeglichen Sünden und Unvollkommenheiten sein. Die Seelen, die noch nicht ganz vollkommen sind, müssen hierfür noch in einen besonderen Reinigungsort, um ihre verbliebenen Sündenstrafen und Fehler abzubüßen. Diesen Reinigungsort nennt die katholische Kirche das FEGFEUER. Die Seelen, die sich in diesem Reinigungsorte befinden, werden ARME SEELEN genannt. Da diese Seelen im Stande der heiligmachenden Gnade verstorben sind, gehören sie zur Gemeinschaft der Heiligen. Da sie jedoch für sich keine Verdienste mehr sammeln können und sich somit auch keine Linderung ihrer Leiden verschaffen können, sind sie auf unsere Hilfe angewiesen.

Im Monat November gedenken wir daher im besonderen Maße der Armen Seelen, vornehmlich am 2. November, dem GEDÄCHTNIS ALLERSEELEN. „Heute ist das feierliche Gedächtnis aller abgeschiedenen Gläubigen. Soeben (ALLERHEILIGEN – 1. November) noch hat die Kirche als gemeinsame und zartfühlende Mutter sich Mühe gegeben, all ihre Kinder in der Himmelsfreude mit gebührenden Preisgesängen zu verherrlichen. Unverweilt will sie heute in Muttersorge allen ihren Kindern, die im Reinigungsorte seufzen, durch machtvollen Beistand bei Christus, dem Herrn und Bräutigam, zur baldmöglichen Aufnahme in die Gemeinschaft der Himmelsbürger verhelfen.“ So kündet die römische Liturgie diesen einzigartigen Tag ihres heiligen Jahres im Martyrologium des kirchlichen Morgengebetes der Prim an. Der „machtvolle Beistand“ besteht vor allem in der Darbringung des hl. Meßopfers und in der Teilnahme daran.

Der hl. Abt Odilo von Cluny (+ 1048) schrieb für seine Klöster vor, daß am 2. November Messen für alle Verstorbenen gelesen werden. Dieser fromme Brauch fand weite Verbreitung. In Rom finden wir ihn im 14. Jahrhundert. Es ist dann schließlich PAPST BENEDIKT XV. (1914-1922) gewesen, der den Priestern das Privileg verlieh, am 2. November (Allerseelen) dreimal das hl. Meßopfer für die Verstorbenen zu feiern. Anlaß zu diesem Privileg waren wohl die vielen Todesopfer des 1. Weltkrieges (1914-1918), die den Papst zu dieser Anordnung veranlaßten. In Spanien war die dreimalige Feier der hl. Messe an Allerseelen den Priestern schon im Anfang des 16. Jahrhunderts erlaubt.

Die Existenz des Fegfeuers wird schon im Alten Testament im 2. Makkabäerbuch angedeutet: „Er (Judas Makkabäus) veranstaltete unter den Kriegern eine Sammlung, die 2000 Drachmen einbrachte, und sandte sie nach Jerusalem, um ein Sündopfer darbringen zu lassen; eine Tat, die schön und ausgezeichnet war, weil er an die Auferstehung dachte. Hätte er nämlich nicht erwartet, daß die Gefallenen auferstehen, so wäre es überflüssig und töricht gewesen, für Tote zu beten. Weiter hatte er im Auge, daß jenen, die in Frömmigkeit zur Ruhe eingehen, der herrlichste Gnadenlohn aufbewahrt ist: ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er für die Gefallenen das Sühnopfer darbringen, damit sie von der Sünde erlöst würden.“ (2 Makk 12,43-45).

Auch das Neue Testament berichtet an verschiedenen Stellen von der Existenz des Fegfeuers: Mt 12,32: „Wer ein Wort redet wider den Menschensohn, dem wird vergeben werden, wer aber wider den Heiligen Geist redet, dem wird weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werden.“ Da die Armen Seelen demnach im Fegfeuer nichts mehr für sich tun können, sind sie auf unsere Hilfe angewiesen, indem wir für sie beten und auch für sie hl. Messen lesen lassen. Bedenken wir auch, daß das Gebet für die Armen Seelen ein geistiges Werk der Barmherzigkeit ist und auch zur christlichen Nächstenliebe zählt. Die Leiden im Fegfeuer sind zeitlich begrenzt, und die Armen Seelen wissen auch, daß ihr Leiden einmal zu Ende geht. Ihnen ist auch bewußt, daß sie gerecht leiden und daß sie die heiligmachende Gnade nicht mehr verlieren können. Wir sollen uns jedoch angesichts dieser Tatsachen nicht zu der Annahme verleiten lassen, daß die Leiden im Fegfeuer ein Kinderspiel und mit Leichtigkeit zu bewältigen seien. Die Armen Seelen leiden in diesem Reinigungsorte große Pein, und die mit Sicherheit größte und schwerste Pein ist zweifelsohne die ENTBEHRUNG DER ANSCHAUUNG GOTTES. Diese bleibt ihnen solange verwehrt, bis ihre Strafen abgebüßt sind. Das Fegfeuer ist und bleibt jedoch, trotz seiner Schwere, und dies dürfen wir nicht außer Acht lassen, ein ORT DER UNENDLICHEN BARMHERZIGKEIT GOTTES, den Gott unseretwegen erschaffen hat. Ohne diesen Reinigungsort würden sehr wahrscheinlich nur wenige Seelen in die ewige Glückseligkeit eintreten können.


Foto: Heike Hannah Lux

Kritik am Weltjugendtag?

von P. Daniel Eichhorn


Von sogenannt konservativer Seite ist, nicht zuletzt in einschlägigen Internetforen, erneut ein Meer von Häme über solche Art von katholischer Jugendveranstaltung ausgegossen worden. Was war da angeblich wieder alles nicht recht! Bei solchen ,Mega-Events‘ würde der Einzelne zur ,Masse‘. Es gäbe zu viel ,Trara‘ und zu wenig Geistliches. Es herrsche die Feierlaune, nicht die Anbetung, die Emotion, nicht der Geist. Damit sei von vornherein klar: Es fehlen die bleibenden Früchte, das Weitertragen des Impulses im Alltag. Sogar von jugendlichen Ausschweifungen war erneut zu hören. Die Massenkonzelebrationen durch Priester wurden erneut kritisiert, und der Papst mutiere in den Augen von Welt und Zuschauern zum Popstar. Und überhaupt: Solche ,happenings‘ – das hat es früher nicht gegeben. – Was soll man von solcherlei Äußerungen halten?

Zunächst wird man feststellen: Es gibt offenbar Menschen, denen – entgegen ihrer eigenen Aussagen und ihrem eigenen Gehabe – im Grunde nichts heilig ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich bei den Autoren nicht selten um streit- und kritiksüchtige und damit unreife Menschen handelt. Alles müssen sie kommentieren, zu allem und jedem ,ihren Senf geben‘. Damit erheben sie sich über andere und dies in unnötiger Weise. Sie richten, obwohl das Richten auf ein Minimum zu reduzieren wäre: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Matth 7,1) Und: „Alter schützt vor Torheit nicht!“ Ein weiser Mensch aber hat gelernt, seine Zunge im Zaum zu halten, wenn er Gedanken hat, die gegen die Liebe wären oder nichts Vernünftiges beizutragen hat.

Nun, zweifellos gibt es im Rahmen solcher Veranstaltungen bedauernswerte und inakzeptable Mißstände. Sündhafte Laster sind selbstverständlich zu vermeiden und rufen nach Sühne. Die Frage der eucharistischen Konzelebration von einer sehr großen Gruppe von Priestern ist weiterhin keiner befriedigenden Lösung zugeführt, auch wenn Rom dem Vernehmen nach Einschränkungen erarbeitet. Und tatsächlich sollten Priester, spätestens zur Meßfeier, ihr Haupt von z.T. cowboyhutartigen Kopfbedeckungen befreien.

Auch ist die Gefahr, daß der Papst zum Star avanciert, d.h., daß rein menschliche Aspekte in den Vordergrund treten, zweifellos nicht ganz von der Hand zu weisen. Dennoch: Es gab in der jüngeren Geschichte wohl selten einen Papst, dem die persönliche Bescheidenheit so wichtig war und der sein Ego derart in den Hintergrund stellte, damit Christus um so mehr ,durchscheine‘, den er als Person und geweihter Bischof repräsentiert. Papst Benedikt XVI. sucht die Öffentlichkeit nicht für sich, sondern für den, dem er dient. Er versteht sein Tun nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck.

Überhaupt gilt: „Abusus non tollit usum“, d.h.: Der (mögliche) Mißbrauch einer Sache hindert nicht, daß diese auch in rechter Weise verwendet werden kann! Wäre dem nicht so, dann wären die Väter des Trienter und noch mehr des Konstanzer Konzils am besten zu Hause geblieben. Denn die Ausschweifungen auf diesen Kirchenversammlungen sind sattsam dokumentiert. Der Mensch ist schwach und neigt zur Sünde, das ist altbekannt. Daraus kann kein Verbot Gutes zu tun abgeleitet werden. Das wäre nicht katholisch.

Die WJT-Kritiker müssen sich somit die Frage gefallen lassen, ob denn der Papst besser zuhause bleiben soll? Aber wo bliebe dann das missionarische Engagement der Kirche, die doch gesandt ist bis an die Grenzen der Erde? Und wenn beklagt wird, daß die langfristigen Früchte ausbleiben, dann sollten sich die Kritiker vor allem Vorschläge überlegen, wie dem denn zu steuern wäre. Dann wird sich zeigen, ob sie auch zum Selberdenken fähig sind oder ob sie nur arme, destruktive Menschen sind, die ihre eigenen Probleme auf andere abwälzen. Immer muß der Kritiker sich die ehrliche Frage stellen: Könnte ich es besser? Es bleibt dabei, auf der Ebene der Weltkirche- wie auf Gemeindeebene: „Reden ist Silber, schweigen ist Gold!“

Predigt zum Hochfest Dreifaltigkeit

von P. Daniel Eichhorn (2008)


Meine lieben, andächtigen Christen,

Ein Gott in drei Personen, die Quadratur des Kreises, das unlösbare Problem, das Ende der Vernunft? – Ja, die Dreieinigkeit ist das Grunddogma des Glaubens überhaupt, sein Dreh- und Angelpunkt. Ohne diese Wahrheit wäre Jesus nicht der Sohn Gottes, gäbe es keine Erlösung oder jedenfalls nicht in dieser Form! Ja, wäre Gott nicht dreifaltig, so wäre er überhaupt nicht! Er kann gar nicht anders sein als dreifaltig!

Die Kirche glaubt fest und unbeirrbar an die Dreifaltigkeit. Dabei ist dieses Geheimnis nicht einfach irgendeine abstrakte theologische Spekulation. Diese uralte Lehre der Kirche ist keine Entartung eines Glaubens, der in die Fänge der Philosophie, der rein menschlichen Vernunft gefallen ist, sondern es ist nichts anderes, als genau jenes Gottesbild, das uns Jesus gelehrt hat: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ „Der Vater und ich sind eins.“ „Der Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird“. Und viele entsprechende Textstellen sprechen diese Wahrheit mehr oder weniger deutlich aus.

Schon im alten Bund war die Dreifaltigkeit im Voraus angedeutet: Drei Männer kommen zu Abraham, der mit seiner Frau Sara an der Eiche von Mamre wohnt, und verkündigen dem alten Paar einen Sohn, ja, noch eine reiche Nachkommenschaft so zahlreich wie der Sand am Meer, d.h. eine überaus große Schar, ein ganzes Volk, das Volk Israel. Und als die drei Männer gehen wollen, spricht Abraham noch einmal mit ihnen und es geschieht das Eigenartige: Er wendet sich zu den Männern und nennt Sie „Herr“, nicht „meine Herren“. Die großen klassischen Theologen haben in diesen drei Männern in der Regel drei Engel gesehen, die die Stelle Gottes vertreten. Dem Abraham muß jedenfalls unverhofft etwas vom unbegreiflichen Geheimnis Gottes aufgeblitzt sein, daß er in seiner Rede plötzlich statt des Plural den Singular bildet. Es deutet sich an, daß hinter der Dreizahl der Gäste irgendwie noch mehr steckt, daß da ein großes Geheimnis seiner Ergründung harrt. So sehen die Augen des gläubigen Christen in den Texten des Alten Bundes den Glauben an die Dreifaltigkeit, das Zentralgeheimnis des von Jesus verkündeten Glaubens, enthalten.

Wir sagten daher zu recht, daß der Dreifaltigkeitsglaube keine Erfindung der Christen ist, keine philosophisch-theologische Wucherung, sondern das – und nur das -, was Jesus selbst uns gelehrt und verkündet hat.

Wagen wir zum Schluß noch einen Blick hinein in das Geheimnis dieses dreifaltigen Gottes, einen ehrfürchtigen, scheuen Blick. Der Heilige Vater sagte in einer Weihnachtspredigt: „Gott ist nicht ewige Einsamkeit, sondern ein Kreis der Liebe in Hingabe und Zurückschenken: Vater, Sohn und Heiliger Geist“, ein Kreis der Liebe in Hingabe und Zurückschenken. Diesen Aspekt der innergöttlichen Liebe betont auch der Kirchenvater Augustinus: „Wenn du die Liebe siehst, siehst du die heiligste Dreifaltigkeit“. Gott ist ein liebender Gott, nicht nur gegenüber seiner Schöpfung, sondern auch bezüglich seiner selbst: Es ist die Liebe zwischen Vater, Sohn und Geist. Gott hat nicht nur Liebe, sondern in ihm lebt (die) Liebe, ja, er, als der Dreifaltige, ist die Liebe.

Diese Liebe, dieser Gott, diese Dreieinigkeit ist unser Ziel. Unser Ziel ist die ewige, glückselige, durch nichts zu vergleichende Schau der allerheiligsten Dreifaltigkeit im Himmel! Die Schau jener ewigen, starken, reinen, göttlichen Liebesflammen zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist! Der Himmel ist es, in diese große Liebe unverlierbar hineingenommen zu sein, sicher zu sein, nie mehr davon getrennt werden zu können!

Angesichts solch herrlicher Aussichten bleibt uns nur noch mit den Worten der heiligen Elisabeth de la Trinité staunend zu beten: „O mein Gott, Dreifaltiger, den ich anbete, hilf mir, mich ganz zu vergessen, um in dir begründet zu sein, unbewegt und friedvoll, als weilte meine Seele schon in der Ewigkeit. Nichts vermöge meinen Frieden zu stören, mich herauszulocken aus dir, o mein Wandelloser; jeder Augenblick trage mich tiefer hinein in deines Geheimnisses Grund.“ Amen.


Bild: Ikone Dreifaltigkeit | Foto: Heike Hannah Lux

„Oh Weisheit“

von P. Daniel Eichhorn


In den letzten sieben Tagen vor dem Weihnachtsfest, ab dem 17.12. gewinnt die Sehnsucht der Kirche nach dem Kommen ihres Herrn eine neue Qualität. Dieser „Durst“ der gläubigen Christen wird in den sogenannten „O-Antiphonen“ deutlich, die so heißen, da Sie alle mit diesem Laut des Ausrufs beginnen. Es handelt sich dabei um Magnificat-Antiphonen, das heißt um Leitverse des abendlichen Vespergottesdienstes, die den Hochgesang Mariens auf die Macht und Herrlichkeit Gottes rahmen. Besinnen wir uns auf die erste dieser liturgischen Perlen:

„Oh Weisheit, die aus dem Munde des Höchsten hervorgeht und die reicht von einem Ende zum anderen, stark und sanft alles ordnend: komm, uns den Weg der Klugheit zu lehren.“ Die angesprochene Weisheit Gottes ist Gott selber, ist, wie der Text klar offenbart, der ewige Sohn des Vaters. Ihr Wirkungsfeld ist keineswegs nur der „Himmel“, d.h. die für uns Irdische unsichtbare Dimension Gottes und der Engel, sondern die ganze Schöpfung! Denn diese ist ja sein Werk und daher auch sein Herrschaftsbereich. Die himmlische Weisheit soll auf Erden, im Kosmos wirken! – ‚Die Aufgabe des Weisen ist es, zu ordnen‘, so haben es Philosophen und Theologen erklärt.

Dies ist genau der Ausgangspunkt des Autors unserer Antiphon: Christus, der Weisheit des Vaters, kommt es zu, alle irdischen Dinge „vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang“ zu ordnen: Weisheit, „die reicht von einem Ende zum anderen, stark und sanft alles ordnend“. Christus soll in diese Welt kommen, um alles nach seinem heiligen und gerechten Willen wieder in die ursprüngliche, heilige, göttliche Ordnung zu bringen. Die Unordnung des teuflischen „Durcheinanderwerfers“ (Diabolos) soll durch die neue, göttliche Ordnung überwunden werden. Diese Umgestaltung der Welt auf Gott hin ist zugleich „stark“, d.h. unfehlbar, gewaltig und doch auch „sanft“: Gottes Kommen zu Elia geschah nicht im Sturm, sondern im sanften Säuseln! (1 Kön 19,12) – Damit diese Wiederherstellung des Anfangs gelingt, sollen wir mitwirken. Dies aber können wir nicht aus uns, dafür brauchen wir wiederum den göttlichen Beistand. Daher bittet die Kirche die Weisheit Gottes, „uns den Weg der Klugheit zu lehren.“

Die göttliche Weisheit bewirkt in uns die Klugheit! Tatsächlich sind beide Tugenden eng miteinander verwandt. Die Klugheit ist die wichtigste der so bedeutenden vier Kardinaltugenden (Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit Mäßigkeit) ist. Möge Gott uns seine Weisheit und Klugheit schenken, die unser Leben immer mehr in die göttliche Ordnung hineinführt!


Foto: Heike Hannah Lux

Zum Advent

von P. Marc Brüllingen


Mit dem 1. Adventssonntag am 2. Dezember schreiten wir in ein neues Kirchenjahr hinein. Der Priester trägt das violette Gewand, das selbst schon eine Mahnung zur Buße ist. Der Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, der Geburt unseres Herrn Jesus Christus.

Wort Advent kommt von „advenire“ (lat. – ankommen), d. h. die Ankunft Jesu Christi. Mit Entschiedenheit ruft uns die Kirche mit den Worten des heiligen Paulus an: „Brüder! Wisset, schon ist die Stunde da, dass wir vom Schlaf erwachen. Denn jetzt ist unser Heil näher als damals, da wir zum Glauben kamen. Die Nacht ist vorgerückt; der Tag hat sich genaht. So laßt uns die Werke der Finsternis ablegen, anziehen die Waffen des Lichtes!“ (Röm 13,11f)

„Nacht“ – dieses Wort verwendet die Heilige Schrift wiederholt für die Daseinslage des Menschen in der Sünde. Zu diesem Bilde gehört auch die Befangenheit vom Schlafe. Der Sünder befindet sich in einem Zustand der Befangenheit durch einen Schlaf. Sein geistiges Sehen ist getrübt. Eben darin zeigt sich die erste Folge der Erbsünde und der persönlichen Sünde; die Sehkraft des menschlichen Geistes ist gemindert, und im Zusammenhang damit ist die gesunde Kraft des freien Willens erkrankt, oft wie gelähmt. Trotz der Taufgnade, trotz der Eingießung der göttlichen Tugenden in die Seele des Getauften, wirken sich die Wunden der erbsündigen Natur noch im Leben des Menschen aus. Noch leidet der Getaufte an der Schlafbenommenheit des sündigen Menschen, noch macht er allzu oft der Schwäche seiner Natur Zugeständnisse, tut „Werke der Finsternis“ und mißachtet in falscher Sorglosigkeit die „Waffenrüstung des Lichtes.“

In dieser Lage trifft der Mahnruf der Kirche am ersten Adventssonntag das Gewissen jedes einzelnen. Wahrhaftig, die Stunde ist da, vom Schlafe zu erwachen, sich von der Befangenheit des Dahindämmerns zu befreien, sich an das „Eine Notwendige“ erinnern zu lassen, das einmal allein zählt und Bestand hat. Dieses „Eine Notwendige“ ist Gott, die ewige Glückseligkeit im Himmel. Der Glaube ist keine romantische Gefühlsangelegenheit, sondern Gegenstand sachlicher Nüchternheit, geistiger Klarheit.

So wollen auch wir uns die „Waffenrüstung des Lichtes“ anlegen, damit wir in Freude und Ehrfurcht die Ankunft des Heilandes erwarten dürfen.

Das Gebet

von P. Andreas Lauer


„Ich lade alle ein, für die Opfer dieser Tragödien zu beten“, so und ähnlich hören, lesen wir immer wieder Gebetsaufrufe des hl. Vaters – und welche monatlichen Gebetsanliegen außerdem der hl. Vater hat, ist in unserem Rundbrief aufgeführt.

So manche fragen sich, was das denn nütze, was kann das Bitt-Gebet, was kann mein Gebet da bewirken; beispielsweise auch solche „utopische“ Gebete wie der Wettersegen, der ja doch keinen Einfluß auf die kosmischen Kräfte ausüben könne – es kommt, was kommen wird. Und mit dieser Einstellung wird das Gebet nicht mehr ernst genommen und Gott nicht mehr vorgetragen.

Wer so denkt, der macht sich wahrscheinlich zu wenig bewußt, daß Gott zum einen allmächtig ist, daß er all das kann, was sich nicht widerspricht. Er hat die Welt geschaffen und er erhält sie im Dasein; er lenkt die Geschichte und kann so auch bestimmte Dinge, Verhältnisse beeinflussen.

Allerdings will er manche Dinge wirken durch unser Zutun, durch unser Mitwirken – und wenn das beispielsweise „nur“ durch das Gebet ist; lehrt uns doch unser Herr selbst im Vaterunser um so elementare Dinge zu beten, wie das tägliche Brot, das der Beter nicht nur für sich, sondern für „uns“, für alle Menschen erbeten soll. „Gott liebt es, belästigt zu werden“, sagte der heilige Jean-Marie Vianney (1786-1859), der Pfarrer von Ars, einmal.

Und so gibt es tatsächlich viele geschichtliche Beispiele, historische Tatsachen, die bezeugen, wie aufgrund des Gebetes der „natürliche“ Verlauf der Dinge sich so gewandelt hat, wie man das natürlicherweise nicht erwartet hätte. Freilich, in unserem „aufgeklärten“, technischen Zeitalter werden solche Tatsachen, wenn nicht gar direkt abgelehnt, so doch stark ihre göttliche Fügung in Frage gestellt.

Grundsätzlich ist es die Gnade Gottes, die uns antreibt zu beten und die allen, auch den Sündern angeboten wird; und wenn der Betende im Stand der Gnade ist, dann wird in besonderer Weise der Wert seiner Gebete erhöht.

Das, um was wir bitten, sollen in erster Linie Güter sein, die zum ewigen Leben führen, vor allem übernatürliche Gnaden – erst an zweiter Stelle kommen zeitliche Güter, je nachdem sie unserem Seelenheil nützen, soweit wir sie zum Leben brauchen. Sagt doch der Herr selbst: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit und alles andere wird euch obendrein zugegeben werden.“ (Mt. 6, 33)

Und wenn wir um diese oder jene besondere Gnade beten, dürfen wir sie nicht anders als in Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes erbeten. Gott, der die Liebe ist, erkennt in seiner unendlichen Weisheit besser als wir, was jeder Seele frommt, je nach dem Stande und Grade ihrer Vollkommenheit. Er verteilt Gnaden des Trostes oder der Trockenheit, der Ruhe oder des Kampfes, je nach den Absichten seiner unendlichen Weisheit und den Bedürfnissen unserer Seele.

Und wenn der einzelne doch nicht das notwendige Vertrauen hat auf sein Gebet, so kann und soll er doch sein Gebet vereinen mit dem Gebet Jesu, mit dem Vertrauen, mit dem Er gebetet hat, dem himmlischen Vater das Gebet des Herrn. Oder der Gläubige möchte doch das Gebet der Kirche als solches vortragen, und ihn bitten, unseren gütigen Vater, die Kirche zu erhören – schließlich wird Er seinem Sohn und der vom Heiligen Geist gelenkten Kirche wohl keine Bitte abschlagen.

Die selige Katharina Emmerich hatte einmal eine Vision. Es wurden ihr vier Tafeln gezeigt, auf diese hat ein Engel Gebete aufgeschrieben. Auf die erste schrieb er Gebete mit funkelndem Gold, auf die zweite mit leuchtendem Silber, auf die dritt dunkler Farbe – und auf die vierte Gebete mit schwarzer Farbe, die hat er dann durchgestrichen. Da hat sie gefragt, was das zu bedeuten habe. Der Engel hat ihr erklärt, daß das, was mit Gold geschrieben ist, das Gebet jener sei, denen es wirklich ernst ist im Gebet. Mit anderen Worten, das Gebet jener, die wollen, daß der Name Gottes geheiligt werde, die wollen, daß sein Reich komme usw., und die ihren Willen, ihren Ernst vereinigen mit dem Verlangen, dem Ernst Christi, wie Er das gewollt hat. Sie haben ihr Gebet vereinigt mit dem Gebet des Herrn; und das sollen wir immer tun, unser ganzes Tun, unser Gebet, unsere Arbeit, unsere Leiden, wie ein Wassertropfen, den der Priester da bei der Vorbereitung der Opfergaben in den Kelch fallen läßt, vereinigen dem, was Jesus getan hat, dann wird unser Gebet, unser Tun zu einem Gefäß, das sich füllt mit dem Gebete Jesu.

Das Gebet, das mit Silber geschrieben ist, sei das Gebet jener, denen es auch ernst sei. Es ist gutes Gebet, es wird aufgeschrieben, es leuchtet vor Gott, aber nur in Silber, weil diese nicht im Bewußtsein ihres eigenen Unvermögens mit ganzem Ernst und Willen das Gebet des Herrn in Anspruch nehmen.

Das Gebet jener, das nur mit dunkler Farbe geschrieben ist, sei das Gebet jener, die zwar im Stand der Gnade sind, und einigermaßen noch aus der Liebe Gottes heraus beten. Es ist ihnen schon ein wenig ernst, aber in Wirklichkeit ist ihr ganzes Sinnen und Trachten und ihre Sehnsüchte auf ganz andere Dinge gerichtet als auf Gott: auf die irdischen Dinge, die Ehre, den Reichtum, das Ansehen bei den Menschen, die Befriedigung aller natürlichen Neigungen. Da ist nicht Gott an der ersten Stelle, sondern sie selbst. Nur soviel es ihnen dabei noch um Gott zu tun ist, wird das Gebet noch angenommen; es wird zwar nicht durchgestrichen, aber es hat keine Leuchtkraft vor Gott.

Das Gebet mit schwarzer Farbe, das durchgestrichen wird, das ist das Gebet jener, die im Stand der Todsünde sind. Sie sind getrennt von Gott, sie haben die Liebe nicht mehr in sich. Sie haben an die Stelle Gottes einen Götzen gesetzt, ob es nun das Geld ist oder die Ehre der Bauch usw. Ihnen geht es nicht um die Ehre Gottes, das Reich Gottes, den Willen Gottes in Wirklichkeit, auch wenn sie noch Gebetsformeln hersagen – drum ist kein wirkliches Gebet mehr, das wird durchgestrichen, mit schwarzer Farbe geschrieben.

So wollen wir klug sein und dafür sorgen, daß unser Gebet, und auch alles wir sonst tun, arbeiten und leiden, vereinigen mit dem, was Jesus getan hat, mit seinem Willen, mit seinem Vertrauen auf den himmlischen Vater, der ihn erhört.

Das kostbare Blut unseres Herrn Jesus Christus

von P. Miguel Stegmaier


In Monat Juli verehrt die Kirche das kostbare Blut unseres Herrn Jesu Christi! Deshalb fordert die hl. Kirche ihre Kinder auf, besonders in diesem Monat den kostbaren Preis unserer Erlösung, das allerheiligste Blut unseres göttlichen Heilandes anzubeten und andächtig zu verehren. Ein einziger Tropfen seines Blutes hätte genügt, um die ganze Welt abzuwaschen von aller Sündenschuld: „O gütiger Pelikan, o Jesu, höchstes Gut, mach mich Unreinen rein in deinem teuren Blut! Ein Tropfen schon von ihm kann tilgen alle Schuld, erfüllen alle Welt mit Wundern deiner Huld“ (hl. Thomas von Aquin, Hymnus Adoro te devote).

Aber damit war die Liebe des hl. Herzens Jesu nicht zufrieden: „in finem dilexit eos“ (Joh. 13, 13-4 So liebte er sie bis zum Ende); sein Blut sollte bis zum letzten Tropfen für uns vergossen werden. Das kostbare Blut Jesu Christi ist also der wahre Preis unserer Erlösung. „Alle übrigen Teile des bittern Leidens stellen gleichsam nur die Stufen dar, auf denen wir zu diesem Gipfelpunkte erhoben sind. Heilig ist die Dornenkrone, heilig sind die Nägel und Lanze, heilig ist das Leintuch; was aber diesen Gegenständen das Gepräge der Heiligkeit eigentlich aufdrückt, sind die Tropfen des kostbaren Blutes, womit sie gefärbt worden; berührt von diesem kostbaren Blute, sind sie ungewandelt in wirkliche Werkzeuge unserer Erlösung. Selbst die fünf heiligen Wunden, wenn auch als Wunden des Gottessohnes, noch so verehrungs- und anbetungswürdig an sich, sind noch nur dadurch Quellen des Heiles, dass sie die Quellen sind, denen das kostbare Blut entströmt ist: „haurietis aquam in gaudio de fontibus salvatoris“ (Is 12, 3 Ihr werdet mit Freude Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils). Die wahre Verehrung des bittern Leidens gipfelt daher und muß notwendig gipfeln in der Verehrung des kostbaren Blutes“ (Bischof Konrad Martin aus Paderborn).

Die Andacht zum Blute Jesu Christi, die sich gleich der so überaus segensreichen Andacht zum hl. Herzen Jesu auf das kirchliche Dogma von der persönlichen Vereinigung der zweiten Person in der Gottheit mit der menschlichen Natur stützt, ist im Grunde nichts Neues, sie ist vielmehr so alt wie die Kirche.

Wie haben diesen Himmelstau nicht verehrt die hl. Personen unter dem Kreuze. Wie haben diese Arznei für alle Seelenwunden nicht gepriesen in ihren Predigten und Schriften die hl. Apostel. Sie nennen es ein reinigendes und heiligendes, ein weltversöhnendes Blut: „und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1 Jo 1, 7); „Ihm (Jesus Christus), der uns liebt und durch sein Blut uns gewaschen hat von unseren Sünden“ (Offenb 1, 5) usw. Und mit welch inniger Verehrung spricht der hl. Paulus, dieses Gefäß der Auserwählung, vom gnadenreichen göttlichen Erlöserblut!: „und nicht mittels des Blutes von Böcken und Kälbern, sondern mittels seines eigenen Blutes ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen und hat eine ewige Erlösung erlangt“ (Heb 9, 12); „in Ihm besitzen wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“ (Kol 1, 13) usw. Die hl. Magdalena von Pazzi, 17. Jahrhundert hat daher den trefflichen Ausspruch getan: „Wir können ihn, den hl. Paulus, den Lehrer des kostbaren Blutes und den Urheber der besonderen Andacht zu demselben nennen“.

In gleicher Weise wie die Apostel preisen die heilige Väter und Lehrer der Kirche das teure Blut des Herrn. Der heilige Ambrosius nennt dieses sühnende Blut „das kostbare Gold von unendlichem Werte“, der hl. Chrysostomus „das Heil der Seelen“; der heilige Bernard „die Posaune, deren Schall Barmherzigkeit und Liebe tönt“; der hl. Thomas den „Schlüssel zu den Schätzen des Himmels“.

Für die Heiligen war das göttliche Opferblut ein Gegenstand inbrünstiger Andacht und der Sporn zu heldenmütigen Opfergeist. Dieses Blut war es, welches die christlichen Märtyrer drängte, Gut und Blut und Leben freudig dem zu weihen, dessen liebeflammendes göttliches Herz am Kreuze mit der Lanze durchbohrt, alles, sogar den letzten Blutstropfen für uns hingegeben: „usque ad mortem, mortem autem Crucis“ (bis zum Tode, Tode am Kreuz). Dieses heiliges Blut war es, welches den großartigsten Triumph feierte in der hl. Katharina von Siena, jener berühmten Dominikanerin, deren Apostolat dem Blute ihres Erlösers gewidmet war. Wenn dieselbe im Auftrage ihres Herrn zum Volke redete, so war, wie ihre Lebensgeschichte berichtet, die Zahl der Sünder so groß, dass nicht Priester genug herbeigerufen werden konnten, deren Beichten zu hören. In den zahlreichen Briefen, welche die Heilige an Päpste, Bischöfe und Priester, an Fürsten sowie an Personen jeglichen Standes richtet, kommt sie stets auf die hohe Bedeutung der Verehrung des göttlichen Blutes zurück und redet davon mit der höchsten Begeisterung.

Zur heiligen Theresia von Avila sprach einst der Herr: „Weil du nichts besitzest, um mir ein Geschenk zu machen, so schenke ich dir all mein Blut, damit du dem himmlischen Vater es aufopferst. Dies mein Blut ist für dich das sicherste Mittel, um von ihm die ausgezeichneten Gnaden und Wohltaten zu erlangen“. Der hl. Alfons Maria von Liguori preiset und benedeiet jenes Blut als „das Lösegeld für die Sünden der Welt“, als „eine Quelle himmlischen Gnaden, als den Schlüssel zur Pforte des Himmels“, als „ein Pfand des ewigen Heiles“. Ganz besonders müssen wir hier als einen glühenden Verehr des hl. Blutes bezeichnen den hl. Kaspar del Bufalo, den Gründer der Kongregation der Missionäre vom kostbaren Blute. Wenn er im Jahre 1837 zu Rom im Rufe der Heiligkeit starb, auf seinen Missionen die Würde, Erhabenheit und Macht des kostbaren Blutes entfaltete, so schien dasselbe auf seinen Lippen Sprache angenommen zu haben, die kalte Herzen wurden gerührt; die Zuhörer schluchzten und seufzten nicht seltenlaut auf, sodass seine Worte nicht mehr verständlich wurden und er seine Rede einhalten musste.

„Siehe“ sagt der Heiland, „ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe“ und endlich an die hl. Mechtildis: „Siehe“, sagte Er ihr, „alle meine Wunden stehen offen, um Gnade für die Sünder zu erhalten und meinen Vater zu ihren Gunsten zu stimmen. Aber einige sind wie furchtsame Kinder; sie wagen es nicht, meiner Güte zu vertrauen. O, wenn sie doch meine Leiden überdächten, wenn sie doch andächtig meine blutigen Wunden verehrten! Sie würden bald befreit werden von ihrer Furcht; dieselbe würde vollem Vertrauen Platz machen.“


Foto: Heike Hannah Lux

Anmerkungen zur Gebetshaltung

von P. Andreas Lauer


Immer wieder kommt es vor, dass Gläubige unsicher sind, welche Haltung sie in der Kirche einnehmen sollen, besonders beim Gebet in der heiligen Messe. Sollen sie stehen oder knien oder sitzen?

Für den Zelebranten bzw. den Kleriker gibt es Rubriken (rot geschriebene Ritusbeschreibungen in den liturgischen Büchern der Kirche), die vor allem für die Liturgie und das gemeinschaftliche Gebet gelten:

So steht man beispielsweise zu Beginn und Ende des Stundengebetes, während der Hymnen und Cantica, und auch sonntags und in der österlichen Zeit ist die stehende Gebetshaltung öfter vorgesehen als sonst.

Das knieende Gebet ist üblich z. B. bei den Tagesgebeten der Advents- und Fastenzeit und bei den Preces (den Gebeten, die der Allerheiligenlitanei folgen.

Und es gibt auch die sitzende Gebetshaltung: im gemeinsamen Chorgebet etwa beim Psalmgebet und bei den Lesungen und Zwischengesängen, in der Messe bei der Opferung.

Für die übrigen Gläubigen dagegen existieren keine derartigen strengen Vorschriften. Nebenbei bemerkt war zur Zeit des Alten Testamentes das Gebet äußerlich nicht an bestimmte Haltungs-Vorschriften gebunden, trotz gewisser Bräuche, wie die Ausbreitung der Hände, das Sichniederwerfen u.ä..

Auch heute existieren verschiedene Bräuche: so ist es unter anderem in unserem Lande üblich, in der Kirche meistens kniend als Ausdruck der Unterwerfung zu beten, und das vor allem während der heiligen Wandlung. In anderen Regionen betet man stehend, und drückt damit seinen Respekt aus – und auch die sitzende Gebetshaltung ist regional gebräuchlich.

Der Einzelne bleibt freilich frei, sich zu entscheiden, welche Haltung er einnimmt, doch ist dabei auf das Verhalten der Gemeinde in der Regel Rücksicht zu nehmen, und gegebenenfalls sich ihr anzupassen bzw. sich so zu verhalten, daß man andere nicht stört bzw. in der Sicht behindert.

„Typisch für das christliche Beten ist das Falten der Hände. Diese Geste soll verdeutlichen, daß sich der Beter nur auf Gott konzentriert und nicht mit anderen Dingen beschäftigt ist. Die aneinander gelegten offenen Handflächen entsprechen der Haltung bei der Huldigung des Lehnsherren im mittelalterlichen Feudalsystem und wird etwa seit dem 11. Jahrhundert praktiziert.

Das Gebet mit zusammengeballten Händen kam erst in der Reformation auf. Daneben gibt es noch seltenere, ältere Formen, wie das Kreuzen der Hände vor der Brust. Das Ausstrecken der Arme im Gebet stammt sogar aus dem vorchristlichen Mittelmeerraum und Orient, es geht auf die Körperhaltung der Bettler zurück. Das Beten mit erhobenen Händen wird häufiger von Christen der charismatischen Bewegung oder der Pfingstbewegung praktiziert und geht auf eine jüdische (z.B. Klagelieder 3,41) Gebetshaltung zurück.“ (Wikipedia, Gebet)

Die äußere Haltung, das Äußere allein ist zum gottwohlgefälligen Gebet nicht ausreichend – hat doch Christus selbst beispielsweise das rein äußere Hersagen von Gebetsworten verurteilt mit den Worten „Plappern wie die Heiden“.

Entscheidend ist die innere Haltung, die freilich sich in der äußeren ausdrücken will. Soll unser Gebet wirksam, fruchtbar sein, so verlangt es dem Inneren nach kindliche Ehrfurcht und Liebe, Demut, Vertrauen und Achtsamkeit, oder wenigstens das ernstliche Bemühen, achtsam zu sein.

So betete der Zöllner und fand Erhörung, während das Gebet des stolzen Pharisäers verworfen wurde. „Gott widersteht den Hoffärtigen. Den Demütigen gibt er seine Gnade“ (Jak. 4,6). Die echte Demut erzeugt Vertrauen, jenes Vertrauen, das nicht auf eigenes Verdienst, sondern auf die unendliche Weisheit und Güte Gottes und die Verdienste unseres Herrn sich gründet. Christus fordert uns in der hl. Schrift immer wieder auf, mit Vertrauen zu beten. Wir mißtrauen Gott und seinem Versprechen, wir unterschätzen die unendlichen Verdienste unsers Herrn, wenn das unbedingte Vertrauen beim Gebet fehlt. Freilich scheint Gott unseren Gebeten zuweilen taub zu sein, weil er will, daß unser Vertrauen beharrlich sei. Ein schönes Beispiel dafür ist uns gegeben mit der Kananiterin (Joh. 16, 26f), die unser Herr scheinbar abweist. Trotz aller Mißerfolge erwartet er von unserem ihm wollgefälligen Gebet, daß wir in demütigem Vertrauen ausharren.

Immer wieder kommen Gedanken, Zerstreuungen auf und verbleiben wie die Nachtfalter, die um die Lampe flattern. Sie sind kein Hindernis für das Gebet, wenn wir sie zurückzuweisen und zu vermindern suchen, denn durch diese unsere Anstrengung bleibt unsere Seele auf Gott gerichtet.

Zu dieser Fragestellung können auch die Vorschläge der Kongregation für den Gottesdienst zum Jahr der Eucharistie aus dem Jahre 2004 hilfreich sein: „… Die Körperhaltungen, die wir während der Eucharistiefeier einnehmen – Stehen, Sitzen, Knien -, verweisen auf die inneren Haltungen des Herzens. Die betende Gemeinde drückt sich in verschiedensten Formen aus.

Das Stehen ist Ausdruck der Freiheit der Söhne und Töchter, die uns der auferstandene Christus schenkt, der uns aus der Knechtschaft der Sünde befreit und wieder aufgerichtet hat.

Das Sitzen drückt die Aufnahmebereitschaft des Herzens Marias aus, die Jesus zu Füßen saß und sein Wort hörte; das Knien oder die tiefe Verbeugung drückt aus, dass wir uns klein machen vor dem Höchsten, vor dem Herrn (vgl. Phil 2,10).

Die Kniebeuge vor der Eucharistie, wie sie der Priester und die Gläubigen machen …, drückt den Glauben an die wirkliche Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus im Altarsakrament aus …

Wenn wir in den heiligen Zeichen hier auf Erden die Liturgie, die im Heiligtum des Himmels gefeiert wird, wiedergeben, tun wir es den Ältesten gleich: Sie „werfen sich […] vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt“ (Offb 4,10).

Wenn wir in der Eucharistiefeier den Gott-mit-uns-und-für-uns anbeten, muss sich diese Geisteshaltung auch in unserem Handeln und Denken fortsetzen und sichtbar werden. In der Sorge um die Angelegenheiten dieser Welt lauert immer die Gefahr, dass wir die Knie vor Götzen und nicht mehr vor Gott allein beugen.

Die Worte, mit denen Jesus auf die götzendienerischen Vorschläge des Teufels in der Wüste antwortet, müssen in unserem täglichen Reden, Denken und Handeln Widerhall finden : „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10).

Die Knie zu beugen vor der Eucharistie, in Anbetung des Lammes, das uns erlaubt, mit ihm das Paschamahl zu feiern, lehrt uns, uns nicht vor den Götzen niederzuwerfen, die von Menschenhand errichtet wurden, und es hilft uns, treu, ergeben und ehrfurchtsvoll dem zu gehorchen, den wir als den einzigen Herrn der Kirche und der Welt bekennen.“

(Kongregation für den Gottesdienst: Das Jahr der Eucharistie. Empfehlungen und Vorschläge, Nr. 29).

Zeit des Fastens

von P. Andreas Lauer


Der Christ hat einen Auftrag zum Wirken in der Öffentlichkeit: an uns liegt es, die Welt nicht gottlos sein zu lassen, sondern durch unser Glauben hindurch Gott in die Welt hinein zu vermitteln.

Neben diesem Auftrag der Öffentlichkeit des Glaubens bleibt freilich der Auftrag zu seiner Innerlichkeit unverkürzt bestehen. Das ist die Aufgabe, die das deutsche Wort Fastenzeit andeutet. Damit einer Christ werde, ist auch die Kraft der Überwindung notwendig, das Stehen gegen die naturale Schwerkraft des Dahin-treiben-Lassens. Leben im allgemeinsten Sinn ist einmal definiert worden als ‚Arbeit gegen die Schwerkraft‘. Nur da, wo Arbeit gegen die Schwerkraft ist, sei Leben und wo sie erlischt, sei auch das Leben erloschen. Wenn das schon im biologischen Bereich gilt, so um so mehr im geistigen.

Der Mensch ist das Wesen, das nicht von sich selber zu sich selber wird. Er wird nicht, indem er sich einfach treiben läßt, sich dem naturalen Schwergewicht seines bloßen Dahintreibens überläßt, sondern er wird immer nur im Ringen gegen die Schwerkraft des bloßen Dahinlebens, in der Kraft der Disziplin, die sich aus der Nötigung des Alltags herauszunehmen weiß, die sich aus dem Zwang der Zwecke und der Triebe löst. Unsere Welt ist derart mit Vordergründigem vollgestellt, daß wir immer in Gefahr sind, bloß noch die Teile und nicht mehr das Ganze zu sehen. Es braucht Überwindung, um da durchzuschauen und von der Diktatur des Vordergründigen frei zu werden.

In der kirchlichen Präfation für die Fastenzeit steht das merkwürdige Wort: ‚Ieiunio … mentem elevas – durch Fasten … erhebst du den Geist‘. In Regionen bzw. Zeiten großer Hungersnot empfindet man dieses Wort fast wie eine Ironie. Man empfindet dann, wie das Fasten den Geist hindert, frei zu sich selbst zu sein. Aber wenn wir die Zeiten des Hungers vergleichen mit unserer heutigen Sattheit, dann merken wir doch, wie wahr das Wort auch ist. Dann wird uns bewußt, daß man in Zeiten des Hungers in mancher Hinsicht sehender ist als in Zeiten der Sattheit.

Der ganz satte Mensch, der gar nicht mehr hungert, wird blind und taub. Er gewahrt nur noch sich selbst. Darauf aufmerksam geworden, beginnen wir vielleicht auch die Bilder der Heiligen Schrift neu zu verstehen, die die Kirche in die Taufliturgie aufgenommen hat: Das Bild des Menschen, der blind ist vor Gott; des Menschen, der taubstumm ist, sich selbst und die Welt gar nicht zu vernehmen vermag. Wir verstehen, daß wir jene Wirklichkeit brauchen, die im Wort ‚fasten‘ angesagt ist.

Heute wird auf vielerlei Weise gefastet: aus medizinischen, aus ästhetischen und aus anderen Gründen. Und das ist in der Regel gut. Aber ein solches Fasten allein ist dennoch nicht ausreichend für den Menschen. Denn der Zweck solchen Fastens bleibt ja immer das eigene Ich. Es löst den Menschen nicht von sich selbst, sondern es ist nur noch einmal für ihn selber da. Er aber bedarf eines Fastens, eines Verzichtes, der ihn frei macht von sich selbst, frei macht für Gott und ihn so frei werden läßt für die anderen. Der Ruf, den Gott durch die Fastenzeit so an uns richtet, ist gewiß unbequem. Aber wer einigermaßen wach ist für die Situation des Menschen von heute – für seine eigene Situation! – der weiß auch, wie nötig uns dieser Ruf zu einem realen, nicht ichbezogenen Fasten ist.

Christliches Fasten – eine Befreiung vom eigenen Selbst. Und schon immer war damit die Forderung verbunden, Fastenzeit müsse eine Zeit der Fruchtbarkeit in guten Werken sein. ‚Gute Werke‘ – wenn wir das heute hören, wird uns leicht, je nach Temperament, ein Lächeln oder ein Stirnrunzeln kommen. Aber wir sollten es uns auch da nicht zu einfach machen. Wir sollten hinschauen auf die Hungernden und Notleidenden, auf die hungernden Völker rundum in der ganzen Welt, dann wird uns vielleicht solches Lächeln schnell auf dem Mund ersterben. Denn dann wird uns bewusst werden, daß wir keinen gnädigen Gott haben können, solange wir satt sind und die anderen um uns hungern.