Herrschaft oder Dienst?

von Hannah Lux


Wenn ich mir die Diskussionen über kirchliche Themen anhöre, die seit Langem immer wieder aufkommen, geht es häufig darum, der Kirche Machtausübung vorzuwerfen – Machtausübung durch eine rein männliche oder zumindest männlich dominierte Hierarchie. Von vielen Seiten wird Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Kirche nicht demokratisch organisiert ist und dass nicht alle Mitglieder dieselben Aufgaben übernehmen können.

Nochmals neuen Auftrieb hat diese Diskussion in letzter Zeit bekommen durch den „Synodalen Weg“ und die Aktivistinnen von „Maria 2.0“, die den Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern fordern.

Selten höre ich dabei etwas davon, dass jeder Mensch eine andere einzigartige Berufung hat und dass er auf Ergänzung angewiesen ist. Die Gaben wie die Begrenzungen, das Geschlecht und die Lebensumstände sind Teil dieser Einzigartigkeit jeder Berufung. Diese Umstände öffnen einige Türen und schließen andere zu. Ein 2-Meter-Hüne hat es ja auch leichter, im Basketballteam seinen Platz zu finden als auf dem Rücken eines Rennpferdes – und wenn er noch so gerne Jockey wäre.

Das biblische Bild von der Gemeinde Christi als Leib mit unterschiedlichen Gliedern und Organen macht es deutlich: Die Kirche kann nur aufgebaut werden im gegenseitigen Dienst mit den je eigenen Gaben im je eigenen Stand. Von diesem Dienst hört man allerdings nur selten etwas in den Diskussionen, „Dialog“angeboten und Themenpapieren.

„Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer. Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten; und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und bei den unanständigen achten wir besonders auf Anstand; denn die anständigen brauchen’s nicht.

Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“
(1. Korintherbrief 12, 20-26)

Als Laie nehme ich sehr viel häufiger „Dienst“ in Anspruch, als dass ich wirklich Herrschaft begegne:

  • Wenn ich um eine Segnung bitte, nehme ich Dienst in Anspruch
  • Bei der Beichte nehme ich Dienst in Anspruch
  • Beim Empfang der Sakramente nehme ich Dienst in Anspruch
  • Selbst wenn ich Führung und Leitung erfahre, nehme ich Dienst in Anspruch
  • Als Glied der Kirche erfahre ich auch den Dienst des Papstes. In seinem hohen Alter könnte er auch ein weniger anstrengendes und Disziplin forderndes Leben haben, als sich ganz der Leitung der Kirche zu widmen.

Ist das Klerikalismus? Den sehe ich eher bei der Fixierung auf die Leitungsgewalt der geweihten Ämter, die aber doch viel eher Dienstämter sind.

Ich frage mich, ob diese Sichtweise nicht auch und hauptsächlich daher kommt, dass Viele gerade diese Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen.

Bezogen auf die Frage nach der Frauenordination antworte ich daher oft (etwas augenzwinkernd):

Die Kirche – als Braut Christi – ist weiblich.
Es ist nur recht, dass die Männer ihr dienen.

Und die Laien? Sie könnten eigentlich die Priester mit ihren Begabungen unterstützen, so wie die Priester die Laien unterstützen können in ihrer geistlichen Bildung und ihrem geistlichem Leben. Mir kommt es aber manchmal so vor, als seien hauptsächlich die Dienste gefragt, die bezahlt oder beachtet werden. Von echter gegenseitiger Ergänzung ist wenig zu sehen.

„Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“
(1. Korintherbrief 12, 24b-26)


Fotos aus dem Bode-Museum, Berlin | Heike Hannah Lux

Zum CHRISTKÖNIGSFEST

von P. Marc Brüllingen


„In jener Zeit sprach Pilatus zu Jesus: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das aus dir selbst, oder haben es dir andere von mir gesagt? Pilatus erwiderte: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überliefert. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so würden gewiß meine Diener für mich streiten, und ich wäre nicht den Juden ausgeliefert worden. Nun aber ist mein Reich nicht von hier. Da sprach Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Ja, ich bin ein König. Dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ (Joh 18, 33-37)

Die Worte Jesu enthalten ein Doppeltes. Einmal das Bekenntnis seiner königlichen Größe und seines Reiches, das nicht von dieser Welt ist und darum alle Reiche dieser Welt überragt. Die Worte sind aber auch ein Appell an das Gewissen des Pilatus. Jesus ist gekommen als Zeuge der Wahrheit. Darum steht er zu seinem Königtum, auch wenn es ihn das Leben kostet. Wenn es Pilatus nun wirklich um die Wahrheit zu tun ist, wird er innerlich die Stimme Christi als die Stimme der Wahrheit und damit als Stimme Gottes erkennen.

Aber Pilatus weicht aus mit dem halb skeptischen, halb ironischen Wort: Was ist schon wahr, was ist Wahrheit? Immerhin ist ihm jetzt die Unschuld des Angeklagten eindeutig klar. Er will ihn freigeben. Das Licht leuchtet in der Finsternis. Um aber die Juden einigermaßen zu besänftigen und zu befriedigen, will er ihnen einen Bandenführer, der durch Mord und Totschlag ins Gefängnis gekommen war, freilassen.

Neben dem Königtum Christi von Gott her steht hier der angemaßte Wille zur Macht eines Räubers und Mörders. Allein schon die Gegenüberstellung ist tiefste Demütigung. Aber Jesus ist so groß, daß menschliche Erniedrigung ihn nicht kleiner machen kann. Pilatus ist Vertreter äußerer Macht und Größe, ist aber innerlich ein schwacher und kleiner Mensch. Christus steht in menschlicher Ohnmacht vor ihm, ist aber der innerlich Große und Mächtige.

Die zweite Etappe ist, streng genommen, kein Verhör, sondern eine Mißhandlung Jesu. Pilatus hofft dadurch den Juden Genugtuung leisten zu können. So muß Christus die römische Geißelung ertragen und den Spott, den die Soldateska mit seiner königlichen Größe und Würde treibt. Aber die Mißhandlung verfehlt ihre Wirkung. Obwohl Pilatus nun Jesus in jämmerlichem Zustand dem Volk vorführt, verspürt dieses weder Mitleid noch irgendeine Regung des Gewissens, sondern gibt nur der Stimme des Hasses immer lauter und immer leidenschaftlicher Ausdruck in der Forderung der Kreuzigung.

Und doch steht auch in diesem Abschnitt das Wort: „Ich finde keine Schuld an ihm.“ Jesus spricht kein Wort. Sie wollen gewaltsam das Licht auslöschen. Es leuchtet trotzdem in der Finsternis. Im Schweigen und Dulden zeigt sich hier die seelische Größe Christi. Der körperliche Schmerz der Geißelung und der Dornen ist fast unerträglich. Und doch ist die seelische Qual größer. Sie verspotten sein Königtum. Die Finsternis hat es nicht erfaßt.

Die politische Klage hat bei Pilatus nicht verfangen. So greifen nun die Juden einen neuen Klagepunkt auf: Jesus hat sich zum Sohn Gottes gemacht.

Zwei Gestalten stehen sich gegenüber: Pilatus und Jesus. Pilatus erweist sich immer mehr als schwacher Mensch. Sieben Ausweichversuche unternimmt er. Fünf Unschuldserklärungen formuliert er. Trotzdem verurteilt er dann letztlich Jesus zum Tod. Die Behauptung, Jesus sei Sohn Gottes, weckt in ihm eine abergläubische Furcht. Und der Vorwurf: Du bist kein Freund des Kaisers, wenn du ihn freiläßest, trifft ihn persönlich und weckt die Menschenfurcht. So ist er im Tiefsten ein furchtsamer Charakter, wenn er auch die Furcht durch forsches Auftreten zu verbergen sucht. Ein kleiner Mensch, der in der großen, entscheidenden Stunde seines Lebens völlig versagt.

Jesus ist ganz anders. Er kennt das Ende des Prozesses und steht trotzdem in ruhiger Würde und Gelassenheit vor Pilatus. Er weiß, daß alles nach dem Willen des Vaters geschieht. Und so spricht er zu Pilatus auch furchtlos das Wort: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.“

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Johannes; Benziger Verlag Einsiedeln Zürich Köln, 1958)


Bild: Ikone Christus Pantokrator | Foto: Heike Hannah Lux

Zum 15. Sonntag nach Pfingsten (Lk 7, 11-17)

von P. Marc Brüllingen


»Bald darauf ging Jesus in eine Stadt namens Naim. Seine Jünger und viel Volk zogen mit ihm. Als er sich dem Stadttor näherte, wurde ein Toter herausgetragen, der einzige Sohn seiner Mutter, die Witwe war.Als der Herr sie sah, wurde er von Mitleid mit ihr erfüllt und sprach zu ihr: „Weine nicht!“ Dann trat er hinzu und berührte die Bahre. Die Träger blieben stehen, und er sprach: „Jüngling, ich sage dir, steh auf!“ Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen, und er gab ihn seiner Mutter zurück. Furcht ergriff alle. Sie priesen Gott und sprachen: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden. Gott hat auf sein Volk herabgeschaut.“ Und die Kunde von ihm verbreitete sich im ganzen Judenlande und in der ganzen Umgegend.«

Es war ein Zeichen göttlicher Macht, als Jesus durch seinen bloßen Willen den Knecht des römischen Hauptmannes heilte. Aber nun steht er vor einer wirklich hoffnungslosen Situation. Ein junger Mensch ist tot. Er ist das einzige Kind seiner Mutter, und diese ist Witwe. Hier sind somit alle Fäden zerrissen. Es denkt auch keiner an Hilfe. Die Mutter, die hinter der Leiche schreitet, ist so völlig in ihr Leid verloren, daß sie nichts mehr denken und hoffen kann. Das Volk rüstet sich auf das Begräbnis. Was kann man sonst tun? Auch die Jünger denken nicht daran, sich an Jesus zu wenden; denn ein Toter ist nicht nur ein entblätterter, sondern ein entwurzelter Baum. Da gibt es keine Hilfe.

So geht denn hier die Initiative ausschließlich von Jesus aus. Er hat Mitleid, d. h. er leidet mit dem Leidenden. Und so will er helfen. Der römische Hauptmann hat die Befehlsgewalt Jesu betont. Von dieser Gewalt macht Christus hier Gebrauch. Er befiehlt dem Toten: „Ich sage dir, steh auf!“ Etwas Majestätisches, Herrisches liegt in diesem Wort. „Ich sage dir.“ Christus beruft sich nicht auf einen andern, bittet nicht den Vater im Himmel, sondern beruft sich auf sich selbst, auf sein eigenes Wollen und seine eigene Macht. Sein bloßes Wort, sein befehl „steh auf“ ruft den Toten zum Leben zurück. Das Wunder dieser Totenerweckung ist etwas derart Unerhörtes, daß ein Schrecken die Umstehenden befällt. „Furcht ergriff alle.“ Sie haben Glauben, denn sie preisen Gott, sind überzeugt, daß Gott sein Volk heimgesucht hat, d.h. daß er in seinem Volke wieder Zeichen und Wunder seiner Macht wirkt.

Und doch ist dieser Glaube noch ungenügend. Er stößt nicht bis zum eigentlich Entscheidenden vor. Das Ergebnis ist nur: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden.“ Sie erfassen im Glauben das eigentlich göttliche Wesen Jesu nicht, und so stehen diese Juden hinter dem römischen Heiden zurück. Wenn Jesus nur ein großer Prophet ist, dann ist durch ihn nichts wesentlich Neues geschehen. Dann bleibt alles auf der bisherigen Ebene Israels, in dessen Mitte von Zeit zu Zeit immer wieder Propheten aufgestanden sind. Es wird dann einfach die prophetische Linie verlängert. Es ist Erneuerung, nicht etwas Neues. Gott hat dann nicht selbst und persönlich und unmittelbar sein Volk heimgesucht, sondern er hat nur, wie früher auch schon, einen Boten gesandt und also durch Vermittlung seinem Volk geholfen. Während doch in Wirklichkeit mit Jesus das entscheidend Neue geschieht, ein Abschluß alles Bisherigen und ein Anfang von etwas ganz Anderem.

Die Juden haben also Glauben, aber nicht den eigentlich richtigen. Sie preisen Gott, aber sie erkennen seine eigentliche Größe zu wenig. Die Totenerweckung sollte ihnen zeigen, daß nun neues Leben aufbricht, weil der Herr über Tod und Leben in ihrer Mitte steht.

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Lukas I, Bonner Buchgemeinde, Benziger Verlag Einsiedeln Zürich Köln; 1954)

Gemeinschaft der Heiligen in Zeiten der Pandemie

von Hannah Lux


Dieses Jahr war alles anders, aber damit sage ja ich niemandem etwas Neues. Schon die Fastenzeit kam mir teilweise vor wie ein wochenlanger Karsamstag – kein Sakrament, keine Liturgie, zumindest keine direkte Teilnahme. Zu Ostern haben dann sogar einige Veröffentlichungen behauptet “Ostern fällt aus”. Aber Ostern ist nicht ausgefallen.

Nach und nach gab es immer mehr Möglichkeiten, sich wenigstens mit Hilfe von (Internet-)Übertragungen mit dem Gebet und der Liturgie der Kirche zu verbinden. Ich habe das auch als eine schöne Möglichkeit empfunden, die Liturgie anderer Traditionen ohne große Hemmschwelle zu „besuchen“.

Zwar haben ein paar Liturgie­wissenschaftler die Hl. Messe ohne Anwesenheit der Gläubigen als „Geistermessen“ diffamiert, ein Diözesanbischof meinte sogar, von einer ungesunden „Eucharistiefixiertheit” sprechen zu müssen, aber viele Priester und Gemeindeleitungen haben ihre Gläubigen nicht im Stich gelassen.

Am Palmsonntag habe ich z.B. von zuhause aus die Liturgie der Armenischen Gemeinde hier in Köln verfolgt – mit Tablet und Liturgiebuch –, außerdem noch die Übertragung eines Gebets am Nachmittag. Weil ich davon ausgegangen bin, in diesem Jahr keine gesegneten Palmzweige zu bekommen, musste ein kleines Ästchen meines Olivenbaumes als Stellvertretung herhalten.

Am Karfreitag konnte ich morgens eine Beichtgelegenheit wahrnehmen und hatte dort auch die Möglichkeit, mit einem kurzen Ritus die hl. Kommunion zu empfangen – zum ersten Mal seit einigen Wochen. Am Nachmittag habe ich als Teil der Oekumenischen Choralschola Köln mitgewirkt an einer Karfreitagsliturgie, die ebenfalls online gestellt wurde.

In der Osternacht habe ich mich wieder aus der Ferne mit der Liturgie der Armenischen Gemeinde verbunden. Am Ostersonntag konnte ich in Maria Hilf die Osterkommunion empfangen und die Osterspeisen segnen lassen. Zu einer gesegneten österlichen Kerze bin ich dabei auch noch gekommen.

Letztlich konnte ich in der Kar- und Osterwoche sehr viel mehr „Handfestes“ empfangen und erleben, als ich es mir vorher gedacht hätte. Im letzten Jahr wären das alles noch Selbstverständlichkeiten gewesen.

Auch wenn mittlerweile wieder öffentliche Gottesdienste – mit Auflagen – möglich sind, gibt es glücklicherweise immer noch auch die Möglichkeit, der Liturgie per Streaming zu folgen. Selten habe ich so sinnfällig wie gerade jetzt wahrgenommen, dass das Lob Gottes nicht begrenzt ist durch Ort, Sprache, Kultur, Nationalität und auch nicht durch die derzeitigen Umstände.

Als ich im Mai zu einer orthodoxen Diakonenweihe eingeladen war, habe ich an der dortigen Gestaltung der Platzmarkierungen besonders deutlich das Bewusstsein dafür sehen können, dass wir die Liturgie mit dem ganzen Himmel feiern. Da, wo wegen der Abstandsregeln Bankreihen gesperrt waren, nahmen Ikonen den Raum ein, wo sonst die Gläubigen sitzen.

Mein persönliches Fazit aus dieser Situation:

  1. Vielleicht macht gerade die jetzige Situation besonders deutlich, dass wir Liturgie nie nur mit den uns gerade umgebenden Menschen feiern, sondern immer in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche und der himmlischen Wirklichkeit – letzteres ganz ohne Abstandsregeln und Infektionsgefahr.
  2. Ich bin dankbar für alle Priester, die auch ohne die terminliche Verpflichtung fest geplanter Gottesdienste treu bleiben in der Feier der göttlichen Geheimnisse.
  3. Ich bin dankbar für die technischen Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben – und für den Mut, damit zu experimentieren, um die Gläubigen nicht allein lassen zu müssen.
  4. Auch wenn einige Stimmen gestreamte Liturgien als Geistermessen diffamieren und lieber „kreative Rituale“ der Laien zuhause hätten – das persönliche Gebet ist essentiell, aber die Rückbindung an das Gebet und die Liturgie der Kirche sind es genauso. Ansonsten steht man evtl. nur auf einem Bein. Am sichersten steht man aber, wenn beide „Beine“ gut ausgeprägt sind. Auch in dieser besonderen Situation!
  5. Ich bin dankbar, dass so viele Möglichkeiten gefunden wurden, den Gläubigen schließlich doch noch Sakramente zu spenden und dass auch die Sakramentalien nicht zu kurz kamen. Wir sind eben doch nicht nur Geist, sondern auch Leib. – Für den Leib wurde im Übrigen auch dadurch Sorge getragen, dass überall große Umsicht geherrscht hat, damit es bei all dem nicht zu Ansteckungen kommt.

Fotos: Heike Hannah Lux

Pfingsten 2020

Pfingstvigil mit Taufwasserweihe

Pfingstsonntag

Zum Pfingstmontag

von P. Marc Brüllingen


„In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewige Leben habe. Gott hat Seinen Sohn in die Welt gesandt, nicht damit Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde. Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes nicht glaubt.

Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt kam und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht, da ihre Werke böse waren. Denn jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Lichte, damit seine Werke nicht gerügt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Lichte, damit seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott getan.“ (Joh 3, 16-21)

Die Reflexion des Evangelisten: Zwei große Erkenntnisse ergeben sich aus dem Heilsplan, den Jesus entwickelt hat.

Die erste ist die Tatsache der unendlichen Liebe Gottes. Sie zeigt sich darin, daß er seinen einziggeborenen Sohn für die Welt hingegeben hat, Gott will nicht den Tod, das Verlorengehen der Menschen, sondern will ihnen ewiges Leben schenken. Darum ist der Sohn nicht gekommen zu richten, sondern zu retten. Die Herrschaft Gottes im Reich Gottes zeigt sich also in der Liebe Gottes. Gott gebraucht seine Macht zum Helfen, weil sein innerstes Wesen die Liebe ist. Aber gerade darum will Gott die Menschen nicht zwingen, sondern, das ist die zweite Erkenntnis, der Mensch soll in freiem Jawort zu dieser Liebe das Heil erlangen.

Darum scheiden sich die Geister im Glauben und im Unglauben. Wer das Böse will, flieht das Licht. Er ist verschlossen, unempfänglich, er sucht nur sich selbst und will darum nicht, daß seine innerste Gesinnung sichtbar werde. Er mißbraucht seine Freiheit, um zu Gott nein zu sagen. Er wird infolgedessen streng genommen gar nicht gerichtet, sondern er richtet sich selbst, weil er seinem Leben die Richtung von Gott weg gibt.

Der gläubige Mensch dagegen öffnet sich Gott, nimmt das Licht von oben an. Was er tut, tut er in Gott. Er gibt allem die Richtung auf Gott hin. So ist er ein Geretteter. Er wünscht nichts anderes, als daß diese Wahrheit offenbar werde, denn es ist die Wahrheit, die Gott verherrlicht, das Ende ist für ihn darum nicht das Gericht, sondern das Aufstrahlen der Herrlichkeit Gottes.

So sind die Menschen vor die Entscheidung gestellt. Sie entscheiden sich zwischen Glauben und Unglauben und damit zwischen Licht und Finsternis. Wer sich für Gott entscheidet, wird durch dessen Sohn in die Kindschaft aufgenommen. Wer sich nicht für Gott entscheidet, hat am Sohn keinen Anteil. Er bleibt in sich selbst eingeschlossen und darum von Gott und seinem Reich ausgeschlossen.

Das ist die Krise, das Gericht, das durch das Kommen Gottes in Christus seinen Anfang genommen hat und das jeden Menschen vor die Entscheidung stellt, bis einmal im öffentlichen Endgericht diese Entscheidung eines jeden einzelnen sichtbar wird. Dann ist Gott in Christus die Ehre gegeben. Dann erst ist der Heilsplan voll verwirklicht und ist die Nikodemusfrage nach dem Heil und dem Reiche Gottes endgültig beantwortet.

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Johannes; Benziger Verlag Einsiedeln-Zürich-Köln, 1958)

Maria Magdalena am Ostermorgen

von P. Marc Brüllingen


Ohne Jesus: Früh morgens eilt Maria Magdalena zum Grab. An sich ist Ihr Tun menschlich gesehen sinnlos. Das Grab ist durch einen schweren Stein verschlossen. Was will sie als Frau vor diesem leeren Grabe tun? Aber die Liebe fragt nicht nach Sinn und Verstand. Sie ist eine Kraft, die vorwärts drängt und vorwärts treibt, ohne sich um Hindernisse und Hemmnisse zu kümmern. In Wirklichkeit ist der Stein weggewälzt, aber das Grab ist leer. Was soll sie im Leben ohne Jesus? Er ist das Geheimnis und der Inhalt ihrer ganzen Existenz geworden. So steht sie bloß weinend da.

Wer einmal erfaßt hat, was Christus ist, kann nicht mehr ohne ihn leben. Es würde alles grau, leer und sinnlos. Sie stellt für alle Menschen nun die Frage nach Jesus. Kann sie im Leben nicht mehr ihre Liebe bezeugen, dann kann sie wenigstens für eine würdige Bestattung sorgen, d.h. ihn zurücktragen, seinen Leib salben und einbalsamieren.

Millionen leben ohne Christus. Sie haben es nie erfaßt und erfahren, wie das Leben mit Christus ist. So spüren sie die Leere nicht. Sie haben Ersatzprodukte, an die sie sich halten können und die über das Vacuum hinwegtäuschen. Wer aber einmal erfaßt und erfahren hat, was der Gottmensch ist, kann durch nichts anderes mehr befriedigt und ausgefüllt werden. darum ist der Ungläubige, der einmal gläubig war, die traurigste Existenz. Er ist wie ein erloschener Krater, wie eine verblühte Blume, eine ausgeblasene Kerze.

Mit Christus: Jesus zeigt sich Magdalena. er erscheint mit verklärtem Leib. Aber ihr Schmerz ist so groß, daß sie ihn nicht erkennt. Erst wie er sie beim Namen nennt, fällt der Schleier. Denn so wie er spricht nur einer. So beim Namen rufen kann nur er. Der Anruf Gottes hat etwas Unwiderstehliches, lockend und fordernd zugleich. Seine Stimme ist nicht zu überhören. Sie ist bisweilen erschreckend, meist beglückend.

Diesmal ist es eindeutig Klang der Liebe. Darum ist auch die Antwort Magdalenas liebende Hingabe. Sie wirft sich dem Herrn zu Füßen und umklammert ihn, um ihn nicht mehr loszulassen, bis er sie mahnt mit dem Hinweis darauf, daß er ja noch nicht auffährt zum Vater im Himmel, daß sie ihn also noch besitzen kann, auch in seiner Sichtbarkeit. Auch hier ist der Anruf zugleich mit einer Sendung verbunden. Das Hin zu Christus ist zugleich ein Hin zu den Brüdern Christi. Es gibt keinen religiösen Egoismus. Was der Mensch empfängt, soll er weitertragen. Er soll Glocke sein, die läutet, Welle, die rauscht, Sturm, der mitreißt. Wegweiser und Führer zu Christus. Sendung ist wesentlich.

Eine Frau ist die erste, die zum Grabe kommt, die erste, die das Grab leer findet, die erste, der Jesus erscheint. Aber sie soll nicht selber hingehen und predigen, sondern sie soll die Jünger aufmerksam machen, deren Aufgabe nun die Verkündigung ist. Frauendienst ist diskret, zurückhaltend, aber deshalb nicht weniger wichtig als der im Vordergrund stehende, sichtbare und hörbare Dienst der Männer. Nur wo beides richtig zusammenklingt, ist die rechte Ordnung, wie Christus sie will. Es wäre falsch, den Frauen jede Sendung in der Kirche und an die Kirche absprechen zu wollen. Heilige verschiedenster Jahrhunderte haben das Gegenteil bewiesen. Es wäre aber ebenso falsch, den Frauen in der Kirche, besonders in der kirchlichen Lehre, die Führung zu überlassen. Sie gebührt nach Christi Willen den Männern. So ist eine Frau die erste, die den Auferstandenen schaut und damit das Glück des neuen Äons verkostet. Aber sie tritt nicht öffentlich auf, sondern bringt die Botschaft den Jüngern, überläßt es ihnen, den rechten Weg zur Verkündigung zu finden. Von solchen Szenen des Evangeliums hat die Kirche ihre Haltung gelernt und ist ihr treu geblieben durch die Jahrhunderte.

(nach: Richard Guzwiller, Meditationen über Johannes, Benziger Verlag Einsiedeln Zürich Köln, 1958)


Bild: Ikone Maria Magdalena | Foto: Heike Hannah Lux

Ostervorbereitung und Karwoche unter erschwerten Bedingungen

Samstag vor Palmsonntag – Gelegenheit zu Beichte und stiller Anbetung

Kardienstag – Gelegenheit zu Beichte und stiller Anbetung

Karfreitag – Gelegenheit zu Beichte und stillem Gebet vor dem Kreuz

Christa Meves zur aktuellen Situation

Europa ist aufgeschreckt. Eine Pandemie – von China importiert – hat sich eingenistet, wirft dunkle Schatten und lähmt unsere Betriebsamkeit. „Corona“ heißt sie, benannt nach einer heiligen Frau, die in der Seuchenzeit des Mittelalters verehrt wurde, weil sie einst ihrem Glauben mehr Gewicht geschenkt hat als ihrem Leben. Ist bereits der Name des Virus ein Zeichen für seine gefährliche Art? Groß ist die Schar der Fragenden. Die einen meinen, die Maßnahmen seien ein böses Kalkül zur Schwächung unserer Wirtschaft, andere barmen um die rasche Erstellung eines wirksamen Impfstoffes, weitere vermuten, es handle sich um eine letzte Warnung unseres Gottes vor seinem Reinigungsgericht, vor seinem „Tag des Zorns“.

Sollten wir jedenfalls nicht auch einmal hineinfragen, in die Offenbarungen des Johannes, in denen von ihm unsere Zukunft in symbolischen Bildern als Endzeit dargestellt ist? Dort werden z. B. die Etappen des Reinigungsgerichts in vier Reitern auf vier farbigen Pferden beschrieben. Auf dem vierten dieser Pferde, einem falben, also auf einem bleichen Gaul sitzt ein uns alle bedrängender Reiter: der Tod. (Off 6/7). Schon diese Farbe drückt das also aus. Zu Zeiten des Mittelalters bereits galt sie als die Leichenfarbe, ja, sie wurde damals sogar als die Farbe der Seuchen bezeichnet.

Und dann wird weiter im Text des Johannes geschrieben, in welcher Weise der Tod hier gemeint ist: „Und das Totenreich war sein Gefolge.“ Was das heißt, wird unverzüglich erklärt: Es „wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Pest …“ Und mit diesen ausführenden Mächten sind die Gewalten der Natur in uns Menschen (als epidemische Krankheiten und als Aggressionen) wie auch als   Naturgewalten draußen (als Erdbeben, Tsunamis und  Vulkane) gemeint. Das bedeutet das große „Komm“ der vier “lebendigen Wesen“, die von Anfang an als Grundelemente von Gottes Schöpfungsordnung – als ausführendes Element des Reinigungsgerichts – beschrieben sind.

Lässt sich dieser geheimnisvolle Passus auf unsere Virus-Situation heute beziehen? Scheint nun bei uns  die Ahnung einer Gefährdung des Lebens als Angst bei einer großen Menge von Menschen anzukommen? Jedenfalls werden aus solchen Gründen unsere Lebensmittelgeschäfte z. Z. leer gekauft, ebenso die Apotheken und Drogerien.

Enthalten diese Fakten nicht auch Hinweise darauf, dass eine höhere Instanz mit im Spiele ist, Warnungen – wie auch ein Großteil der Klimaveränderungen – unseres allmächtigen, aber doch barmherzigen Gottes, wie sie für unsere Zukunft in den Berichten des Johannes in großer Zahl weiterhin beschrieben sind? Ist nicht auch dieses in globalem Ausmaß ratlos machende Virus eines der immer direkter und mächtiger werdenden Zeichen, damit die Menschheit  daraus tiefere Lehren ziehe? Gilt es nicht, über die jetzige Volksquarantäne hinaus einer anderen Lebensform den Vorrang zu geben, als sie in den letzten Jahrzehnten hier vorherrschend war? Werden wir z. Z. nicht geradezu mit der Nase hineingestoßen in ein Suchen nach mehr Dominanz des Miteinanders, in stärkere Einbindungen von Mensch zu Mensch, in mehr Verfestigung intakter, gesunder Familien und ganz besonders auch in eine Beachtung der Kinder in besser zusammenhaltenden Ehen, in mehr Rücksicht auf die Alten und Geschwächten, also in mehr verantwortungsbewussten Gemeinschaftsgeist?

Johannes mit seinen Visionen auf der Insel Patmos hat noch Direkteres in dieser Hinsicht parat, indem er uns einige Zeilen danach eine wahrhaftig für die heutige Zeit erschreckende Anklage übermittelt: „Und die übrigen der Menschen, die durch diese Plagen nicht getötet wurden, taten nicht Buße von den Werken ihrer Hände, dass sie nicht anbeteten die Dämonen und die goldenen und die silbernen und die kupfernen und die steinernen und die hölzernen Götzenbilder, die weder sehen noch hören noch gehen können. Und sie taten nicht Buße von ihren Mordtaten noch von ihren Zaubereien noch von ihrer Hurerei noch von ihren Diebstählen“ (Off 9/20).

Drängt es sich nicht auf, die großen Symbole, die dem Johannes hier in seiner Vision übermittelt werden, auch als Erscheinungen unserer Zeit zu verstehen, mit all dem vielen Aberglauben, der hier um sich gegriffen hat, mit falschen religiösen Vorstellungen, die den Menschen zum Heil, zum Frieden und zum Verstehen des wahren Glaubens nicht kommen lassen? Muss unser Leben in später Stunde nicht wirklich Fastenzeit werden? Muss unsere Oberflächlichkeit, unsere Trägheit und die Neigung zur Überheblichkeit, zu Hochmut, Verrat und Lügengeist nicht endlich bußfertig in unser Bewusstsein gestellt werden?

Quelle: Meves aktuell, Monat April 2020

Zum vierten Fastensonntag „Laetare“ (Joh 6, 1-15)

von P. Marc Brüllingen


Danach ging Jesus ans andere Ufer des Sees von Tiberias in Galiläa. Es folgte ihm eine große Volksmenge, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber stieg auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Ostern war nahe, das Fest der Juden. Als nun Jesus die Augen erhob und sah, daß eine große Menge zu ihm kam, sagte er zu Philippus: „Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese essen könne?“ Das sagte er, um ihn auf die Probe zu stellen, denn er wußte, was er tun wollte. Philippus antwortete:“Für zweihundert Denare Brot reicht nicht aus, damit jeder auch nur ein wenig bekommt.“ Einer von den Jüngern, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: „Es ist ein Knabe hier, der fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat, aber was ist das für so viele?“

Jesus sprach: „Laßt die Leute sich lagern.“ Es war viel Gras an dem Orte. Da lagerten sich die Männer, etwa fünftausend an Zahl. Jesus nahm nun die Brote, dankte, teilte sie aus an die, die sich gelagert hatten, ebenso auch die Fische, soviel sie wollten. Als sie satt geworden waren, sprach er zu den Jüngern: „Sammelt die übriggebliebenen Stücklein, damit nichts verdirbt.“ Sie sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit den Stücken der fünf Gerstenbrote, welche die Essenden übriggelassen hatten.

Als nun die Leute das Zeichen sahen, das er gewirkt hatte, sagten sie: „Das ist in Wahrheit der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Jesus merkte, daß sie kommen und ihn gewaltsam entführen und zum König machen wollten. Darum zog er sich zurück auf den Berg, er allein.

Die Haltung des Volkes. Damals: Die Haltung des Volkes ist weithin begreiflich. Dieses schlichte Volk war zwar an ein denkbar primitives Leben gewöhnt und war mit wenig zufrieden. Aber es litt doch unter dem Gegensatz, daß die einen von mühsamem Taglohn lebten oder einem kleinen Äckerlein mit wenig Humus in Sorge und Unsicherheit einen kärglichen Ertrag abrackern mußten und dabei immer in Angst vor Dürre und Trockenheit lebten. Geld hatte man wenig., denn der römische Unterdrücker, die eingeborenen Fürsten und der Kultus des Tempels schöpften mit ihren Steuern immer wieder die Hauptsache ab. Auf der andern Seite sah dieses Volk den Luxus der römischen Offiziere und ihrer Damen, das Leben voll rauschender Feste am Hof des Herodes und die Bevorzugung derer, die es verstanden, durch Schmeicheleien die Gunst der hohen Herren zu gewinnen. Das Gleichnis vom reichen Prasser und armen Lazarus zeigt die Situation in voller Deutlichkeit.

Gerade darum setzt das Volk seine Hoffnung auf den kommenden Messias. Er soll das Reich Davids wieder aufrichten in einem Land, das fließt von Milch und Honig, wo die Tiere also fette Weide finden und die Bienen den Honig in blühenden Gärten, im reichen Blumenschmuck sich dehnender Felder. Die Kunde, daß Jesus von Nazareth der Messias sei, und die Vermehrung des Brotes hat alle diese Hoffnungen neu geweckt und damit das Volk in einen Taumel der Begeisterung versetzt.

Heute würde es wohl ähnlich gehen. Jährlich verhungern Zehntausende von Menschen. Gewaltige Bevölkerungsmassen leben dauernd unter dem Existenzminimum oder an seiner äußersten Grenze. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit als Wirkung der technischen Prozesse droht da und dort, Streiks flackern auf, die Unruhe gärt in der armen Bevölkerung. Daneben stehen Menschen und Firmen mit Rieseneinnahmen, schütten gewaltige Dividenden aus, leben in einem Standard, der nicht mehr zu verantworten ist. So ist auch hier der Gegensatz scharf und schroff.

Ist es dann nicht begreiflich, daß die Volksmassen denen nachlaufen, die ihnen materielle Sicherheit und Wohlfahrt versprechen?

Die Haltung Jesu. Jesus weiß um die Not und Armut. Zur Welt gekommen in einem Stall, nach einer Jugend unter den Armen des Dorfes Nazareth, das Leben fristend mit der harten einförmigen Arbeit eines Dorfzimmermanns hat er die Not am eigenen Leib verspüren müssen. Darum kann er sagen „Mich erbarmt diese Volkes“. Und doch hat er in der Wüste es als teuflische Versuchung von sich gewiesen, Steine in Brot zu verwandeln, und ist auch jetzt in der Rede nach der Brotvermehrung unwillig über die Forderungen des Volkes. Es gibt Höheres als das Brot und Wichtigeres als die rein materielle Existenz. Ein gehobenerer Standard ist nichts weniger als identisch mit höherem Menschentum. Ein gefüllter Magen bewirkt oft einen entleerten Geist. Ein weichliches Leben bewirkt oft genug eine Verhärtung des Herzens. Brot und Spiel will das Volk, moderner formuliert: Wirtschaft und Sport. Jesus will nicht zuerst die materielle Sicherung und Besserstellung, sondern es geht ihm um das Reich des Vaters und die Empfänglichkeit dafür. Das besagt nicht, daß das Christentum für die zu kurz Gekommenen sei, wohl aber besagt es, daß zwar nicht ein Bettlerelend – Christus ist nie bettelnd durchs Land gezogen – aber ein Leben gelegentlicher Entbehrung und ein Leben der Einfachheit den Menschen vom Irdisch-Diesseitigen, Bloßmenschlichen löst und ihm den Weg freigibt zum Überirdisch-Jenseitigen, zu Gott. Darum das Wort des Herrn „Selig die Armen“ und das Wort des Magnificat „Die Hungernden füllt er mit Gütern, die Satten läßt er leer ausgehen“.

Aus diesem Doppelelement des Verständnisses für die Not des darbenden Volkes einerseits und für die größere Wichtigkeit des Reiches Gottes anderseits ergibt sich die klare, eindeutige Haltung Christi. Er hilft in der Not, doch es ist nicht seine eigentliche Aufgabe, und darum hilft er auch nicht immer. Er stillt aber den seelischen Hunger, und das immer. Auch hier wird wieder sichtbar, wie sehr das Irdische, in diesem Fall das Brot, Zeichen von etwas Geistigem, Überirdischem ist, in diesem Fall Christus selbst als das, was dem Menschen seelisch Genüge verschafft. Er ist Fülle und Erfüllung für alle diejenigen, die nur durch Unendliches ausgefüllt werden können.

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Johannes, Benziger Verlag, Einsiedeln Zürich Köln, 1958)

Sonntag Quinquagesima

(23. Februar 2020 – Evangelium: Lk 18, 31 – 43)
von Pater Marc Brüllingen


In jener Zeit nahm Jesus die Zwölf beiseite und sprach zu ihnen: „Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem: dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben. Er wird den Heiden ausgeliefert, verspottet, mißhandelt und angespien werden; man wird ihn geißeln und töten; aber am dritten Tage wird er wieder auferstehen.“ Allein sie verstanden nichts davon; diese Rede war für sie dunkel, und sie begriffen nicht, was damit gemeint war. –

Als er sich dann Jericho näherte, saß ein Blinder am Wege und bettelte. Als er das Volk vorbeiziehen hörte, fragte er, was das sei. Sie sagten ihm, Jesus von Nazareth gehe vorüber. Da rief er: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Die Vorausgehenden schalten ihn, er solle schweigen. Er aber schrie noch lauter: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Da blieb Jesus stehen und ließ ihn zu sich bringen.Als er herangekommen war, fragte er ihn: „Was soll ich Dir tun?“ Er antwortete: „Herr, daß ich sehe!“ Jesus sprach zu ihm: „Sei sehend, dein Glaube hat dir geholfen.“ Sogleich sah er, pries Gott und folgte ihm. Und alles Volk, das Zeuge davon war, lobte Gott.

Es geht Jesus nicht um Militär und Politik, nicht um äußeren Triumph, nicht um sieghaften Einmarsch in Jerusalem. An sich ist die Stimmung dafür günstig. Die Massen umgeben ihn. Die Begeisterung liegt in der Luft. Jesus ist in Jericho angekommen, also an dem Ort, an dem Israel sieghaft vom Heiligen Land Besitz ergriffen hat. Trockenen Fußes ist es durch den Jordan geschritten, und die uneinnehmbare Festung Jericho ist gefallen. Sollte er nicht das geistige Jericho, das Bollwerk seiner Feinde, im Vertrauen auf die Hilfe des Vaters nehmen?

Aber sein Reich ist das Reich der Liebe und der liebenden Hilfe. Auch beim Zug nach Jerusalem ist er der helfende Heiland, mit dem Blick für die Leidenden. So sieht er auf den, der nicht sehen kann. Beachtet das unbeachtete Häuflein Elend am Wegrand und hört den Hilferuf dessen, den man zum Schweigen bringen will und der sich darum kaum Gehör verschaffen kann. Mitten im Gedränge bleibt Jesus stehen, läßt den blinden Bettler heranführen und macht ihn sehend. Das ist für ihn wichtiger als die Begeisterung der Massen und die törichten Erfolgsideen und Siegesträume seiner Apostel. Dieser Blick für die Not mitten im Jubel des Volkes, dieses Verständnis des Großen für den Kleinen, des Sehenden für den Blinden, des Gebenden für den Bettler, hat gerade in dieser Stunde etwas besonders Schönes an sich.

Es liegt aber zwischen den Zeilen des Berichtes noch etwas anderes. Die Apostel haben das Wort Christi nicht verstanden. Als seelisch Blinde ziehen sie mit ihm nach Jerusalem. Und nun betont der Herr bei der Heilung des körperlich Blinden, daß der Glaube ihm geholfen habe. Der Glaube, der diesem Bettler das Licht der körperlichen Augen gegeben, soll auch den Aposteln das seelische Licht innerer Erkenntnis bringen. Nur dann können sie ihm richtig nach Jerusalem folgen. Blinde müssen sehend werden. Der Glaube ist das neue Licht. Diese neue Sehkraft eröffnet den Blick für die Dinge, die sonst verschlossen sind, vermittelt Erkenntnisse, die man sonst nicht haben kann, gibt Einsichten, die über die Sinneserkenntnis und den Verstand hinausreichen. Wer diesen Glauben nicht hat, ist ein Blinder.

Es kommt noch ein Weiteres dazu. Dieser blinde Bettler am Wegrand ist ein Bild der Menschheit. Jesus geht hinauf nach Jerusalem, um die Menschheit zu erlösen. Aber diese Menschheit sitzt unbeweglich an der Straße und glaubt noch Fortschritte zu machen. Sie ist blind und meint sehend zu sein. Sie ist arm und kann nur an die Barmherzigkeit Gottes appellieren. Aber Jesus bleibt stehen, um zu heilen und zu helfen. Er wird in Jerusalem die bettelnde Menschheit reich und die blinde Menschheit sehend machen. All das ist nur dem Glauben erkennbar. Und alle diese Kräfte werden nur dem glaubenden Menschen geschenkt.

So ist diese Szene dreifach wichtig. Denn sie besagt Heilung des körperlich Blinden, deutet an, daß die Apostel von ihrer seelischen Blindheit geheilt werden sollen und daß die ganze, blinde Bettelmenschheit durch den Zug des Herrn nach Jerusalem aus ihrem Zustand erlöst wird.

(nach: Richard Gutzwiller, Meditationen über Lukas II, Bonner Buchgemeinde, 1954, Benziger Verlag Einsiedeln Zürich Köln)

Weihnachten 2019

Heiligabend:

Erster Weihnachtstag:

Zweiter Weihnachtstag / Stephanustag:

Die Weihnachtsfeier in früherer Zeit

von P. Miguel Stegmaier und P. Marc Brüllingen

So wie man aus dem Gehalte eine Quelle, die aus tiefem Schoße der Erde hervorsprudelt, erkennen kann, was unten verborgen liegt, so offenbart sich auch in dem öffentlichen Leben eines Volkes, insbesondere in den Volksfesten, die nur die Blüten des Volkslebens sind, was im Gemüte des Volkes, in seinem ganzen Innern sich bewegt. Es spiegelt sich daher in solchen Volksfesten der ganze Charakter, die ganze Seele des Volkes ab.

Wenn die Volksfeste überhaupt die Blüten des Volkslebens sind, so muß man das Fest der hl. Weihnachten als die würzigste und duftigste dieser Blüten in deutschen Volkstum bezeichnen. Der Name kommt von dem altdeutschen „wy“, „heilig“, her; „heilige Nacht“ heißt er also. Merkwürdigerweise feierten schon die alten Deutschen um die nämliche Jahreszeit ihr Hauptfest, das Fest der Sonnenwende. Man dachte sich, daß die Sonne, die zu Ende Dezember am tiefsten steht, sich alsdann wieder verjünge, daß die gleichsam neugeboren werde. Die Perser, Ägypter und noch viele andere Völker des Altertums feierten ein ähnliches Fest. Unverkennbar liegt ein Walten der göttlichen Vorsehung darin, daß schon die heidnischen Völker um die nämliche Zeit ein Fest der Wiedergeburt feierten. Es war dadurch der Kirche erleichtert, an Stelle des heidnischen Festes sogleich das christliche zu setzten.

Schon drei Wochen vor Weihnachten, in den ersten Tagen des Advents, nahm das Fest gewissermaßen seinen Anfang mit den sog. Klöpfers-Tagen. Es zogen alsdann die Kinder in Begleitung der Greise des Orts, mit Stöcken und Schlegeln in der Hand, von Haus zu Haus, klopften damit an allen Haustüren an, sangen Weihnachtslieder, und wurden von den Hausleuten mit Gaben, bestehend in Brot, Früchten und dergleichen, reichlich beschenkt. Der letzte Besuch galt dem Pfarrer, der sie, umgeben von seinem Kaplan und Küster, empfing und jedes Kind mit einem Weihnachtsbildchen und einem Lebkuchen beschenkte. Die gesammelten Gaben wurden natürlich den ärmsten Kindern für ihre Eltern nachher überlassen. Die Grundbedeutung dieses Aufzuges war die Erinnerung an das Anklopfen und das Nachsuchen der Eltern Christi um eine Herberge zu Bethlehem.

Ein Zug der Mildtätigkeit und Sorge für die Armut durchwehte überhaupt und diese Zeit die ganze christliche Welt. Holz- und Jagdfrevel durften jetzt nicht bestraft werden. Der arme Mann durfte, wo er wollte, Holz fällen, damit er den Christbraten, den ihm Gott beschere, zubereiten könne.

Am Nachmittage vor dem heiligen Abende versammelten sich abermals die Kinder in einem öffentlichen Lokale. An einer Rolle, mitten im Zimmer oben angebracht, wurden Christwecken mittelst einer Schnur auf – und abgezogen, und von den Kindern wurde jauchzend und springend danach gehascht. Selbstredend spielten die Zieher der Schnur vor allen den ärmeren Kindern das Gebäck in die Hände.

Am heiligen Abende selbst wurde mit dem Glockenschlage sechs von allen Türmen „der Friede“ geläutet und von allen Toren der Städte herab in die Posaune gestoßen. Es war hiermit jedem, der in der Acht erklärt war oder sonst polizeilich verfolgt wurde, gestattet, frei und unbehelligt zu erscheinen und sich des Festes mitzuerfreuen. Er durfte bis zum Morgen des vierten Tages in der Gemeinde verweilen. Über den Mißbrauch dieser Freiheit sind höchst selten Klagen geführt worden. Ein schwacher Rest dieser alten schönen Sitten ist noch in unserer gegenwärtigen Gesetzgebung vorhanden, indem es nämlich verboten ist, an Sonn – und Festtagen jemand vorladen zu lassen.

Sobald nun, wie oben berichtet, um sechs Uhr abends das Friedensgeläute erklang, hatte alle Arbeit und jede Geschäftigkeit ein Ende. Es versammelten sich um den Hausvater vor dem durch eine Kerze beleuchteten Muttergottesbilde die Kinder und das ganze Hausgesinde. Es wurde gebetet und alte Weihnachtslieder gesungen, und hierauf ein einfaches Abendmahl genommen, in den ganz frommen Familien wurde strenge gefastet, sogar von den Kindern. Der Hausvater und die Hausmutter verharrten hierauf wieder mit einem Teile des Gesindes im Gebete bis kurz vor Mitternacht. Alsdann ward aus einer alten großen mit Samt belegten, künstlich bearbeiteten Dose die sog. Jericho-Rose hervorgeholt und in ein frisch mit Wasser gefülltes kristallenes Glas gesetzt. Diese Jericho-Rosen wachsen in Palästina, insbesondere am Jordanflusse, wild und wurden von den Kreuzfahrern als Andenken an die kriegerische Wallfahrt und das heilige Land mit nach Europa gebracht. Die kleinen Zweige der natürlich trockenen Krone breiten sich durch das frische Wasser und die Zimmerwärme etwas aus und schimmern, zu nicht geringem Erstaunen der frohen Kinder, etwas ins rötliche.

Nun begibt sich der Hausvater mit den schon erwachsenen Kindern und einem Teile des Hausgesindes in die Weihnachtsmesse. In derselben wird unmittelbar vor dem Anstimmen des Gloria durch den Priester durch zwölfmaliges lautes Anschlagen auf eine kleine silberne Glocke die Feststunde angedeutet, und es erschallt sodann durch die festlich erleuchteten Hallen der Kirche das „Ehre sei Gott in der Höhe!“

Nach Hause zurückgekehrt, erwartet die Hausgenossen ein kräftiges Frühstück, bestehend aus dem sog. Christbrote und aus Fleisch, das gemeinschaftlich verzehrt wird.

Um vier Uhr macht sich die Hausfrau mit den kleinen Kindern und den übrigen Hausgenossen auf den Weg zum zweiten feierlichen Hochamte, der sog. Hirtenmesse. In dieser zweiten Messe singt bloß das Volk; es singt nach alter Weise in den rührendsten Melodien die althergebrachten Weihnachtslieder.

Abermals erschallen die Glocken in den hellsten Tönen von allen Türmen der Stadt um neun Uhr. Es zieht der Hausvater seinen allerprächtigsten Staat an (denn es gab besondere Anzüge für die höchsten Feiertage), um mit aller Feierlichkeit dem letzten Hochamte beizuwohnen. Währenddes ist die daheimgebliebene Hausmutter äußerst rührig; mit feineren Getränken, mit Backwerk und Fleischspeisen werden die Tische so beladen, daß sie fast zusammenbrechen.

Gegen elf Uhr eilen nun in ihren Festkleidern nicht nur die auswärts verheirateten Söhne und Töchter, sondern auch die Mitglieder der ganzen Verwandtschaft bis zu den entferntesten herbei. Es finden sich auch die alten bewährten Hausfreunde ein, die treuen Bekannten und alle, die mit dem Hause in irgend einer Beziehung stehen, die Pächter, Arbeitsleute und dergleichen. Sie bringen dem Haupte der Familie ehrfurchtsvoll ihre Glückwünsche zu dem hohen Feste mit den Worten dar: „Wir wünschen ein glückseliges Fest!“ und nehmen von dem Hausherrn einen gleichen Glückwunsch entgegen. Die Vernachlässigung dieser so schönen Sitte wird als der sündhafteste Frevel und als die Erklärung einer immerwährenden Feindschaft angesehen. Auf solche Weise ward dieser Tag für manchen ein wahres Friedensfest, an welchem der Groll des bald dahinscheidenden Jahres vergessen und begraben wurde.

Nachmittags ward wieder die Kirche besucht und der übrige Teil des Abends still in der Familie zugebracht; denn der Besuch von Wirtshäusern an diesem Abende wurde als unchristlich betrachtet.

Erst am zweiten Tage war das gestattet. An demselben wurden vorzugsweise Turniere und Wettrennen gehalten. Was nur irgend reiten konnte, saß zu Pferde und machte seinen „Stephans-Ritt“.

Am dritten Tage endlich, am Johannestage, wurde der Wein des letzten Sommers getrunken; er hatte sich bis dahin so geklärt, daß er die Herzen der Anpflanzer erfreuen konnte.

(aus: „Münstersches Sonntagsblatt“ 1883; nach: Blütenkränze auf die Festtage Gottes und seiner Heiligen, herausgegeben von Reinhold Albers; ersten Teiles erster Band: Die gebotenen Festtage des Herrn; Paderborn, 1890; Druck und Verlag der Bonifatius-Druckerei)


Foto: Heike Hannah lux

Konfraternität 2019

Aufnahme in die Konfraternität 20.10.2019:

Vorwort zum Oktober-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

nun stehen wir bereits im Herbst dieses Jahres im Herrn 2019, einer Jahreszeit, die auch Sinnbild ist für das baldige Lebensende des Menschen hier auf der Erde. Zu Beginn des Monats Oktober feiert die Kirche jene von Gott geschaffenen Reinen Geister, die dem Menschen während seiner gesamten Lebenszeit zum Schutz an die Seite gestellt werden: die Heiligen Schutzengel!

Wie schön schreibt Pius Parsch: „Die Kirche lebt im Reiche der Übernatur und darum ist sie mit den Geistern der Übernatur, den Engeln, wohl vertraut. Wir brauchen bloß das Ordinarium der Messe zu verfolgen und wir werden immer wieder den Engeln begegnen, sei es, daß wir sie als gegenwärtig wissen, sei es, daß wir ihre Lieder singen (Gloria, Sanctus), sei es, daß wir sie in ihrem Gottes- und Menschendienst bewundern. Heute aber will uns die Kirche eine besonders liebliche Offenbarung der göttlichen Fürsorge für uns Menschen feiern lassen, jene nämlich, daß Gott für jeden von uns einen eigenen Schutzgeistbestellt hat, der uns durch das Leben begleitet von der Wiege bis zum Grabe, das Schutzengelfest; es ist wohl noch nicht alt; und doch ist es sehr populär. Eigentlich ist es die Erweiterung des ältesten Engelfestes, des Erzengels Michael. Diesen haben wir als Schutzengel der Gesamtkirche gefeiert“ (2019 am 29. September).

(aus: Das Jahr des Heils, 10. Auflage 1932, Band 3, Seite 632)


Foto: Heike Hannah Lux

Vorwort zum August-/September-Rundbrief

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter,

diese Ausgabe unseres Regionalbriefes erscheint, wie in jedem Jahr, zusammen mit dem „Informationsblatt“ als Doppelnummer für August und September zusammen. Daher finden Sie im hinteren Teil des Rundbriefes auch die Gottesdienstordnung für beide Monate. Zu Beginn setzen wir den Beitrag Joseph Ratzingers fort. Es schließen sich die Ausführungen des Prälaten Pfeil an, über den Glauben des katholischen Christen ans Jenseits.

Ihnen von Herzen eine gute Zeit und sollten Sie in Urlaub gehen gute Erholung!

Mit Segensgruß, Ihr

Pater A. Fuisting


Foto: Heike Hannah Lux

Zum 5. Sonntag nach Pfingsten

(14.07.2019) / von Pater Marc Brüllingen

Erneut ist im heutigen Evangelium (Mt 5,20-24) die Rede von der Nächstenliebe. Es sind ernste, strenge Worte, die der Heiland an die Adresse der Pharisäer und Schriftgelehrten richtet. In der äußerlichen Erfüllung des Gesetzes, der peinlichen beobachtung all der bestimmungen der jüdischen Moral- und Ritualvorschriften sahen sie die „Gerechtigkeit“, die wahre Heiligkeit und höchste Vollkommenheit.

Dabei war ihr Herz voller Arglist, Bosheit und Falschheit, voller Grimm und Rachsucht gegen alle, die sie als ihre Feinde ansahen, besonders gegen den verhaßten Galiläer. Ihm, der sie bis auf den Grund ihrer heimtückischen Seele erkannte und durchschaute und sich auch nicht scheute, sie vor allem Volke anzuprangern, wie sie’s verdienten, hatten sie unversöhnliche Feindschaft geschworen!

So verstehen wir denn die Warnung Jesu an das Volk: „Wenn euere Gerechtigkeit nicht vollkommener ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen!“ Man muß eben die Mentalität, die ganze geistige Verfassung der damaligen Juden, insbesondere der Pharisäer und Schriftgelehrten richtig kennen, um den Sinn dieser Worte voll und ganz zu erfassen.

Wer den Haß gegen den Feind zum obersten Gesetze macht, der sieht alles als erlaubt an, jedes Mittel, den Feind zu verderben, die Rache zu kühlen: List, Heuchelei, Verstellung, Lüge und Verleumdung. Wie meisterhaft haben eben dieselben Pharisäer und Schriftgelehrten diese „Kunst“ verstanden, als es galt, ihren größten Feind, Jesum von Nazareth, zu Fall zu bringen!

So werden auch die Worte umso verständlicher, die Christus zur Erläuterung und zur Illustrierung des Gesagten beifügt: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden: Du sollst nicht töten! Wenn einer tötet, ist er dem Gericht verfallen. Ich aber sage euch: Wer über seinen Bruder zürnt, ist dem Gerichte verfallen!“

Wie weit strenger ist doch seine Forderung wahrer Nächstenliebe! Nicht bloß die Tat, nein, auch schon der Gedanke und der Wille, dem Nächsten zu schaden, ist eine Sünde. Und er geht noch weiter: Selbst jedes Schimpfwort, jede Beleidigung und Kränkung des Mitmenschen verdient Strafe Gottes! Sind doch alle Menschen unsere Brüder, weil Gott unser aller Vater ist, der im Himmel wohnt!

Und so ergibt sich daraus von selbst die Mahnung aus dem Munde Jesu: „Wenn du also deine Gabe zum Altare bringst und dich daselbst erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so lasse deine Gabe dort vor dem Altare und gehe hin, versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe!“

Wichtiger noch und wohlgefälliger als die Opfergabe, das will der Heiland besagen, ist in den Augen Gottes, des Allwissenden und Allgerechten, die Erfüllung seines Gebotes: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst! Er, vor dessen allgegenwärtigem Auge nichts verborgen ist, der Herz und Nieren durchforscht und hineinschaut bis in die geheimsten Falten der Seele, sieht vor allem auf die Gesinnung des Herzens und spricht danach sein Urteil über den Menschen.

Und dies sein Urteil bleibt unabänderlich, unwiderruflich. Denn vor Gott dem Herrn gilt kein Ansehen der Person. Was immer der Mensch Böses denkt und sagt von seinem Nebenmenschen, was er gegen ihn tut und unternimmt, findet seinen strengen, unerbittlichen Richter, wenn nicht hienieden schon, so doch in der Ewigkeit!

Wie der göttliche Heiland dies sein Gebot verstanden haben will, hat er unzweideutig erklärt: „Ihr wisst, daß den Alten gesagt wurde. Hasset eure Feinde! Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde! Tut Gutes denen, die euch hassen, betet für jene, die euch verfolgen und verleumden, damit ihr Kinder dessen seid, der seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte!“

Wer Haß und Feindschaft im Herzen trägt wider seinen Nächsten, belügt sich selbst, wenn er zum Vater betet, der im Himmel ist: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ Derjenige, der diese Bitte uns gelehrt, hat uns durch sein Beispiel gezeigt, wie sie auch in die Tat umzusetzen ist, dadurch, daß wir dem Nächsten von Herzen verzeihen. Denn nur dann dürfen wir auch Vergebung erhoffen für unsere eigenen Sünden.

An Großmut läßt sich Gott wahrlich von niemandem übertreffen. Und nur wer großmütig verzeiht, ist seiner auch würdig. Darin unterscheidet sich das Christentum vom Heidentum, dem alten und neuen, sowie den anderen Religionen, auch der jüdischen, daß es die Religion der Liebe und Versöhnung ist: „Daran sollen sie euch erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe!“

(nach: August Schmidlin, Empor die Herzen – Lesungen für die Sonn – und Festtage des Kirchenjahres; 1941, Verlagsbuchhandlung zum Münster, A.G., Straßburg)