von P. Bernhard Gerstle
Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, feiern wir das Fest des hl. Apostels Thomas. Man nennt ihn auch den „ungläubigen Thomas.“ Er hatte das Pech, dass er fehlte, als Jesus erstmals seinen Jüngern und Aposteln erschienen war. Als die Jünger ihm voll Freude sagten „Wir haben den Herrn gesehen!“, entgegnete er ihnen: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25)!
Das ist die typische Antwort eines Skeptikers. Das andere Extrem sind die Leichtgläubigen. Sie neigen dazu, sofort auch den größten Unsinn zu glauben. Wenn ich ehrlich bin, dann sind mir die Skeptiker lieber. Was geistert heutzutage nicht alles an Unsinn durch die Medien, sowohl in politischer als auch in religiöser Hinsicht! Da würde ich mir auf jeden Fall „mehr Thomas“ wünschen. Freilich war seine Reaktion auf den Bericht der Erscheinung Jesu nicht vorbildlich. Und er wurde ja auch vom Herrn dafür getadelt. Doch genauso wunderbar war seine Reaktion, als Jesus ihm erschien und ihn bat seine Hand in seine Seite zu legen. Demütig ging er auf die Knie und sprach die wunderbaren Worte: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28)!
Professor Spindelböck kommentiert dieses Bekenntnis folgendermaßen:
“Sagen wir nicht, Thomas hätte nach dieser Begegnung nicht mehr glauben müssen. Ja, er hat Jesus gesehen in seiner verklärten Menschheit und darum an ihn geglaubt! Er glaubte aber an Jesus nicht als bloßen Menschen, sondern er bekannte, vom Heiligen Geist ergriffen und erleuchtet: „Mein Herr und mein Gott!“ Die Gottheit Jesu Christi ist ihm im Glauben aufgeleuchtet. Sein Herz war fähig, über das Sichtbare vorzudringen zum Unsichtbaren und Göttlichen.”
Wir dürfen Thomas und dem Evangelisten Johannes, der dies niedergeschrieben hat, für dieses Glaubenszeugnis überaus dankbar sein. Es zeigt einmal mehr, dass die Apostel keine Tagträumer gewesen sind. Vielmehr waren sie sehr realistisch und ausgestattet mit einem gesunden Menschenverstand. Sie kamen ja aus eher einfachen Verhältnissen. Mit harter Arbeit haben sie ihr Brot verdient. Das waren gestandene, aufrichtige Männer. Als der Erzengel Gabriel Maria erschien und die Menschwerdung Gottes verkündete und ihr mitteilte, dass sie den Sohn Gottes empfangen und gebären sollte, da stellte die hl. Gottesmutter die völlig berechtigte Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne (Lk 1,34)?“ Auch sie erwartete vom Engel eine plausible Erklärung. Wir dürfen ebenfalls Gott so manche Frage stellen und im Gebet oder durch Fügung auf eine Antwort hoffen. Freilich steht über all diesen Fragen, was der Erzengel Gabriel Maria als Antwort gab: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich (Lk 1.37)!“ Das muss uns zuweilen als Erklärung genügen und es ist die einzige Antwort, welche wir Ungläubigen geben können, wenn sie uns beispielsweise kritisch darauf ansprechen sollten, wie das möglich sein soll, dass die Mutter Jesu zugleich Jungfrau war, vor, in und nach der Geburt.