von P. Marc Brüllingen
Mit der Himmelfahrt schließt das irdische Leben des göttlichen Heilandes ab. Sie ist das letzte Geheimnis des Erdenwandels und das erste Geheimnis des Himmels. Mit ihr erreicht die Verherrlichung des Heilandes die letzte Stufe.
Der Heiland mußte seine Verherrlichung mit der Besitznahme des Himmels vollenden. Erstens seinetwegen. Er hatte die Himmelfahrt in Aussicht gestellt. Hier auf Erden ist ja für niemand der Ort des Bleibens, weil die Erde nur der Ort der Vorbereitung und nicht das Ziel ist. Am allerwenigsten konnte der Gottmensch hier bleibend verweilen. Als Gott hatte er den Himmel nie verlassen; als Gottmensch hatte er Recht auf ihn und mußte ihn in Besitz nehmen, um seine Glorie zu vollenden.
Auch von unserer Seite gab es Gründe für die Himmelfahrt des Herrn. Er hatte sein Werk vollbracht und die Kirche ausgebaut. Hier konnte uns seine Anwesenheit nichts mehr nützen, wohl aber sein Hingang zum Vater in den Himmel. Dadurch nützte er dem Leben des Glaubens; dadurch hob er mächtig unsere Hoffnung, daß er schon für uns vom Himmel Besitz nahm, und nicht weniger unsere Liebe durch die herrlichen Gaben, die er vom Himmel her sendet, besonders durch den Heiligen Geist, der die Liebe selbst ist und die Liebe in unsere Herzen ausgießt, der aber nicht gekommen wäre, wenn der Herr nicht zum Himmel aufgefahren wäre, ebensowenig, als auch für uns der Himmel geöffnet worden wäre.
Die Himmelfahrt ist also nicht nur eine Ehre für unsere Natur, indem sie dieselbe in Christus über alle Ordnungen des Himmels hinaus zum Mitbesitz aller göttlichen Ehren erhob, sondern auch eine Quelle des Heils, indem sie unser Tugendleben stärkt und erhebt und den Heiland in den Stand setzt, für uns den Himmel in Besitz zu nehmen und dort unser Sachverwalter beim Vater zu sein.
Die Vorbereitung zur Himmelfahrt bestand vor allem darin, daß der Heiland die Jünger nach Jerusalem beschied. Dort wollte er zum Himmel auffahren und sein Reich antreten, in der Stadt des Thrones Davids. Dort gab er ihnen auch seine letzten Weisungen. Er befahl ihnen in der Stadt zu bleiben und das Kommen des Heiligen Geist zu erwarten. Von dort sollten die Apostel dann ihr Predigtamt antreten in alle Welt. Indessen sollte die Himmelfahrt nicht in Jerusalem selbst und nicht vor dem Volke stattfinden, weil auch dieses Geheim-nis dem irdischen Leben nicht angehört.
Die Himmelfahrt selbst geschah in der Kraft des Gottmenschen und, insofern sie den menschlichen Augen sichtbar war, allmählich und mit Erweisen großer Macht und Herrlichkeit. Wie groß diese Herrlichkeit war, geht daraus hervor, daß eine Wolke erschien, d.h. Eine herrliche Lufterscheinung; dann aus der Angemessenheit, daß der Gottmensch in aller ihm entsprechenden Machtentfaltung zum Himmel fuhr; drittens aus den Wirkungen, welche die Himmelfahrt auf die Apostel ausübte, die, statt zu trauern über den Hingang des Heilandes, sich freuten und ihn anbeteten, ein Zeichen, daß er namentlich in diesem Augenblick eine ganz göttliche Herrlichkeit um seine Person zeigen ließ; endlich aus den Worten der Engel: „So wird er einst wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen“, nämlich zum Gericht, zu dem er, wie wir wissen, mit großer Macht und Herrlichkeit erscheinen wird.
Auch bei uns muß die Himmelfahrt vor allem Freude bewirken, Freude am göttlichen Heiland. Er ist jetzt am Ziel und im Besitz der Fülle seiner Glorie, ihn erwartet jetzt nichts anderes als Ehre und Freude ohne Ende. „Seines Reiches wird kein Ende sein“ (Lk 1,33). Freude auch unseretwegen, denn der Himmel ist unser, der Heiland hat ihn für uns in Besitz genommen als unser gemeinschaftliches Erbe. „Ich steige auf zu meinem Gott und zu eurem Gott, zu meinem Vater und zu eurem Vater“ (Jo 20,17). Der gute Heiland, unser Bruder, wird uns unseren Teil nicht vorenthalten. Also freuen wir uns! Diese Freude kann uns niemand nehmen.
Dann muß die Himmelfahrt in uns auch Mut und Vertrauen bewirken. Schließlich ist die Wirkung der Himmelfahrt Liebe und Sehnsucht. Im Himmel ist der Heiland, ist Gott, ist alles Schöne und Gute, der Himmel ist die Heimat, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wo anders sollte unser Herz sein? Deshalb denken wir oft an den Himmel und sehnen wir uns nach ihm.
Foto: Heike Hannah Lux