Die Weihnachtsfeier in früherer Zeit

von P. Miguel Stegmaier und P. Marc Brüllingen

So wie man aus dem Gehalte eine Quelle, die aus tiefem Schoße der Erde hervorsprudelt, erkennen kann, was unten verborgen liegt, so offenbart sich auch in dem öffentlichen Leben eines Volkes, insbesondere in den Volksfesten, die nur die Blüten des Volkslebens sind, was im Gemüte des Volkes, in seinem ganzen Innern sich bewegt. Es spiegelt sich daher in solchen Volksfesten der ganze Charakter, die ganze Seele des Volkes ab.

Wenn die Volksfeste überhaupt die Blüten des Volkslebens sind, so muß man das Fest der hl. Weihnachten als die würzigste und duftigste dieser Blüten in deutschen Volkstum bezeichnen. Der Name kommt von dem altdeutschen „wy“, „heilig“, her; „heilige Nacht“ heißt er also. Merkwürdigerweise feierten schon die alten Deutschen um die nämliche Jahreszeit ihr Hauptfest, das Fest der Sonnenwende. Man dachte sich, daß die Sonne, die zu Ende Dezember am tiefsten steht, sich alsdann wieder verjünge, daß die gleichsam neugeboren werde. Die Perser, Ägypter und noch viele andere Völker des Altertums feierten ein ähnliches Fest. Unverkennbar liegt ein Walten der göttlichen Vorsehung darin, daß schon die heidnischen Völker um die nämliche Zeit ein Fest der Wiedergeburt feierten. Es war dadurch der Kirche erleichtert, an Stelle des heidnischen Festes sogleich das christliche zu setzten.

Schon drei Wochen vor Weihnachten, in den ersten Tagen des Advents, nahm das Fest gewissermaßen seinen Anfang mit den sog. Klöpfers-Tagen. Es zogen alsdann die Kinder in Begleitung der Greise des Orts, mit Stöcken und Schlegeln in der Hand, von Haus zu Haus, klopften damit an allen Haustüren an, sangen Weihnachtslieder, und wurden von den Hausleuten mit Gaben, bestehend in Brot, Früchten und dergleichen, reichlich beschenkt. Der letzte Besuch galt dem Pfarrer, der sie, umgeben von seinem Kaplan und Küster, empfing und jedes Kind mit einem Weihnachtsbildchen und einem Lebkuchen beschenkte. Die gesammelten Gaben wurden natürlich den ärmsten Kindern für ihre Eltern nachher überlassen. Die Grundbedeutung dieses Aufzuges war die Erinnerung an das Anklopfen und das Nachsuchen der Eltern Christi um eine Herberge zu Bethlehem.

Ein Zug der Mildtätigkeit und Sorge für die Armut durchwehte überhaupt und diese Zeit die ganze christliche Welt. Holz- und Jagdfrevel durften jetzt nicht bestraft werden. Der arme Mann durfte, wo er wollte, Holz fällen, damit er den Christbraten, den ihm Gott beschere, zubereiten könne.

Am Nachmittage vor dem heiligen Abende versammelten sich abermals die Kinder in einem öffentlichen Lokale. An einer Rolle, mitten im Zimmer oben angebracht, wurden Christwecken mittelst einer Schnur auf – und abgezogen, und von den Kindern wurde jauchzend und springend danach gehascht. Selbstredend spielten die Zieher der Schnur vor allen den ärmeren Kindern das Gebäck in die Hände.

Am heiligen Abende selbst wurde mit dem Glockenschlage sechs von allen Türmen „der Friede“ geläutet und von allen Toren der Städte herab in die Posaune gestoßen. Es war hiermit jedem, der in der Acht erklärt war oder sonst polizeilich verfolgt wurde, gestattet, frei und unbehelligt zu erscheinen und sich des Festes mitzuerfreuen. Er durfte bis zum Morgen des vierten Tages in der Gemeinde verweilen. Über den Mißbrauch dieser Freiheit sind höchst selten Klagen geführt worden. Ein schwacher Rest dieser alten schönen Sitten ist noch in unserer gegenwärtigen Gesetzgebung vorhanden, indem es nämlich verboten ist, an Sonn – und Festtagen jemand vorladen zu lassen.

Sobald nun, wie oben berichtet, um sechs Uhr abends das Friedensgeläute erklang, hatte alle Arbeit und jede Geschäftigkeit ein Ende. Es versammelten sich um den Hausvater vor dem durch eine Kerze beleuchteten Muttergottesbilde die Kinder und das ganze Hausgesinde. Es wurde gebetet und alte Weihnachtslieder gesungen, und hierauf ein einfaches Abendmahl genommen, in den ganz frommen Familien wurde strenge gefastet, sogar von den Kindern. Der Hausvater und die Hausmutter verharrten hierauf wieder mit einem Teile des Gesindes im Gebete bis kurz vor Mitternacht. Alsdann ward aus einer alten großen mit Samt belegten, künstlich bearbeiteten Dose die sog. Jericho-Rose hervorgeholt und in ein frisch mit Wasser gefülltes kristallenes Glas gesetzt. Diese Jericho-Rosen wachsen in Palästina, insbesondere am Jordanflusse, wild und wurden von den Kreuzfahrern als Andenken an die kriegerische Wallfahrt und das heilige Land mit nach Europa gebracht. Die kleinen Zweige der natürlich trockenen Krone breiten sich durch das frische Wasser und die Zimmerwärme etwas aus und schimmern, zu nicht geringem Erstaunen der frohen Kinder, etwas ins rötliche.

Nun begibt sich der Hausvater mit den schon erwachsenen Kindern und einem Teile des Hausgesindes in die Weihnachtsmesse. In derselben wird unmittelbar vor dem Anstimmen des Gloria durch den Priester durch zwölfmaliges lautes Anschlagen auf eine kleine silberne Glocke die Feststunde angedeutet, und es erschallt sodann durch die festlich erleuchteten Hallen der Kirche das „Ehre sei Gott in der Höhe!“

Nach Hause zurückgekehrt, erwartet die Hausgenossen ein kräftiges Frühstück, bestehend aus dem sog. Christbrote und aus Fleisch, das gemeinschaftlich verzehrt wird.

Um vier Uhr macht sich die Hausfrau mit den kleinen Kindern und den übrigen Hausgenossen auf den Weg zum zweiten feierlichen Hochamte, der sog. Hirtenmesse. In dieser zweiten Messe singt bloß das Volk; es singt nach alter Weise in den rührendsten Melodien die althergebrachten Weihnachtslieder.

Abermals erschallen die Glocken in den hellsten Tönen von allen Türmen der Stadt um neun Uhr. Es zieht der Hausvater seinen allerprächtigsten Staat an (denn es gab besondere Anzüge für die höchsten Feiertage), um mit aller Feierlichkeit dem letzten Hochamte beizuwohnen. Währenddes ist die daheimgebliebene Hausmutter äußerst rührig; mit feineren Getränken, mit Backwerk und Fleischspeisen werden die Tische so beladen, daß sie fast zusammenbrechen.

Gegen elf Uhr eilen nun in ihren Festkleidern nicht nur die auswärts verheirateten Söhne und Töchter, sondern auch die Mitglieder der ganzen Verwandtschaft bis zu den entferntesten herbei. Es finden sich auch die alten bewährten Hausfreunde ein, die treuen Bekannten und alle, die mit dem Hause in irgend einer Beziehung stehen, die Pächter, Arbeitsleute und dergleichen. Sie bringen dem Haupte der Familie ehrfurchtsvoll ihre Glückwünsche zu dem hohen Feste mit den Worten dar: „Wir wünschen ein glückseliges Fest!“ und nehmen von dem Hausherrn einen gleichen Glückwunsch entgegen. Die Vernachlässigung dieser so schönen Sitte wird als der sündhafteste Frevel und als die Erklärung einer immerwährenden Feindschaft angesehen. Auf solche Weise ward dieser Tag für manchen ein wahres Friedensfest, an welchem der Groll des bald dahinscheidenden Jahres vergessen und begraben wurde.

Nachmittags ward wieder die Kirche besucht und der übrige Teil des Abends still in der Familie zugebracht; denn der Besuch von Wirtshäusern an diesem Abende wurde als unchristlich betrachtet.

Erst am zweiten Tage war das gestattet. An demselben wurden vorzugsweise Turniere und Wettrennen gehalten. Was nur irgend reiten konnte, saß zu Pferde und machte seinen „Stephans-Ritt“.

Am dritten Tage endlich, am Johannestage, wurde der Wein des letzten Sommers getrunken; er hatte sich bis dahin so geklärt, daß er die Herzen der Anpflanzer erfreuen konnte.

(aus: „Münstersches Sonntagsblatt“ 1883; nach: Blütenkränze auf die Festtage Gottes und seiner Heiligen, herausgegeben von Reinhold Albers; ersten Teiles erster Band: Die gebotenen Festtage des Herrn; Paderborn, 1890; Druck und Verlag der Bonifatius-Druckerei)


Foto: Heike Hannah lux

Konfraternität 2019

Aufnahme in die Konfraternität 20.10.2019:

Vorwort zum Oktober-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

nun stehen wir bereits im Herbst dieses Jahres im Herrn 2019, einer Jahreszeit, die auch Sinnbild ist für das baldige Lebensende des Menschen hier auf der Erde. Zu Beginn des Monats Oktober feiert die Kirche jene von Gott geschaffenen Reinen Geister, die dem Menschen während seiner gesamten Lebenszeit zum Schutz an die Seite gestellt werden: die Heiligen Schutzengel!

Wie schön schreibt Pius Parsch: „Die Kirche lebt im Reiche der Übernatur und darum ist sie mit den Geistern der Übernatur, den Engeln, wohl vertraut. Wir brauchen bloß das Ordinarium der Messe zu verfolgen und wir werden immer wieder den Engeln begegnen, sei es, daß wir sie als gegenwärtig wissen, sei es, daß wir ihre Lieder singen (Gloria, Sanctus), sei es, daß wir sie in ihrem Gottes- und Menschendienst bewundern. Heute aber will uns die Kirche eine besonders liebliche Offenbarung der göttlichen Fürsorge für uns Menschen feiern lassen, jene nämlich, daß Gott für jeden von uns einen eigenen Schutzgeistbestellt hat, der uns durch das Leben begleitet von der Wiege bis zum Grabe, das Schutzengelfest; es ist wohl noch nicht alt; und doch ist es sehr populär. Eigentlich ist es die Erweiterung des ältesten Engelfestes, des Erzengels Michael. Diesen haben wir als Schutzengel der Gesamtkirche gefeiert“ (2019 am 29. September).

(aus: Das Jahr des Heils, 10. Auflage 1932, Band 3, Seite 632)


Foto: Heike Hannah Lux

Vorwort zum August-/September-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

diese Ausgabe unseres Regionalbriefes erscheint, wie in jedem Jahr, zusammen mit dem „Informationsblatt“ als Doppelnummer für August und September zusammen. Daher finden Sie im hinteren Teil des Rundbriefes auch die Gottesdienstordnung für beide Monate. Zu Beginn setzen wir den Beitrag Joseph Ratzingers fort. Es schließen sich die Ausführungen des Prälaten Pfeil an, über den Glauben des katholischen Christen ans Jenseits.

Ihnen von Herzen eine gute Zeit und sollten Sie in Urlaub gehen gute Erholung!

Mit Segensgruß, Ihr

Pater A. Fuisting


Foto: Heike Hannah Lux

Zum 5. Sonntag nach Pfingsten

(14.07.2019) / von Pater Marc Brüllingen

Erneut ist im heutigen Evangelium (Mt 5,20-24) die Rede von der Nächstenliebe. Es sind ernste, strenge Worte, die der Heiland an die Adresse der Pharisäer und Schriftgelehrten richtet. In der äußerlichen Erfüllung des Gesetzes, der peinlichen beobachtung all der bestimmungen der jüdischen Moral- und Ritualvorschriften sahen sie die „Gerechtigkeit“, die wahre Heiligkeit und höchste Vollkommenheit.

Dabei war ihr Herz voller Arglist, Bosheit und Falschheit, voller Grimm und Rachsucht gegen alle, die sie als ihre Feinde ansahen, besonders gegen den verhaßten Galiläer. Ihm, der sie bis auf den Grund ihrer heimtückischen Seele erkannte und durchschaute und sich auch nicht scheute, sie vor allem Volke anzuprangern, wie sie’s verdienten, hatten sie unversöhnliche Feindschaft geschworen!

So verstehen wir denn die Warnung Jesu an das Volk: „Wenn euere Gerechtigkeit nicht vollkommener ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen!“ Man muß eben die Mentalität, die ganze geistige Verfassung der damaligen Juden, insbesondere der Pharisäer und Schriftgelehrten richtig kennen, um den Sinn dieser Worte voll und ganz zu erfassen.

Wer den Haß gegen den Feind zum obersten Gesetze macht, der sieht alles als erlaubt an, jedes Mittel, den Feind zu verderben, die Rache zu kühlen: List, Heuchelei, Verstellung, Lüge und Verleumdung. Wie meisterhaft haben eben dieselben Pharisäer und Schriftgelehrten diese „Kunst“ verstanden, als es galt, ihren größten Feind, Jesum von Nazareth, zu Fall zu bringen!

So werden auch die Worte umso verständlicher, die Christus zur Erläuterung und zur Illustrierung des Gesagten beifügt: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden: Du sollst nicht töten! Wenn einer tötet, ist er dem Gericht verfallen. Ich aber sage euch: Wer über seinen Bruder zürnt, ist dem Gerichte verfallen!“

Wie weit strenger ist doch seine Forderung wahrer Nächstenliebe! Nicht bloß die Tat, nein, auch schon der Gedanke und der Wille, dem Nächsten zu schaden, ist eine Sünde. Und er geht noch weiter: Selbst jedes Schimpfwort, jede Beleidigung und Kränkung des Mitmenschen verdient Strafe Gottes! Sind doch alle Menschen unsere Brüder, weil Gott unser aller Vater ist, der im Himmel wohnt!

Und so ergibt sich daraus von selbst die Mahnung aus dem Munde Jesu: „Wenn du also deine Gabe zum Altare bringst und dich daselbst erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so lasse deine Gabe dort vor dem Altare und gehe hin, versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe!“

Wichtiger noch und wohlgefälliger als die Opfergabe, das will der Heiland besagen, ist in den Augen Gottes, des Allwissenden und Allgerechten, die Erfüllung seines Gebotes: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst! Er, vor dessen allgegenwärtigem Auge nichts verborgen ist, der Herz und Nieren durchforscht und hineinschaut bis in die geheimsten Falten der Seele, sieht vor allem auf die Gesinnung des Herzens und spricht danach sein Urteil über den Menschen.

Und dies sein Urteil bleibt unabänderlich, unwiderruflich. Denn vor Gott dem Herrn gilt kein Ansehen der Person. Was immer der Mensch Böses denkt und sagt von seinem Nebenmenschen, was er gegen ihn tut und unternimmt, findet seinen strengen, unerbittlichen Richter, wenn nicht hienieden schon, so doch in der Ewigkeit!

Wie der göttliche Heiland dies sein Gebot verstanden haben will, hat er unzweideutig erklärt: „Ihr wisst, daß den Alten gesagt wurde. Hasset eure Feinde! Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde! Tut Gutes denen, die euch hassen, betet für jene, die euch verfolgen und verleumden, damit ihr Kinder dessen seid, der seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte!“

Wer Haß und Feindschaft im Herzen trägt wider seinen Nächsten, belügt sich selbst, wenn er zum Vater betet, der im Himmel ist: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ Derjenige, der diese Bitte uns gelehrt, hat uns durch sein Beispiel gezeigt, wie sie auch in die Tat umzusetzen ist, dadurch, daß wir dem Nächsten von Herzen verzeihen. Denn nur dann dürfen wir auch Vergebung erhoffen für unsere eigenen Sünden.

An Großmut läßt sich Gott wahrlich von niemandem übertreffen. Und nur wer großmütig verzeiht, ist seiner auch würdig. Darin unterscheidet sich das Christentum vom Heidentum, dem alten und neuen, sowie den anderen Religionen, auch der jüdischen, daß es die Religion der Liebe und Versöhnung ist: „Daran sollen sie euch erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe!“

(nach: August Schmidlin, Empor die Herzen – Lesungen für die Sonn – und Festtage des Kirchenjahres; 1941, Verlagsbuchhandlung zum Münster, A.G., Straßburg)

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