Der hl. Apostel Thomas

von P. Bernhard Gerstle


Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, feiern wir das Fest des hl. Apostels Thomas. Man nennt ihn auch den „ungläubigen Thomas.“ Er hatte das Pech, dass er fehlte, als Jesus erstmals seinen Jüngern und Aposteln erschienen war. Als die Jünger ihm voll Freude sagten „Wir haben den Herrn gesehen!“, entgegnete er ihnen: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25)!

Das ist die typische Antwort eines Skeptikers. Das andere Extrem sind die Leichtgläubigen. Sie neigen dazu, sofort auch den größten Unsinn zu glauben. Wenn ich ehrlich bin, dann sind mir die Skeptiker lieber. Was geistert heutzutage nicht alles an Unsinn durch die Medien, sowohl in politischer als auch in religiöser Hinsicht! Da würde ich mir auf jeden Fall „mehr Thomas“ wünschen. Freilich war seine Reaktion auf den Bericht der Erscheinung Jesu nicht vorbildlich. Und er wurde ja auch vom Herrn dafür getadelt. Doch genauso wunderbar war seine Reaktion, als Jesus ihm erschien und ihn bat seine Hand in seine Seite zu legen. Demütig ging er auf die Knie und sprach die wunderbaren Worte: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28)!

Professor Spindelböck kommentiert dieses Bekenntnis folgendermaßen:

“Sagen wir nicht, Thomas hätte nach dieser Begegnung nicht mehr glauben müssen. Ja, er hat Jesus gesehen in seiner verklärten Menschheit und darum an ihn geglaubt! Er glaubte aber an Jesus nicht als bloßen Menschen, sondern er bekannte, vom Heiligen Geist ergriffen und erleuchtet: „Mein Herr und mein Gott!“ Die Gottheit Jesu Christi ist ihm im Glauben aufgeleuchtet. Sein Herz war fähig, über das Sichtbare vorzudringen zum Unsichtbaren und Göttlichen.”

Wir dürfen Thomas und dem Evangelisten Johannes, der dies niedergeschrieben hat, für dieses Glaubenszeugnis überaus dankbar sein. Es zeigt einmal mehr, dass die Apostel keine Tagträumer gewesen sind. Vielmehr waren sie sehr realistisch und ausgestattet mit einem gesunden Menschenverstand. Sie kamen ja aus eher einfachen Verhältnissen. Mit harter Arbeit haben sie ihr Brot verdient. Das waren gestandene, aufrichtige Männer. Als der Erzengel Gabriel Maria erschien und die Menschwerdung Gottes verkündete und ihr mitteilte, dass sie den Sohn Gottes empfangen und gebären sollte, da stellte die hl. Gottesmutter die völlig berechtigte Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne (Lk 1,34)?“ Auch sie erwartete vom Engel eine plausible Erklärung. Wir dürfen ebenfalls Gott so manche Frage stellen und im Gebet oder durch Fügung auf eine Antwort hoffen. Freilich steht über all diesen Fragen, was der Erzengel Gabriel Maria als Antwort gab: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich (Lk 1.37)!“ Das muss uns zuweilen als Erklärung genügen und es ist die einzige Antwort, welche wir Ungläubigen geben können, wenn sie uns beispielsweise kritisch darauf ansprechen sollten, wie das möglich sein soll, dass die Mutter Jesu zugleich Jungfrau war, vor, in und nach der Geburt.

Die geistliche Vaterschaft des hl. Josef

von P. Josef Unglert


Dass der Wonnemonat Mai der allerseligsten Jungfrau Maria geweiht ist, wissen die meisten Gläubigen. Schließlich finden ja vielerorts die beliebten Maiandachten statt. Auch der Monat März hat seinen besonderen Patron: den hl. Josef. Am 19. März feiert die Kirche das Hochfest des Bräutigams der allerseligsten Jungfrau und des Nährvaters Christi. Ausgehend von diesem Fest, ist nach einer frommen Tradition der ganze Monat März dem hl. Josef anvertraut. Die Gläubigen sind gehalten in ihren privaten Andachten und Gebeten besonders den Nährvater Christi zu verehren, der nach Aussagen vieler Heiliger, z.B. hl. Theresia von Avila, zu den mächtigsten Fürsprechern im Himmel gehört. Die hl. Kirchenlehrerin schreibt u.a.: „Zu meinem Fürsprecher und Herrn erwählte ich den glorreichen heiligen Josef und empfahl mich ihm recht inständig. Und in der Tat, ich habe klar erkannt, daß dieser mein Vater und Herr es gewesen, der mich sowohl aus meiner damaligen Not als auch aus andern noch größeren Nöten, die meine Ehre und das Heil meiner Seele betrafen, gerettet und mir sogar mehr noch verschafft hat, als ich zu bitten gewußt. Ich erinnere mich nicht, ihn bis jetzt um etwas gebeten zu haben, was er mir nicht gewährt hätte.“

Unser Herr Jesus Christus ist für uns Maßstab und Urbild. Der Christ ist gerufen, ein alter Christus d.h. ein anderer Christus zu werden. Das, was der Herr uns vorgelebt hat, sollen wir nachahmen. Nun hat sich unser Herr Jesus Christus während seines verborgenen Lebens ganz in die Obhut des hl. Josef gegeben. Diesem Beispiel dürfen auch wir folgen. Voll Vertrauen dürfen wir uns unter den Schutz des hl. Josef stellen und uns ihm weihen, ihn als unseren geistlichen Vater erwählen.

Die Aussage Mariens, als sie den Jesusknaben im Tempel fand – „Warum hast du uns das angetan, siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht“ Lk 2,48 – lassen auf eine sehr vertraute Beziehung zwischen Christus und dem hl. Josef schließen. Dem dürfen auch wir uns anschließen. Christus hat uns durch die Taufe zu Kindern des himmlischen Vaters gemacht. Am Kreuz gab er seine heiligste Mutter der Menschheit zur Mutter. Es ist zwar nicht überliefert, dass er den hl. Josef uns zum Vater gegeben hat. Aber der hl. Josef vertrat vor Jesus Christus den himmlischen Vater. Christus hat ihn nicht nur als Ernährer angesehen, sondern auch als Vater geliebt und respektiert. Wenn Christus dies getan hat, dann sollten wir uns diesem Beispiel anschließen.

Der hl. Josef will auch uns Vater sein und ist gerade für die heutige Zeit ein hervorragender Patron und ein ermutigendes Beispiel.

Wir erleben heute eine Krise gelebter Vaterschaft. Wahre Männlichkeit scheint eine Seltenheit geworden zu sein. Der Feminismus zeigt sich hier mit schlimmen Folgen: wahre Ritterlichkeit und echte edle Männlichkeit werden bekämpft im Namen einer falsch verstandenen Freiheit. Dabei bilden doch gerade diese die Grundlagen für wahre Vaterschaft. Ohne wahre Vaterschaft kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Sie steht für Gerechtigkeit, Fürsorge, Liebe. Nicht ohne Grund beginnt das Gebet, das der Herr uns selbst gelehrt hat, mit den Worten: „Vater Unser …“ In den Evangelien wird der hl. Josef als „gerecht“ bezeichnet. Gerecht bedeutet in der alttestamentlichen Sprache soviel wie vollkommen. Der hl. Josef wird also in der heiligen Schrift als ein vollkommener Mann beschrieben, ein Vorbild wahrer Ritterlichkeit und edler Männlichkeit.

Der heilige Josef ist für uns Vorbild und Fürbitter am Throne Gottes zugleich. Wie die hl. Theresia bezeugt, hilft der hl. Josef in jeglicher Lage und erwirkt uns bei Gott noch mehr, als wir zu bitten wagen. Dieser große Heilige wird jedenfalls unser Vertrauen in vielfältigen Anliegen nicht enttäuschen.

Die heilige Scholastika und das benediktinische Ideal 

von P. Josef Unglert


Bild: Joachim Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon (CC)

Für den Christen ist jeder Tag ein Tag der Freude, denn an jedem Tag hat mindestens ein Heiliger im Himmel sein Fest. Am 10. Februar feiert die Kirche die hl. Scholastika. Sie war die Schwester des hl. Benedikt von Nursia und gründete – parallel zu ihrem heiligen Bruder – die Benediktinerinnen. Daher ist es sehr passend, dass sie den Namen Scholastika trägt, bedeutet dieser doch „die Gelehrte“ oder auch „die Lernende“

Die hl. Scholastika lebte um das Jahr 500 in Umbrien. Nach dem Tod ihrer Eltern, wählte sie das Leben einer Einsiedlerin am Fuß des Berges Montecassino, auf dessen Gipfel Benedikt mittlerweile seine klösterliche Gemeinschaft gegründet hatte. Da sie in der Lebensführung ihrem Bruder folgte, gilt sie als die erste Benediktinerin.

Einmal im Jahr besuchten sich die zwei Geschwister zum gemeinsamen Gebet und auch zu geistlichen Gesprächen. Als Benedikt nach dem Abendessen in sein Kloster zurückwollte, bat Scholastika, dass er die Nacht noch bei ihr bleibe, damit sie ihr Gespräch fortsetzen können. Scholastika ahnte nämlich, dass sie bald sterben werde. Benedikt wollte aber nicht bleiben, da seine Klosterregel vorschrieb, ins Kloster zurückzukehren. Daraufhin verrichtete Scholastika ein stilles Gebet und plötzlich begann ein heftiger Sturm, so dass Benedikt nicht mehr nach Hause konnte. Benedikt war erschrocken und fragte seine Schwester: „Was hast Du gemacht?“ Darauf antwortete sie nur: „Ich habe Dich gebeten und Du wolltest nicht hören. Also habe ich meinen Gott gefragt und er hat mich erhört. Geh also, wenn Du kannst, in Dein Kloster zurück.“ Benedikt musst also bei seiner Schwester bleiben. Drei Tage später starb Scholastika, und Benedikt sah ihre Seele zum Himmel steigen in der Form einer weißen Taube.

Diese Begebenheit aus dem Leben der hl. Scholastika will uns lehren, dass wir mit all unseren Anliegen in kindlicher Einfachheit zu Gott gehen und Ihm voll Vertrauen unsere Anliegen vortragen. Dabei sollen wir aber nicht eigensinnig dem Herrgott mit dem Anliegen sofort die Lösung vortragen. Er selbst kennt ja unsere Anliegen und weiß viel besser was gut ist für uns. Tragen wir daher all unsere Sorgen, aber auch unsere Freuden von den Thron Gottes und legen wir unsere Leben mit kindlichem Vertrauen in seine Hände. Der Herr wird dann seinen Segen geben und für alles sorgen. Dominus providebit – Der Herr wird sorgen!

Das Fest der hl. Scholastika bietet darüber hinaus die Gelegenheit uns das benediktinische Motto par excellence wieder zu vergegenwärtigen: „ora et labora“ – bete und arbeite! Dieses Motto gilt nicht nur für die benediktinische Familie, sondern ist eine Spiritualität für die ganze Welt, gerade für den mitten in der Welt stehenden Laien. „Bete und arbeite!“ Allzu oft nehmen wir den arbeitsreichen Alltag als ein Hindernis auf dem geistlichen Weg wahr. Das sollte aber nicht so sein. Gewiss müssen wir uns auch Zeiten für das Gebet reservieren, damit wir nicht im Aktivismus versinken. Das Gebet soll aber auch nicht zum Ersatz der Arbeit werden. Vielmehr soll das eine das andere befruchten, so dass letzten Endes unser ganzes Leben und Arbeiten ein immerwährendes Gebet sein möge. Um dahin zu gelangen, eignen sich hervorragend die zahlreichen kleinen Stoßgebete, die die katholische Kirche kennt. Mit einem solch „kurzen Aufblick zum Himmel“ sollen wir uns den Tag hindurch und auch während der Arbeit immer wieder in die Gegenwart Gottes versetzen. Auf diese Weise ergänzen sich Gebet und Arbeit, sowohl in benediktinischen Klöstern, als auch für die Gläubigen in der Welt, wenn auch entsprechend der Standespflichten mit verschiedenen Schwerpunkten. Es grüßt Sie herzlich

Ihr P. Josef Unglert

Die Heiligen – Freunde Gottes und Helfer der Menschen

von Pater Marc Brüllingen


Der Monat November ist vielen von uns als Allerseelenmonat bekannt. Doch beginnt der Monat November mit dem Fest Allerheiligen, an dem die Kirche alle Heiligen im  Himmel verehrt. Aber, wann ist ein Mensch ein Heiliger? Wann wird jemand als Heiliger verehrt?

Zunächst einmal muß festgestellt werden: Gott ist der Allheilige. Es ist das Wesen des höchsten Gutes und der höchsten Güte, sich selbst gemäß, d.h. heilig zu sein. Gott ist auch der Urheilige, der vernunftbegabte Geschöpfe über die Möglichkeiten ihrer geschöpflichen Ordnung hinaushebt in eine übernatürliche und sie sich selbst gemäß macht und angleicht, sie heilig macht.

Jedes vernünftige Geschöpf strebt zwar kraft seines Wesens nach Gott, seinem Ursprung, um in ihm Ruhe und Heimat zu finden. Aber welches Geschöpf dürfte wohl wagen, wie Gott sein zu wollen und sich eindrängen in das persönliche Leben Gottes? Das Geschöpf kann sich seinen Platz nicht wählen in der göttlichen Sphäre seines Schöpfers. Aber der Schöpfer kann – aus  Gnade – das Geschöpf teilhaben lassen an seinem eigenen Leben. Und da Leben bei dem höchsten Geiste Erkennen und Lieben ist, muß der geschaffene Geist, der an seinem Leben teilhaben will, in seinem Erkennen dem göttlichen Geiste angeglichen werden. Der übernatürliche Glaube, der in Schauen übergeht, und der Mensch muß dem göttlichen Lieben gleichförmig werden durch jene Liebe, welche der Geist der Liebe, der ausgegossen ist in unsere Herzen, bewirkt.

Der Mensch wird so gottförmig. Er wird vergöttlicht, ohne aufzuhören, ein Mensch zu sein. Es gibt Menschen, über deren Leben und Sterben die katholische Kirche die Sicherheit hat, daß Gott schon auf Erden in ihnen alles geworden ist. Solche Mitglieder anerkennt die Kirche öffentlich als Heilige und ehrt sie durch diesen Titel. Von ihnen behauptet die Kirche, daß sie in der Anschauung Gottes selig sind und daß sie als Freunde Gottes unsere Fürbitter sind. Darum empfiehlt sie, die Heiligen zu verehren, wohl wissend, daß die Verehrung der Heiligen im Grunde den ehrt, der die Quelle ihrer Heiligkeit ist, den Allheiligen, von dem sie selbst nur ein Abglanz sind.

Die Heiligen sind nicht selbstleuchtend wie die Sonne, sie glänzen vom Lichte Gottes, von dem alle Heiligkeit ausgeht und auf den alle Heiligenverehrung zurückzielt. Die Kirche läßt eine öffentliche Verehrung, also eine Verehrung im kirchlichen Gottesdienst, nur zu nach vorhergegangener kirchlicher Prüfung. Eine solche Prüfung fand bereits in der altchristlichen Zeit bei den Märtyrern statt. Man nannte die Anerkennung des Martyriums durch den Bischof oder durch Synoden vindicatio; die Märtyrer, deren Verehrung gestattet war, hießen Martyres  vindicati. Das waren solche, die durch ihren Tod öffentlich Zeugnis für Christus abgelegt hatten. Die Namen der anerkannten Märtyrer wurden beim Gottesdienst verlesen.

Die Namen der Märtyrer eines Ortes, deren Andenken gefeiert werden sollte, waren auf Täfelchen, den sogenannten Diptychen, aufgezeichnet. Zu diesen setzte man auch die Namen anderer berühmter Märtyrer, die man wegen des Glanzes ihres Martyriums oder des Rufes ihrer Heiligkeit und ihrer Wunder verehren wollte. Auf diesen Brauch weisen heute noch Gebete des römischen Meßkanons hin. Die Berichte über den Tod der Märtyrer gingen um und wurden beim Gottesdienst häufig vorgelesen. Dadurch wurde ihre Verehrung stark ausgebreitet.

Die Kirche hatte nach der Märtyrerzeit zunächst gezögert, auch Nichtmärtyrer öffentlich als Heilige zu verehren.Aber die Verehrung, welche der hl. Antonius der Einsiedler und andere große Gestalten des Mönchtums im Morgenland, die der hl. Martin von Tours und andere nach ihm im Abendland fanden, konnte nicht nur auf die private Frömmigkeit beschränkt bleiben. Bald war  es allgemeine Überzeugung, daß es, wie Isidor von Sevilla (+ 636 schreibt, zwei Arten von Märtyrern gibt: „Die einen legen vor aller Augen Zeugnis ab durch ihr Todesleiden, die andern bezeugen Gott durch die verborgene Tugend ihrer Seele. Manche haben den Anschlägen des Teufels widerstanden, haben sich nicht überwinden lassen durch das Gelüsten des Fleisches und haben sich so dem allmächtigen Gott geopfert, daß sie Zeugen Gottes wurden, als die Kirche Frieden hatte, wie sie Blutzeugen geworden wären, wenn sie Verfolgung zu leiden gehabt hätten.“ Das Wort confessor, Bekenner, wurde in jener Zeit der Ehrentitel jener Nichtmärtyrer, deren Heiligkeit die Kirche anerkennen wollte. Die feierliche Zuerkennung der öffentlichen  Verehrung gab dem Bekenner, der Jungfrau oder der Witwe, das sind die beiden anderen Stände, die man bei den Heiligen unterschied, was bei jedem anerkannten Märtyrer Sitte war, daß nämlich über seinem Grabe das eucharistische Opfer gefeiert werden durfte. Sie fand ihren Ausdruck darin, daß die Gebeine des neuen Heiligen gehoben und unter einem Altare beigesetzt  wurden.

Die Seligsprechung, welche die Vorstufe zur Heiligssprechung ist, wird dann vorgenommen, wenn durch die Kirche festgestellt worden ist, dass der Diener Gottes von heroischer Tugendgröße gewesen ist und daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat. Können nach der Seligsprechung zwei weitere Wunder bewiesen werden oder drei, falls der Diener Gottes rechtmäßig eine öffentliche Verehrung seit unvordenklicher Zeit genoß, dann erfolgt die Heiligsprechung. Bei den Martyrern genügt zur Seligsprechung der Nachweis des Martyriums als Beweis heroischer Tugendgröße. Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (= Kanonisation), die sie vorbereitet. Die Seligsprechung gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung.

Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Heilige Vater als oberster Lehrer der Christenheit sein letztes, allgemein geltendes und allgemein bindendes Urteil: “Dieser Selige ist ein Heiliger, ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er hat Anspruch auf Verehrung in der ganzen Kirche.“


Bild: Ikone Allerheiligen | Foto: Heike Hannah Lux

Der hl. Clemens von Rom

hl. Clemens I.  (Fest: 23. November)
von P. Marc Brüllingen


Die Kirche S. Clemente in Rom, gelegen an der Straße, die vom Kolosseum zum Lateranpalast führt, gehört kunsthistorisch zu den wichtigsten Kirchenbauten überhaupt, da sie am besten von allen den Charakter einer frühchristlichen Basilika bewahrt hat. Der von außen fast unscheinbar wirkende Bau erhebt sich über einem der ältesten christlichen Versammlungsorte Roms, dem Elternhaus des heiligen Clemens, der von 88-97 als dritter Nachfolger von Petrus den Papststuhl innehatte. Die Unterkirche, die schon im vierten Jahrhundert erwähnt wurde, ist seit 1108 von der Oberkirche überbaut. Lange Zeit war der Kirchenbau in der Tiefe vergessen, bis man ihn 1857 wiederentdeckte und nach und nach freilegte. Heute gehört dieses einmalige Bau-Kunstwerk zu den größten Sehenswürdigkeiten Roms. Die Reliquien des großen Papstes Clemens I. werden im Hochaltar der Oberkirche aufbewahrt.

Clemens Romanus kam gegen Mitte des ersten Jahrhunderts in Rom zur Welt und wurde im heidnischen Glauben erzogen. Schon früh erkannte er, daß es etwas geben müsse, das tiefer ging, etwas, das mit Unsterblichkeit zu tun hatte. Eines Tages hörte Clemens eine Predigt des Apostels Barnabas und hatte gefunden, wonach er suchte. Er ließ sich von Barnabas taufen und zu Petrus führen. Dieser lernte den jungen Clemens in der Folgezeit kennen und schätzen und ernannte ihn schließlich selbst noch zu seinem Nachfolger auf dem Stuhl Petri. Doch nach dem Tod von Petrus im Jahr 64 weigerte sich Clemens, die Nachfolge des großen Apostelfürsten anzutreten. So wurden erst noch Linus und Anakletus zu Bischöfen von Rom gewählt, bis sich Clemens im Jahr 88 dem Druck von Klerus und Volk beugte und das Amt antrat. Über seine Amtszeit ist jedoch kaum etwas überliefert.

Die Legende erzählt, daß Clemens I. Ende des ersten Jahrhunderts aus Rom vertrieben wurde und auf Anordnung des Kaisers – möglicherweise Trajans – in den berüchtigten Marmorsteinbrüchen von Chersones auf der heutigen Krim arbeiten mußte. In den Steinbrüchen herrschte akuter Wassermangel, die Zwangsarbeiter drohten teilweise zu verdursten. Als Clemens einmal sah, wie ein Schaf an einer bestimmten Stelle mit dem Huf scharrte, grub er mit den Händen nach, und – so die Legende – plötzlich sprudelte eine Quelle aus dem Boden.

Der wutentbrannte Kaiser ließ Clemens daraufhin mit einem Anker um den Hals ins Meer stürzen und die Neugetauften hinrichten. Der Slawenapostel Cyrillus, der Gefährte von Methodius, soll die Gebeine von Clemens dann im Jahr 868 nach Rom zurückgebracht haben, wo sie in der Kirche S. Clemente beigesetzt wurden.


(nach: Vera Schauber, Hanns Michael Schindler – Die Heiligen im Jahreslauf
Pattloch-Verlag, 5. überarbeitete Auflage 1989)

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Hl. Bruno der Kartäuser

(6. Oktober)
von P. Marc Brüllingen


Bild: Ökumenisches Heiligenlexikon

© Joachim Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon

Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt, erreicht man nach malerischer Fahrt über eine schmale Straße, vorbei an Felsabhängen und Wasserfällen, in einem schmalen Tal das Ur-Kloster des Kartäuserordens: La Grande Chartreuse. Überragt von mächtigen Gebirgsmassiven führen die Kartäusermönche hier, nördlich von Grenoble, noch heute ein völlig weltabgeschiedenes Leben. Es herrscht vollkommene Stille, die Luft ist rauh, der Schnee liegt hier oben noch, wenn woanders schon die Wiesen grünen. Der Besucher auf den Spuren Brunos und der Geschichte seines Ordens hat nur Zugang zum Musée de la Carrière, das von Laienbrüdern geleitet wird und eine Fülle von Material über die Entstehung des Ordens sowie Leben und Wirken seiner Mönche zeigt. In der Kirche aus dem zwölften Jahrhundert findet man Werke von Eustache Le Sueur, Darstellungen über das Leben des heiligen Bruno.

Wer war dieser Bruno, der den strengsten aller Orden gründete? Geboren um das Jahr 1030 in Köln, wurde Bruno 1057, nach Studium in Reims, Priesterweihe in seiner Heimatstadt und Tätigkeit als Kanoniker, Leiter der Domschule von Reims. Über 20 Jahre unterrichtete er hier als überaus geschätzter Lehrer und verhalf der Schule zu großem Ruhm.

Dann folgten eine Reihe schwerer Enttäuschungen: Die von Bruno erwartete Wahl zum Bischof von Reims vereitelte ein Kandidat, der sich das Amt erkaufte, und nach Schwierigkeiten mit eben diesem Bischof mußte er sogar aus Reims fliehen. Nach der Absetzung des Konkurrenten durch Papst Gregor VII. machte er sich erneut Hoffnungen auf das Bischofsamt, und wieder wurde ein bezahlender Bewerber, der königliche Kandidat Helinand von Laon, ernannt.

Der von der Welt enttäuschte Bruno legte alle Ämter nieder und verließ 1083 Reims. Kurze Zeit verweilte er im Kloster Molesme, dann zog er mit sechs Gefährten nach Grenoble, wo Hugo, einer seiner früheren Schüler, inzwischen Bischof geworden war. Hugo, seinem Lehrmeister sehr verbunden und zu Dank verpflichtet, schenkte dem Wanderer im Norden seiner Bischofsstadt ein unwegsames Gelände namens Cartusia. Hier entstand dann in mühevoller Arbeit die Große Kartause, die zu Beginn nur aus einer Kapelle bestand, umgeben von hölzernen Einzelzellen. Es war dies der Geburtsort des Kartäuserordens, obwohl Bruno nie die Absicht gehabt hatte, einen Orden zu gründen. Die päpstliche Bestätigung erfolgte übrigens erst am 2. September 1176 durch Alexander III.

Ebenfalls ein früherer Schüler Brunos, der inzwischen zum Papst Urban II. gewählte Odo von Lagery, holte den gelehrten Einsiedler 1089 als Berater nach Rom, ließ ihn aber zwei Jahre später, auf seinen Wunsch hin, wieder ziehen. Bruno ging nach Kalabrien und gründete in der Wildnis La Torre in der Nähe der Stadt Squillace die zweite seiner Kartausen: S. Maria dell‘ Eremo. In seiner dritten Gründung, in S. Stefano di Bosco nahe La Torre, starb Bruno Jahre später am 6. Oktober 1101. Hier in der Kirche fand er auch seine letzte Ruhestätte.

Guigo, der fünfte Prior der Grande Chartreuse, schrieb den Kartäusermönchen neben den üblichen Mönchsgelübden später auch noch ewiges Stillschweigen und Einsamkeit vor. Acht Stunden des Tages müssen die Kartäuser dem Gebet und geistlichen Übungen widmen. Der Genuß von Fleisch ist immer untersagt, einmal in der Woche wird bei Brot und Wasser gefastet. Der Kloster-Kreuzgang trennt die Mönche von ihrer Umwelt. Bis zum heutigen Tag ist die Große Kartause das Kartäuser-Zentrum, der Prior dieses Klosters ist gleichzeitig Ordensgeneral.

Eines der beeindruckendsten Kartäuserklöster Europas ist die Certosa di Pavia in Italien, wenige Kilometer südlich von Pavia. Im Chiostro Grande kann man die Zellen der Mönche besichtigen, die Kirche mit ihrer einzigartigen Fassade gehört zu den größten Sehenswürdigkeiten Italiens.


(nach: Vera Schauber und Hanns Michael Schindler, Die Heiligen im Jahreslauf
Pattloch Verlag, 5. überarbeitete Auflage 1989)

 

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Der hl. Nikolaus von Tolentino

(Fest: 10. September)
von P. Marc Brüllingen


Tolentino – nur wenige Reiseführer weisen auf dieses kleine Städtchen im Herzen der italienischen Region Marken hin. Und doch lohnt sich der Besuch. Ein Besuch gilt der Grabstätte des berühmtesten „Bürgers“ des Städtchens: Nikolaus von Tolentino. Am Dom vorbei führt der Weg in eine unscheinbare Seitenstraße, wo sich plötzlich in der Häuserzeile eine Lücke auftut: Etwas zurückgesetzt erhebt sich die Basilika S. Nicola da Tolentino.

Schon das Portal gehört zu den sehenswertesten in ganz Italien; es stammt von Nanni di Bartolo und ist 1432 datiert und signiert. Über dem weiten, hellen Kirchenraum mit den zahlreichen Seitenkapellen wölbt sich eine einzigartige Kassettendecke. Vom rechten Seitenschiff aus führt dann eine breite Treppe hinunter zur Krypta mit dem Schrein des heiligen Nikolaus…

Nikolaus kam um das Jahr 1240 in dem kleinen Ort Sant‘ Angelo in Pontano in den Marken zur Welt. Noch als Jüngling trat er 1256 in seinem Heimatort den Augustiner-Eremiten bei. In den folgenden zwei Jahrzehnten wirkte Nikolaus als leidenschaftlicher Prediger und als Beichtvater in zahlreichen Orten seiner näheren und weiteren Heimat. Er empfing die Priesterweihe und war schließlich als Novizenmeister in Sant‘ Elpidio tätig.

Im Jahr 1275 kam Nikolaus nach Tolentino und beschloß, sich hier für immer niederzulassen. In kürzester Zeit gewann er die Herzen der Bewohner Tolentinos, kaum jemand konnte sich dem gewinnenden Wesen dieses Priesters entziehen. Zu den täglichen Predigten von Nikolaus strömten immer größere Menschenmengen in die Ortskirche. Schon bald verehrte man ihn wie einen Heiligen. Als sich dann auch noch zahlreiche Wunder um die Person Nikolaus ereigneten, kannte die Verehrung keine Grenzen mehr.

Die besondere Liebe des selbst streng asketisch lebenden Priesters galt den Armen und Kranken. Durch die ihm eigene Wundergabe vollbrachte Nikolaus mehrere Heilungen, die vom Volk voller Staunen beobachtet wurden.

Nach 30jährigem unermüdlichen Wirken für seine Gemeinde starb Nikolaus am 10. September 1305 eines friedlichen Todes. Schon bald errichtete man über seiner Grabstätte eine Basilika. Auch am Nikolaus-Grab ereigneten sich in der Folgezeit Wunder; offiziell bestätigt wurden in den Jahren zwischen 1305 und 1325 über 300. An den Armen des toten Nikolaus, die vom Körper abgetrennt worden waren, sollen immer bei Ereignissen, die für die Kirche von besonderer Bedeutung waren, Blutergüsse aufgetreten sein. Insgesamt geschah dies 25 Mal.

Am 4. Februar 1926 wurden die Gebeine des 1446 heiliggesprochenen Nikolaus von Tolentino bei Grabungen wiederentdeckt, nachdem die Grabstätte zuvor durch zahlreiche Ereignisse verlorengegangen war. Für die würdevolle Aufbewahrung der Reliquien wurde unter der Basilika S. Nicola eine Krypta errichtet, in der der Heilige seine endgültig letzte Ruhestätte fand. In dem dunklen Raum steht jetzt der erleuchtete Glasschrein mit den festlich bekleideten Gebeinen des Volksheiligen. Für die Einheimischen ist die Krypta zu einer Wallfahrtsstätte geworden.

Nikolaus ist nicht nur der Stadtpatron von Tolentino, er wird auch von Venedig und Genua als Schutzheiliger verehrt; außerdem ist er der Mitpatron von Bayern. Auch eine Bruderschaft wurde nach ihm benannt.


(nach: Vera Schauber und Hanns Michael Schindler – Die Heiligen im Jahreslauf
Pattloch Verlag; 5. überarbeitete Auflage 1989)

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Hl. Petrus Martyr (hl. Petrus von Verona)

(29. April)
von P. Marc Brüllingen


Petrus Martyr, der wegen seiner Geburtsstadt auch Petrus von Verona genannt wird, kam 1205 als Sohn eines Elternpaares zur Welt, das der Albigenser-Sekte angehörte. Nachdem Petrus trotzdem in einer katholischen Schule erzogen worden war, trat er mit 16 Jahren in Bologna dem Dominikanerorden bei, dessen Gründer Dominikus er wahrscheinlich noch kennenlernte.

Neben zahlreichen hohen kirchlichen Ämtern – er war unter anderem Prior und päpstlicher Gesandter in mehreren Städten – betätigte sich Petrus Martyr erfolgreich als Prediger. Wo er hinkam, wurde er bewundert, seine Zuhörer brachten ihm Verehrung, ja sogar Liebe entgegen.

Doch nicht alle waren Petrus wohlgesonnen. Am 6. April 1252 wurde er auf einer Missionsreise in Farga in der Nähe von Mailand von bezahlten Mördern überfallen und erstochen. Die Täter hatten den Auftrag warscheinlich von Irrlehrern, die auf die Erfolge von Petrus Martyr neidisch waren. Die Überlieferung berichtet, der Überfallene habe noch im Sterben mit seinem eigenen Blut das Wort „credo“ (ich glaube) auf den Boden geschrieben.

Beigesetzt wurde Petrus Martyr in der bekannten Mailänder Kirche S. Eustorgio bei der Porta Ticinese, wo auch die Reliquien der Heiligen Drei Könige in einem Sarkophag aufbewahrt wurden, bis Rainald von Dassel sie 1164 in den Kölner Dom überführte. Am Eingang zum Altarraum steht bis heute der bemerkenswerte Sarkophag von Petrus, geschaffen von Giovanni di Balduccio, bekrönt von einem Baldachin. Die Entstehungszeit dieser „Arca di S. Pietro“ waren die Jahre von 1336 bis 1339. An dem Sarkophag befinden sich schöne Reliefarbeiten, die Szenen aus dem Leben von Petrus Martyr zeigen.


(nach: Die Heiligen im Jahreslauf, von Vera Schauber und Hanns Michael Schindler; Pattloch Verlag; 5. überarbeitete Auflage 1989)

 

Der heilige Kunibert

(Fest: 10. November)
von P. Marc Brüllingen


St. Kunibert in Köln gehört zu dem großartigen Kranz der romanischen Kirchen dieser Stadt. Zwar ist das Bauwerk im letzten Kriege schwer getroffen worden, aber der Wiederaufbau fast beendet. Die Kirche erhebt sich an der gleichen Stelle dicht am Rhein, wo der hl. Kunibert, Bischof von Köln, das nach ihm benannte Stift (aufgelöst 1802) gründete, in dessen Kirche er im Jahre 663 seine Ruhestätte fand. Diese Kirche birgt auch die Reliquien der hll. Ewalde.

Der unermüdliche Erbauer von Kirchen und Klöstern, Kunibert, stammte aus einer vornehmen fränkischen Familie der Moselgegend. Sein Name bedeutet der „Sippenglänzende“, also „Hohe“. Um 590 geboren, wurde er auf Wunsch seiner Eltern Edelknabe am Hof des Merowingerkönigs in Metz. Doch sein frommer Sinn fühlte sich bald abgestoßen von dem recht sittenlosen höfischen Treiben, und er wandte sich nach Trier. Hier wurde er zum Priester geweiht und einige Zeit später Archidiakon. Der Ruf des durch seine Gelehrsamkeit und Tugend ausgezeichneten Gottesmannes drang bis nach Köln. Man holte ihn dorthin und wählte und weihte ihn zum Bischof dieser Stadt.

Kunibert verwaltete sein Bistum so vorbildlich, daß sowohl der Hausmeier Pippin I. wie der fränkische König Dagobert I. ihn zu ihrem Ratgeber machten. In politischen Angelegenheiten zeigte er ein besonderes Geschick, und da sein Ruf unantastbar war, wurde sein Rat überall gehört. So vermochte der Bischof viel zur Erhaltung des Friedens beizutragen. Als Dagobert ihn zum Erzieher seines unmündigen Sohnes Sigibert ernannte, führte Kunibert für diesen, der dreijährig zum König von Austrasien erhoben worden war, die Regierung. Daß Sigibert sich zu einem gerechten und christlich gesinnten Herrscher entwickelte, ist zweifellos dem heilsamen Einfluß des Heiligen zuzuschreiben. Auch Sigibert wird zu den Heiligen gezählt und als Wetterherr verehrt. Er starb 656 – also noch vor Kunibert – in Metz, seine Gebeine ruhen in Nancy.

In Köln erbaute Kunibert mehrere Kirchen, darunter die St. Klemenskirche, später nach ihm St. Kunibert genannt. In seinem Weitblick erkannte der Kölner Bischof aber auch die Wichtigkeit der Missionierung jener Volksstämme, die jenseits der Grenzen seines Bistums zu dieser Zeit dem Christentum gegenüber noch feindlich gesinnt waren. Er erwirkte, daß das Römerkastell Utrecht zum Ausgangspunkt für die Bekehrung der Friesen gemacht wurde und gründete dort den Martinsdom. Aus dem gleichen Grunde erwarb er von Sigibert das an der Grenze Sachsens liegende Soest und schuf in Schwelm und Menden ebenfalls kirchliche Stützpunkte. Mehrere Martinskirchen und Kapellen gehen auf Stiftungen von ihm zurück. Allerdings waren das erst die Anfänge des großen Missionswerkes, das nach ihm dann die irischen und angelsächsischen Glaubensboten vollenden sollten. Immerhin hatte der Kölner Bischof weitschauend für die Christianisierung des heutigen Holland und Westfalen vorgearbeitet.

Der rastlos für Staat und Kirche wirkende Heilige starb am 12. November 663. Dargestellt wird er als Bischof mit Kirchenmodell, Taube über sich.


Foto: Bildteppich im Stiftsmuseum Xanten | Foto: Heike Hannah Lux

 

Die heilige Margareta von Antiochien

(Fest: 20. Juli)
von P. Marc Brüllingen


Die hl. Margareta von Antiochien, Jungfrau und Märtyrin, ist eine der mächtigsten Fürbitterinnen unter der Gruppe der „Vierzehn Nothelfer“. Als Drachenbekämpferin ist sie mit dem hl. Georg, dessen Schicksal nach einigen Quellen mit dem ihren sogar verknüpft gewesen sein soll, eine der beliebtesten und ältesten Heiligengestalten. Historische Akten über ihr Leben sind nicht mehr vorhanden, ihr Martyrium wird in der Zeit der Verfolgungen unter Diokletian angenommen, ihr Todesjahr mit 307 angegeben. Im Martyrologium Romanum steht ihr Name unter dem 20. Juli. Einige sehen in ihr jene Königstochter, die der hl. Georg in seinem Kampfe mit dem Drachen befreit hat. Sicherlich ist hierbei bedeutsam, daß es Margareta nicht erspart blieb, selbst einen Drachen zu besiegen. Das Gedächtnis ihres Festes ist in der abendländischen Kirche seit dem 12. Jahrhundert am 20. Juli verzeichnet, in der griechischen, wo sie Marina genannt wird, seit alters her am 13. Juli. Viele andere heilige und selige Frauen tragen ihren Namen, darunter Margareta von Cortona, Margarita von Schottland, Margareta Maria Alacoque.

Die hl. Margareta wird immer mit dem Drachen dargestellt, den sie mit Kreuzstab oder Kruzifix besiegt; er bedeutet den Teufel und liegt zu ihren Füßen. Manche Darstellungen zeigen sie reich gekleidet als Königstochter mit Perlendiadem – dem Zeichen der Reinheit aufgrund ihres Namens -, ferner mit Fackel und Kamm – ihren Marterwerkzeugen -, auch mit Engel, der ihr Palme und Siegeskrone reicht; zusammen mit den hll. Barbara und Katharina von Alexandrien als die sogenennten „heiligen drei Madl“.

Margareta ist Patronin des Nährstandes, weil ihr Fest ein wichtiger Merktag für Bauern war, der Jungfrauen, vor allem auch der Gebärenden, und für glückliche Entbindung, gegen Unfruchtbarkeit. Sie wurde in der Nothelfergruppe aufgenommen, weil sie unmittelbar vor ihrem Martertod Gott gebeten hatte, allen Müttern, die sich in ihrer schweren Stunde an sie um Fürbitte wendeten, zu helfen. Reliquien der Heiligen befinden sich in Montefiascone bei Bolsena nördlich von Rom. Hier ist ihr der Dom geweiht, den Michele Sammicheli in dem einzigartig gelegenen Bergort errichtete. Montefiascone hat in der Stauferzeit eine große Rolle gespielt.

Es gibt kaum einen großen Künstler, den die Darstellung dieser heldenhaften Jungfrau nicht angeregt hätte, darunter Raffael, Palma, Tizian, Lucas Cranach, Guercino, Le Suer, Poussin u.a.

Legende

Margareta bedeutet „Perle“. Sie war die Tochter eines heidnischen Priesters in Antiochien. Nach dem frühen Tode ihrer Mutter übernahm eine Amme die Obhut über das Mädchen und erzog es heimlich im Christenglauben. Als Margareta zur Jungfrau herangewachsen war, bekannte sie ihrem Vater, daß sie Christin sei. Dieser überschüttete sie mit Vorwürfen, vermochte aber weder mit Bitten noch mit Drohungen, ihren Sinn zu ändern. Da schickte er sie zur Strafe in die Verbannung.

Hier hütete Margareta die Schafe. Da geschah es, daß der Präfekt Olybrius vorbeiritt, und als er die schöne Jungfrau erblickte, in Liebe zu ihr entbrannte. Er sprach zu seinen Knechten: „Gehet und holt mir die Jungfrau; ist sie von edler Geburt, so will ich sie zur Ehe nehmen, ist sie eine Magd, so soll sie meine Beischläferin sein.“ Also wurde Margareta vor ihn gebracht, und er fragte sie nach ihrem Namen und ihrer Herkunft. Sie antwortete ihm, daß sie Margareta heiße, aus einem edlen Geschlecht stamme und Christin sei. Da drang Olybrius in sie, sie solle ihren Christenglauben abschwören. Margareta aber antwortete ihm fest, daß sie an die Erlösung durch den lebendigen Sohn Gottes glaube und niemals davon ablassen werde.

Als Olybrius sich mit seiner Werbung abgewiesen sah, wurde er wütend und befahl, sie ins Gefängnis zu werfen. Andern Tags ließ er sie vor die Götzen führen und versuchte sie zum Opfer zu zwingen. Sie aber weigerte sich standhaft. Da ließ er sie aufs grausamste foltern. Sie wurde mit Ruten geschlagen, und man riß ihr mit eisernen Kämmen das Fleisch vom Leibe. Alle, die dabeistanden, weinten, daß eine so wundersame Schönheit so gräßlich zerstört wurde.

Aber Margareta erlitt alle Qualen des Leidens ohne Wanken. Wieder in den Kerker geworfen, wartete ihrer ein noch härterer Kampf. Auch die Heiligen sind Menschen; in der Dunkelheit des Kerkers mag sie von Angst und Schmerzen gepeinigt gewesen sein und Schwäche nach ihrem Herzen gegriffen haben. Da erschien vor ihr ein greulicher Drache und wollte sich auf sie stürzen, um sie zu verschlingen. Allein Margareta rüstete sich beherzt zum neuen Kampf. Schließlich schlug sie mit letzter Kraft das Kreuzzeichen über das Untier. Dann packte sie es mutig und warf es zur Erde nieder und setzte den Fuß auf seinen Scheitel.

Der Teufel in der Gestalt des Drachen aber schrie laut: „Weh mir, nun bin ich von einer schwachen Jungfrau überwunden worden“ – und verschwand alsbald. Und mit einem Mal wurde ihr Gefängnis von einem wunderbaren Licht durchstrahlt, das gab ihr himmlische Kraft und sie war getrost.

Als sie am nächsten Tage dem Präfekten wieder vorgeführt wurde, sah dieser sie zu seiner größten Verwunderung heil an Leib und Seele vor sich stehen, schöner und blühender denn zuvor. Er forderte sie wieder auf zu opfern. Sie aber entgegnete ernst, daß sie niemals tote Götzen anbeten würde. Da befahl er in seinem großen Haß, glühende Fackeln herbeizubringen und sie damit zu brennen, hernach aber zur größeren Pein in ein Faß mit kaltem Wasser zu werfen.

Alle, die dabei waren, staunten, daß eine so zarte Jungfrau so große Qualen aushielt. Aber plötzlich erbebte die Erde, und die Jungfrau stieg unversehrt aus dem Fasse hervor. Als das Volk dies Wunder sah, lobten viele den Christengott und bekehrten sich; – sie wurden aber alle um Christi Namen willen enthauptet. Der Richter fürchtete, es würden sich ihrer noch mehr zu Christus bekennen. Da ließ er Margareta schnell auf den Richtplatz führen, damit sie durch das Schwert getötet werde. Hier bat Margareta, die große Märtyrin, um eine kurze Frist. Sie kniete nieder und betete für ihre Verfolger und für diejenigen, die ihr Gedächtnis feiern würden und ihren Namen in ihren Nöten anrufen. Dann bot sie dem Henker mutig ihren Nacken dar.

Er schlug ihr mit einem Streiche das Haupt ab, und sie empfing die Märtyrerkrone.

Über ihrem Grabe wurde später zu Antiochien eine Kirche erbaut, und durch die Kreuzfahrer wurde ihr glorreicher Name auch im Abendlande bekannt. Viele, die ihren Namen anriefen, haben große Hilfe erfahren.


(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf ; Erna und Hans Melchers; Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München; 9. Auflage 1986)

Die hl. Martina

(30. Januar)
von P. Marc Brüllingen


Die Kirche SS. Luca e Martina in Rom an der Via del Foro wurde im 8. Jahrhundert als Doppelkirche, nämlich mit Ober- und Unterkirche, gebaut und der hl. Martina, Bekennerin und Märtyrin der Frühzeit, geweiht. Sixtus V. (1585-1590) schenkte Gebäude und Platz der Lukasakademie, in der die Künstler Roms zusammengeschlossen waren. Als Pietro da Cortona 1634 zum Vorsteher dieser Akademie ernannt wurde, erbaute er auf Grund einer eigenen Stiftung eine neue Oberkirche und bezog die Unterkirche dabei seiner Neugestaltung ein. Der 1650 vollendete Bau erhielt dann den heutigen Namen SS. Luca e Martina. Die Urne der Heiligen steht auf dem von Pietro da Cortona geschaffenen Bronzealtar in der Unterkirche (A. Henze). Derselbe Künstler schuf – wohl zum Schmucke dieser Kirche – Bilder mit Szenen aus dem Leben der hl. Martina, die sich zum Teil im Pariser Louvre und im Pitti-Palast in Florenz befinden. Papst Urban VIII. verfaßte zu Ehren der Heiligen, die zu den Schutzheiligen der Stadt Rom gehört, klassische Hymnen.

Darstellung der hl. Martina: mit Palme und offenem Buch, zerbrochenem Götterbild, Marterwerkzeugen, manchmal auch mit Löwen.

Die hl. Jungfrau Martina lebte zur zeit des Kaisers Alexanders Severus und starb etwa um das Jahr 226 den Martertod für Christus. Martina wurde schon im frühen Christentum hoch verehrt. Ihren außergewöhnlichen Bekennermut bewundern zahlreiche Gläubige noch heute. In ihrer „Passio“ mischen sich Geschichtliches und Legendäres.


Legende

Martina war die Tochter eines angesehen Römers, der dreimal das hohe Amt des Konsuls bekleidet hatte. In frühester Jugend verlor sie beide Eltern. Da sie ganz erfüllt war von der Liebe zum Heiland, wollte sie arm sein wie er und verteilte ihr reiches Erbgut unter die Armen. Dann ließ sie sich unter die Diakonissinnen aufnehmen, welche in den Gemeinden den caritativen Dienst als ihre Pflicht erhoben hatten. Martina war ungewöhnlich schön und hatte viele Verehrer, darunter den Kaiser selbst, der sie sogar zu seiner Gattin erheben wollte. Aber sie schlug alle Bewerber aus, denn sie wollte ganz für ihren Glauben im Dienste Gottes und ihrer Mitmenschen leben.

Als Severus erfuhr, daß Martina Christin sei und ihr Glaube der Grund ihrer Absage gewesen war, wurde er wütend. Sie wurde vor Gericht geladen und aufgefordert, ihrem Glauben abzuschwören. Die Jungfrau wandte sich in ihrer Not an Gott und bat um Standhaftigkeit, denn sie kannte die Folterungsmethoden, mit denen man sie gefügig machen wollte. Während sie betete, erschütterte ein Erdbeben die ganze Stadt; das Standbild des Apoll und mit ihm ein großer Teil des Tempels stürzten ein.

Nun ergrimmte der Kaiser derartig, daß er befahl, die schöne Christin den grausamen Folterknechten zu überantworten. Die Schergen quälten Martina bis zur völligen Erschöpfung. Aber das schwache Mädchen bewies, was ein Mensch mit Gottes Hilfe aushalten kann und blieb standhaft. Zuletzt schleppte man Martina vor die Stadt und enthauptete sie.


(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf; Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Die hl. Cäcilia

(22. November)
von P. Marc Brüllingen


Seit dem 4. Jahrhundert wird die hl. Cäcilia im Kanon der Messe erwähnt; so früh also genoß diese jungfräuliche Märtyrin schon eine große Verehrung. Nur wenige Einzelheiten sind über sie in den Märtyrerakten festgehalten. Wir finden darin einen Satz, der wohl wörtlich genommen ist und auf den es zurückgehen mag, daß sie zur Schutzherrin der Musik wurde. Er lautet: „Während die Musikinstrumente erklangen“ – nämlich anläßlich ihrer Hochzeitsfeier – „bat Cäcilia den Herrn, er möge ihr Herz und ihren Leib unbefleckt erhalten.“ Meist findet man sie mit einer tragbaren Kleinorgel oder anderen Musikinstrumenten abgebildet. „Vielleicht ist keine Schutzpatronin in der Welt zu ihrem Amt unschuldiger gekommen als Cäcilia. Sie kam dazu, weil sie auf die Musik nicht achtete, ihre Gedanken davon abwandte, mit etwas Höherem beschäftigt, sich von ihren Reizen nicht verführen ließ.“ So hat auch Raffael sie verstanden und gemalt: „Indem die Heilige die Orgel senkt, zu den übrigen am Boden liegenden, verworfenen Instrumenten fallen läßt, anerkennt sie“, wie Willibald Gurlitt es ausdrückt, „die Ohnmacht aller sinnlich wahrnehmbaren Musik vor jener absoluten Musik, die keines Menschen Ohr je vernommen, die im Musizieren nur Engeln, im Hören nur Heiligen zugänglich ist“.

Cäcilia stammte aus dem erlauchten römischen Geschlecht der Meteller oder Cäcilier und erlitt im 3. Jahrhundert den Tod für Christus. Früh schon als Christin erzogen, gelobte sie in ihrer großen Liebe zum Herrn diesem ewige Jungfräulichkeit. Als ein edler Jüngling um sie warb, versprachen ihre Eltern, die von ihrem Entschluß nichts wußten, sie ihm zur Gemahlin. Cäcilia erzählte ihrem Bräutigam am Hochzeitstage, daß sie Christin sei und das Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt habe. Valerian wurde durch sie bekehrt und nahm mit seinem Bruder Tiburtius den Christenglauben an. Nachdem aber die beiden Jünglinge sich in edler Begeisterung todesmutig in der Öffentlichkeit ihres Christentums gerühmt hatten, wurden sie verhaftet und hingerichtet.

Als man ihre Güter einziehen wollte, hatte Cäcilia schon alles unter die Armen verteilt. Hierüber wütend, vergaß der Präfekt, welch vornehmer und geachteter Familie Cäcilia entstammte und ließ sie vor sich kommen. Der Richter staunte über die Festigkeit und Furchtlosigkeit ihrer Antworten. Da die Jungfrau seinem Ansinnen, den Göttern zu opfern, widerstand, wurde auch sie zum Tode verurteilt. In ihrer Villa sollte sie durch heiße Dämpfe im Bade erstickt werden. Wunderbarerweise ging sie aber unversehrt daraus hervor. Nun holte man den Scharfrichter. Der Henker tat drei Streiche, traf sie aber erst mit dem letzten. Doch konnter er ihr Haupt vom Rumpfe nicht trennen und ließ sie einfach liegen. Die Heilige lebte noch drei Tage. Da sie selbst nicht mehr reden konnte, bat sie die herbeigeeilten Christen durch Zeichen alles, was sie noch besaß, an die Armen zu verteilen. Das geschah unter der Regierung Kaiser Marc Aurels.

Ihr Leib wurde von den Christen in den Katakomben beigesetzt. Er wurde im 5. Jahrhundert in die ihr zu Ehren erbaute Cäcilienkirche übertragen, die man in Tratevere über dem Haus, wo sie ihr Martyrium erlitten hatte – es war vermutlich das haus ihres gatten Valerian – errichtete. Papst Paschalis I. (817-824) ließ die Kirche erneuern. 1599 wurde anläßlich einer Restaurierung der Kirche die vermauerte Gruft geöffnet, in der sie beigesetzt war. Da zeigte sich ein ergreifendes Bild: der Leichnam der Jungfrau lag unverwest auf der rechte Seite, eingehüllt in ein langes Gewand aus Goldbrokat. Der Hals zeigte eine tiefe Wunde, das Gewand trug Blutspuren und zu ihre Füßen lagen blutgetränkte Leintücher. So wie sie damals aufgefunden wurde, hat der Bildhauer Maderno die wie schlafend daliegende Gestalt der Heiligen in Marmor nachmodelliert. Man stellte diese Statue in einer offenen Nische des Hochaltars auf. Neben der Kirche wird heute noch das Caldarium der antiken Thermenanlage gezeigt, wo die hl. Cäcilia eingesperrt war, um den Erstickungstod zu finden, und hier auch soll der Henker sie schließlich erschlagen haben.

(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf, von: Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Der hl. Antonius von Padua

geb. 1195 in Lissabon, gest. 13.06.1231 in Arcella bei Padua (13. Juni)
von P. Marc Brüllingen


Die Italiener nennen den hl. Antonius wie die über seinem Grabe errichtete Basilika in Padua einfach ‚Il Santo‘; denn er ist für sie der Heilige schlechthin. Die Kirche erteilte ihm als dem ‚Doctor evangelicus‘ die Würde eines Kirchenlehrers. Das Antoniusbrot, für das in allen katholischen Kirchen ein eigener Opferstock aufgestellt ist, ist ein Almosen zu Ehren des Heiligen und erinnert an sein soziales Wirken. Er genießt bis heute eine Beliebtheit wie außer der Gottesmutter kaum ein anderer Heiliger. Das katholische Volk hat ein unbegrenztes Vertrauen auf seine Fürbitte; unter anderem wird er angerufen, wenn man etwas verloren hat, und er hat sich unstreitig fast immer noch hilfreich erwiesen.

Aber er steht auch in dem Rufe, daß er nichts umsonst tut: der Gläubige muß für seine Hilfe ein Opfer bringen, und am liebsten ist ihm eine Geldspende für die Armen! Seine oftmals etwas süßliche Darstellung als Jüngling in Franziskanertracht, in der Rechten eine Lilie, auf dem linken Arm das Jesuskind tragend, bezeichnet das Volk als ‚Kindltoni‘. Manchmal hat er anstelle der Lilie ein flammendes Herz als Attribut, so an der Bronzestatue des Donatello in Sant‘ Antonio in Padua und auf dem Mantegnabild an der Fassade derselben Kirche. Weitere Attribute des Heiligen sind Fische, Esel oder Pferd, Buch – als Symbol der Weisheit. Vom hl. Antonius von Padua gibt es unzählige Darstellungen, auch mit anderen Heiligen zusammen, oder solche, die Einzelheiten aus den vielen Legenden wiedergeben, die sich um seine Person ranken.

Seine Patronate sind vielseitig: außer dem Wiederfinden verlorener Gegenstände ist er Schutzheiliger der Reisenden, der Liebenden, für eine gute Ehe, gegen Unfruchtbarkeit, Fieber, Viehseuchen, teuflische Mächte, Katastrophen, ferner der Bergleute, Bäcker, Haustiere (Pferde und Esel).

Antonius war Portugiese und wurde 1195 in Lissabon geboren. Ursprünglich hieß er Fernando Bullone und stammte aus dem Geschlechte Gottfrieds von Bouillon, des ersten Eroberers des Heiligen Grabes. Mit fünfzehn Jahren trat er in den Orden der Augustiner-Chorherren ein. Hier bildete er sich in zehn Studienjahren „zum tiefen Kenner der Heiligen Schrift“. Auch diesen Heiligen traf der Anstoß Gottes: als fünf Franziskanermönche, die auf ihrer Missionsreise in Marokko von den Mauren getötet worden waren, in Coimbra feierlich bestattet wurden, befand sich Fernando mitten in der ergriffenen Menge. Er hatte die Minderbrüder selbst gekannt, wollte er sie doch seinerzeit begleiten. Er faßte den Entschluß, den Bettelmönchen beizutreten, um ebenfalls den Heiden zu predigen. Mit 25 Jahren trat Fernando 1220 in das Franziskanerkloster in Coimbra ein und legte seinen Namen ab, um den Namen Antonius anzunehmen. Auf seine inständige Bitte erlaubte man dem neuen Minderbruder, noch im gleichen Jahr als Missionar nach Marokko zu reisen. Als er jedoch das afrikanische Ufer erreichte, wurde der junge Mönch, der das Märtyrertum so sehr ersehnte, sterbenskrank. Körperlich und seelisch geschwächt, mußte er sich schweren Herzens entschließen, in die Heimat zurückzukehren.

Das Schiff jedoch, dem er sich anvertraute, wurde durch einen Sturm an die sizilianische Küste verschlagen. In Messina vernahm er, daß der Ordensstifter einen Aufruf zur Versammlung der Franziskaner in Assisi erlassen hatte. Sofort machte er sich auf den Weg dorthin. Aber unter den vielen Franziskanern, die dort im Jahre 1221 zusammengekommen waren, bemerkte niemand den schweigsamen Mönch. Zuletzt nahm sich der Provinzial der Romagna, Bruder Gratian, seiner an. Demütig verschwieg Antonius seine Erziehung und sein enormes Wissen der Hl. Schrift. Von nun an diente Antonius wie der Geringsten einer in dem einsamen Bergkloster bei Forlí. Hier verbrachte er sein stilles Dasein ganz in Demut und Buße. Den schweigsamen Bruder hielt man sogar für schwachsinnig.

Durch einen Zufall wurde seine große Rednergabe offenbar. Als anläßlich einer Primizfeier keiner der anwesenden Patres unvorbereitet eine Rede halten konnte, wies einer scherzend auf Bruder Antonius, der solle es doch versuchen. Aber nun war die Verwunderung der Mitbrüder grenzenlos, denn der stille Mönch sprach mit solcher Kraft und Begeisterung, verfügte über so bezaubernde und ergreifende Worte und bezeugte zudem ein außergewöhnliches Wissen, daß man ihn allgemein als einen Meister der rede erkannte. Als der hl. Franziskus hiervon hörte, ernannte er den bis dahin so Unbeachteten zum ersten Lektor der Franziskaner für Theologie und berief ihn zum Prediger auf die Kanzeln der Städte. Nun strömte das Volk zu Tausenden herbei, um ihn zu hören.

Antonius verkündete das Evangelium in allen Gegenden Italiens und in Südfrankreich. Schon zur Nachtzeit versammelten sich die Hörer und warteten geduldig, bis er die Kanzel bestieg. Unerhört war die Kraft und der Erfolg seiner Predigten. Sooft er auftrat, umringten ihn sofort die Gläubigen. Seine Zunge brauchte er nur als Organ zur Verherrlichung der Ehre Gottes, um den heiligen Willen Gottes zu lehren, um unsterbliche Seelen aus dem Verderben des Irrtums zu retten und die Wahrheit und beseligende Gerechtigkeit zu gewinnen. Auch zeichnete er seine Gedanken in Büchern auf, die für uns ein unsterbliches Zeugnis seiner Weisheit und Gottesliebe bedeuten. Die Predigten des Heiligen waren eine Hauptwaffe zur Bekämpfung der Katharer, einer Sekte, die damals besonders in Oberitalien viele Anhänger gewonnen hatte. Antonius war ihnen durch seine gründliche Schulung überlegen und konnte sich ihnen in öffentlichen Streitgesprächen stellen. Er hatte solche Macht über die Ketzer, daß man ihm schließlich den Beinamen „Hammer der Ketzer“ gab. Doch seine großartigen Predigten waren es nicht allein, die ihm immer wieder Kraft für neue Taten spendeten. Vor allem sein großer Bußeifer und seine nächtelangen Gebete verliehen ihm die Stärke, der er so nötig bedurfte.

Der hl. Antonius wurde später zum Provinzialoberen der Romagna ernannt, aber auf dem Kapitel des Jahres 1230 stellte er einen Antrag auf Amtsenthebung. An Ämtern lag ihm nicht, er wollte nur predigen, wo immer er es konnte. Antonius suchte sogar den wilden Ezzelin von Verona auf und sprach zu ihm: „Das Maß Deiner Greuel ist voll. Wenn Du nicht Buße tust, wird Dich der Zorn Gottes zermalmen.“ Entgegen aller Erwartung war Ezzelin so beeindruckt, daß er fortan abließ von seinen grauenvollen Taten.

Die Anstrengungen des Heiligen gingen über Menschenkraft. Noch in der Fastenzeit des Jahres 1231 verzehrte er sich fast in der Glut seiner Predigten. Am 13. Juni fühlte er sein nahes Ende kommen. Der entkräftete Heilige wurde in das kleine Klarissenkloster Acella gebracht, wo er am gleichen Tage erst sechsunddreißigjährig starb. Seine letzten Worte waren: „Ich sehe meinen Herrn Jesus Christus!“ Gänzlich verbraucht und erschöpft von der Arbeit im Weinberg des Herrn, schonungslos gegen sich selbst bis zum letzten Atemzuge, war der Heilige von Padua viel zu früh von dieser Welt gegangen.

(nach: Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf, von: Erna und Hans Melchers, Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 9. Auflage 1986)

Der hl. Papst Gregor VII.

geb. um 1020; gest. 25.5.1085 in Salerno (25. Mai)
von P. Marc Brüllingen


Was über ihn und seinen Kampf mit dem deutschen König Heinrich IV. von Freunden und Gegnern geschrieben wurde, füllt eine ganze Bibliothek. Die Gründe und Hintergründe dieses Kampfes werden ewig umstritten bleiben, nicht aber die Persönlichkeit des Papstes, dem Gott die schwere Aufgabe zuteilte, die Freiheit der Kirche gegen staatliche Lebensnotwendigkeiten und Machtansprüche abzugrenzen und zu verteidigen. Er ist, äußerlich gesehen, in dem ungleichen Ringen unterlegen, aber noch im Untergang wächst seine Gestalt zu einer heroischen Größe, die auch seine oft mißverstandene kirchenpolitische Haltung aus der Enge persönlichen Ehrgeizes in die Weite geistig-sittlichen Verantwortungsbewußtseins rückt.

Gregor oder Hildebrand, wie er vor seiner Erhebung zum Papst hieß, kam aus dem Volk. Zu Savona in Toskana war er um das Jahr 1020 geboren. Eigentliche Heimat aber wurde ihm Rom, wo er wahrscheinlich im Marienkloster auf dem Aventin lebte und von dem nachmaligen Papst Gregor VI. in den strengen Traditionen der Kirche erzogen wurde. Ob er auch Mönch von Cluny war, ist nicht sicher bezeugt. Wichtiger ist, daß er den Reformideen, die von Cluny ausgingen, mit ganzer Seele anhing und in dem deutschen Papst Leo IX. einen väterlichen Freund fand, der ihm die Erneuerung des römischen Paulusklosters anvertraute. Schon jetzt gewann er tätigen Anteil an der Leitung der Kirche. Mehrmals ging er als Legat des Papstes nach Frankreich und an den deutschen Hof, um im Sinne der Reform zu wirken. Alexander II. machte den eifrigen Anwalt der kirchlichen Interessen zum Archidiakon und Kanzler der römischen Kirche. Solch ein rascher Aufstieg ist selten, aber Hildebrand hatte sich durch Können und Charakter einer noch höheren Würde wert erwiesen: am 22. April 1073 wurde er während der Leichenfeier für seinen Vorgänger durch einmütigen, stürmischen Zuruf von Volk, Klerus und Kardinälen zum Papst gewählt.

Gregor VII., wie er sich in Erinnerung an den Lehrer seiner Jugend nannte, nahm die Wahl nicht leichten Herzens an. Seine Reisen hatten ihm zur Genüge gezeigt, welch gewaltige Arbeit in allen Ländern der Christenheit noch zu leisten war. Niemand konnte höher von der Sendung der Kirche denken als er. Das Reich Gottes unter den sündigen Menschen wiederherzustellen, war das erste Ziel seiner Regierung. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte er zwei Grundübel beseitigen: die Käuflichkeit der Kirchenämter und die Sittenverderbnis im Klerus. Beides stand in engem Zusammenhang; denn wer ein Bischofsamt oder die Abtswürde lediglich der Einkünfte und des politischen Einflusses wegen mit Geld erworben hatte, zeigte in der Regel wenig Neigung, ein echt priesterliches Leben zu führen. Vorschriften und Synoden allein genügten nicht, die Schuldigen zu bessern; man mußte das Übel an der Wurzel erfassen und die kirchliche Stellenbesetzung neu regeln. Es gehörte zu den wichtigsten Maßnahmen des neuen Papstes, daß er die Vergabe des kirchlichen Amtes durch einen Laien für unstatthaft erklärte und jede Übertretung mit schweren Kirchenstrafen bedrohte. Ohne es zu wollen, geriet der Papst gerade durch diese für die Genesung der Kirche entscheidenden Dekrete in den Konflikt mit Heinrich IV., der sein ferneres Leben bestimmte.

Der junge deutsche König glich in nichts seinem bedeutenden Vater. Hemmungslos in seinen Leidenschaften, ohne Bedenken in der Wahl seiner Mittel, ohne Achtung vor der päpstlichen Würde und ohne Sinn für die religiöse Mission der Kirche war er bereits von Alexander II. wegen Verschacherung der Kirchenämter gebannt worden. Gregor war geneigt, des Königs Fehler mit seiner Jugend und seinen schlechten Ratgebern zu entschuldigen, unterstützte ihn gegen die siegreichen Sachsen und befreite ihn vom Bann, als Heinrich in seinem Brief Besserung der Mißstände gelobte. Sobald aber Gregor auf mehreren Synoden Ernst machte mit seinem Willen zur Reform und die widerspenstigen Bischöfe kurzerhand absetzte, brach in Deutschland eine offene Revolte aus, und Heinrich IV. machte sich zu ihrem Sachverwalter. Für ihn sprach der Umstand, daß damals die deutschen Bischöfe und Äbte zugleich Reichsfürsten und Inhaber der wichtigsten Kronlehen waren, so daß also der König ihrer Treue unbedingt sicher sein mußte. Deshalb auch sein zähes Festhalten an dem traditionellen Anspruch, erledigte Bischofsstühle nach seinem Gutdünken neu zu besetzen. Hätte er nur würdige und geistlich gesinnte Männer ernannt, wäre es jedoch kaum zwischen ihm und der Kirche zum Bruch gekommen.

Von der Sachsennot befreit und von seinen Räten gegen den Papst aufgestachelt, setzte Heinrich unbekümmert um Gregors Einspruch Bischöfe ein und ab. Als der Papst ihn mehrmals brieflich und durch Gesandtschaften mahnte, erhielt er ein Schreiben des Reichstags zu Worms „An den Bruder Hildebrand“, in welchem die Bischöfe ihm den Gehorsam aufkündigten und der König ihm zurief: „Steig herab von deinem Sitz, befehle ich dir.“ Das war die offene Kampfansage, und Gregor konnte darauf nicht anders antworten als mit der Absetzung und Bannung des Königs. Während aber Heinrich in maßlosem Haß den Papst öffentlich beschimpfen läßt, bleibt Gregor der Priester, dem es nur auf das klare Recht der Kirche, ihre Freiheit von staatlicher Bevormundung und auf die unbehinderte Entfaltung ihrer religiösen Sendung ankommt. Er ist jederzeit bereit zu verzeihen, wenn der König ehrlich einen Ausgleich der kirchlichen und staatlichen Interessen herbeizuführen sucht. Tatsächlich spricht Heinrich, von seinen Fürsten verlassen und der Liebe des Volkes beraubt, in Canossa vor dem Papst das Schuldbekenntnis und wird des Bannes enthoben. Da aber dieser Schritt nur aus äußerem Zwang geschieht, um Reich und Krone zu retten, kann der Friede nicht von Bestand sein.

In der Folgezeit erlebt Gregor eine Enttäuschung nach der anderen. Die deutschen Fürsten haben Rudolf von Schwaben zum König gewählt. Diesem fehlt es nicht an Gründen, den Papst zu bestürmen, den wankelmütigen und arglistigen Heinrich endlich fallen zu lassen. Daß Gregor trotzdem drei Jahre zögert, über Heinrich den Stab zu brechen, ist ein untrüglicher Beweis für seinen Gerechtigkeitswillen. Seit er dem König zu Canossa mit eigener Hand den Leib des Herrn gereicht hat, bringt er es kaum über sich, ihn erneut zu bannen und abzusetzen. Als es schließlich doch geschieht, führt Heinrich sofort den Gegenschlag: er stellt mit den ihm ergebenen Bischöfen zu Brixen einen Gegenpapst auf und zieht mit Heeresmacht gegen Rom. Nachdem er Rudolf von Schwaben vernichtet hat, will er sich auch des lästigen Mahners auf dem Stuhl des heiligen Petrus entledigen. Nach langer Belagerung fällt die Stadt in seine Hand. Gregor rettet sich in die Engelsburg und muß die Normannen aus Unteritalien zu Hilfe rufen, um befreit zu werden. So entsetzlich aber sind die Greuel dieser Straßenkämpfe, daß nun auch die Römer sich gegen den Papst empören. Im Gefolge der Normannen verläßt Gregor die Petrusstadt.

Unbeachtet und von allen Freunden verlassen, ist er am 25. Mai 1085 in Salerno gestorben, bis zum letzten Augenblick überzeugt vom Recht und von der Notwendigkeit seines Kampfes. Er hätte sich durch ein willfähriges Wort von allen Leiden und Verfolgungen retten können, aber er hat lieber Verbannung und frühen Tod ertragen als wider sein Gewissen zu handeln. Mag auch das Wort, das man dem Dulder in den Mund legt, historisch nicht erwiesen sein, es spiegelt doch wie kein anderes die sittliche Größe dieses Mannes wider: „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung.“ Auch im Tode kehrte der große Papst nicht nach Rom zurück. Das ferne Salerno hütet sein Grab.

Die heilige Lucia – Märtyrin in Syrakus

(13. Dezember)
P. Marc Brüllingen


Steht aber nicht am Lucientag über unseren Dörfern und Städten schon der Stern von Bethlehem? Nur noch zwölf Nächte trennen uns von dem Wunder der Menschwerdung Gottes; diese „heiligen zwölf Nächte“ sollen uns nicht schrecken, sondern alt und jung hinführen zur Krippe des Gottessohnes. Nur noch zwölf Nächte – das kündet uns der Lucientag. So hat auch Sankt Lucia selbst des Tages geharrt, an dem sie ihren Gott von Angesicht zu Angesicht schauen durfte. Sie starb als eines der letzten Opfer der römischen Verfolgungszeit. Eine Innschrift aus der Giovanni-Katakombe in Syrakus sichert ihre historische Existenz und erwähnt schon um das Jahr 400 ihr Fest. Als die nordischen Eroberer das Reich der Cäsaren zertraten, ging auch das Gedächtnis der Märtyrin Lucia unter. Erst Jahrhunderte später entsann man sich wieder ihres Namens, und die sinnende Legende wußte zu erzählen, was weder Stein noch Urkunde aufbewahrt hatten:

Sankt Lucia pilgerte mit ihrer Mutter Euthicia, die am Blutfluß litt, zum Grabe der heiligen Agatha nach Catania, rief fromm die große Heilige an und ward von ihr erhört. Voll Freude über die wiedererlangte Gesundheit gab ihr die Mutter die Erlaubnis, ihre Mitgift an die Armen der Stadt zu verschenken. Das erzürnte den Bräutigam wider sie, und er ging hin und klagte seine Braut Lucia bei dem Richter Paschasius an, sie sei eine Christin und des Todes schuldig. Paschasius befahl, Lucia ins Haus der Schande zu bringen; doch konnten tausend Leute sie so wenig von der Stelle bringen wie ein Joch Ochsen, das die Knechte anspannten. Auch Feuer und siedendes Pech taten ihr nichts zuleide. Während Paschasius in großer Verlegenheit dastand, wie er die Jungfrau vom Leben zum Tode bringen könne, sprang einer von seinen Freunden herzu und stieß Sankt Lucia den Dolch bis zum Heft in die Kehle. Sie lebte noch, bis sie den Leib des Herrn empfangen.

Die Legende will auch wisen, daß sie vor dem Tode ihre Augen, die ihr Bräutigam immer gepriesen, ihm als Dank für seinen Helferdienst zu Gott übersandt habe; denn sie schaute jetzt mit den Augen des Geistes. Mit den Augen des Geistes sollten auch wir diese Umdichtung streng vom schlichten Martertod unterscheiden.

Die heilige Lucia ist die Schutzheilige von Syrakus; ferner der Blinden, Bauern, reuigen Dirnen, Glaser, Kutscher, Näherinnen u. a. Im Dom von Syrakus, jener eindrucksvollen Basilika, die in einen antiken Tempel eingebaut ist, ist ihr eine Kapelle geweiht. Dort steht eine gekrönte Silberstatue der Heiligen mit Palmzweig und Öllämpchen. Oft sieht man sie aber auch mit einer Schüssel dargestellt, auf der zwei Augen liegen.

(nach: Hans Hümmeler, Helden und Heilige, 1964; Verlag Haus Michaelsberg, Siegburg; und: Erna und Hans Melchers, Das große Buch der Heiligen – Geschichte und Legende im Jahreslauf; Bearbeitung: Carlo Melchers; Südwest Verlag München, 8. Auflage 1985)

Der heilige Andreas Avellinus

(Fest: 10. November)
von P. Marc Brüllingen


* 1521 in Castronuovo, + 10. 11. 1608 in Neapel

Als Jüngling schon ein Bild auffallender Schönheit, leidenschaftlich und klug, hätte Lancelot Avellinus nicht im üppigen, sinnenfrohen Zeitalter der Renaissance leben dürfen, um nicht aller Augen auf sich zu ziehen. Mehr als einmal erging es ihm wie dem ägyptischen Joseph im Hause Potiphars; aber der Gedanke an seine inniggeliebte Mutter, eine Frau von seltener Tugend, bewahrte ihn vor dem Fall. Gern floh er aus den heißen Straßen seiner Vaterstadt Castronuovo hinaus aufs Land, sammelte dort die Kinder um sich und lehrte sie die Lauretanische Litanei, die ihm das schönste aller Gebete schien. Eine Verleumdung, als habe er die Tochter einer angesehenen Familie verführt, und die Racheschwüre der beleidigten Sippe trieben ihn nach Neapel. Wieder erneuerten sich die Versuchungen. Um vor den Liebesabenteuern vornehmer Damen Ruhe zu haben, mußte der junge Student sehr häufig seine Wohnung wechseln. Die Gelüste des eigenen Blutes bezähmte er durch anstrengende Arbeit und genaue Tageseinteilung. So errang er schon früh und mit Auszeichnung den Doktorhut in den Rechtswissenschaften.

Den Würden und Reichtümern des Diesseits war er nicht abgeneigt, und wenn er sich nach dem Abschluß seiner Studien zum Priester weihen ließ, so stand die Hoffnung auf ein geachtetes und bequemes Leben mittels einer guten Pfründe dabei nicht an letzter Stelle. Wozu das Priestertum in Wirklichkeit verpflichtet, das erfuhr er erst durch die vertraute Freundschaft mit seinem heiligmäßigen Beichtvater Peter Foscarenus aus dem Theatinerorden. Lancelot Avellinus kam ins Nachdenken; eine trübe Erfahrung vor Gericht sollte ihm den entscheidenden Anstoß zur Umkehr geben. Aus Eitelkeit und Ehrgeiz machte er auch als Priester gern den Anwalt bei irgendwelchen Rechtshändeln seiner Freunde. Dabei geschah es ihm eines Tages, daß er wider Recht und bessere Erkenntnis mit falschen Beweismitteln auftrat, nur um den Prozeß nicht zu verlieren. Von Gewissensängsten gequält, schwor er sich, niemals mehr eines Laienamtes zu walten, und wurde fortan ein Priester, den ganz Neapel wegen seines frommen Wandels achtete.

Deshalb vertraute ihm auch der Erzbischof die schwere, undankbare Aufgabe an, ein zuchtloses Frauenkloster zu reformieren. Die Helfershelfer der aufsässigen Nonnen aber überfielen ihn und verwundeten ihn schwer. Mit knapper Not rettete er sich in das Theatinerkloster. Kaum genesen, bat er kniefällig um Aufnahme in die strenge Genossenschaft, begann mit sechsunddreißig Jahren noch das Noviziat und nahm statt des romanhaften Ritternamens Lancelot den Namen Andreas an. Der Märtyrer des Kreuzes sollte sein besonderer Patron sein.

Mit einer heiligen Rücksichtslosigkeit kreuzigte er nun sich selbst, aber je mehr er der Eigenliebe abstarb und je gewissenhafter er der Regel folgte, um so tiefer drang er in die Weisheit Gottes ein, so daß viele Kardinäle und auch der heilige Karl Borromäus sich bei ihm Rat holten. Lange Zeit freilich sandte ihm Gott die Prüfung der Seelennacht; solange sie andauerte, ordnete er sich wie ein Kind den Weisungen derer unter, die bisher seine erleuchtete Kunst der Seelenführung bewundert hatten. Oder der Satan beängstigte und quälte ihn mit groben Mißhandlungen, konnte ihn aber nicht abschrecken, bis in sein hohes Greisenalter mit Anspannung aller Kräfte durch Gründung von Theatinerklöstern, Predigt und geistliche Übungen für die Erneuerung des verweltlichten Klerus aus dem Geiste des Urchristentums tätig zu sein. In seinem achtundachtzigsten Lebensjahr verschied er am 10. November 1608, eben im Begriff, das heilige Opfer darzubringen, an den Stufen des Altares mit dem dreimal wiederholten: „Introibo ad altare dei“ – „Zum Altare Gottes will ich treten …“.

Der heilige Andreas Avellinus wird als Patron gegen einen plötzlichen Tod verehrt.

(nach: Hans Hümmeler, Helden und Heilige, 1964; Verlag Haus Michaelsberg, Siegburg)

Das Fest der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria

von P. Marc Brüllingen


ma03aDas Fest der Mutterschaft Mariä wurde im Jahre 1931 von Papst Pius XI. (1922-1939) feierlich eingeführt und auf den 11. Oktober festgelegt. Anlaß für dieses Fest war die 1500. Jahresfeier der Dogmatisierung der Gottesmutterschaft Mariens, die im Jahre 431 feierlich auf dem Konzil von Ephesus verkündet wurde.

Bei der Verkündigung des Dogmas lehrte das Konzil von Ephesus, daß „der Emmanuel (=Jesus Christus) wahrhaft Gott und deshalb die hl. Jungfrau Gottesgebärerin ist“. Hintergrund für die Dogmatisierung war die Irrlehre des Nestorius, der sog. Nestorianismus.

Nestorius, ein Syrer von Geburt, erhielt seine theologische Ausbildung in Antiochien, wo er Mönch und Priester war und wegen seiner Beredsamkeit großes Ansehen erlangte. Im Jahre 428 wurde er durch kaiserliche Huld Patriarch von Konstantinopel und erregte bald darauf durch seine Predigten, die beim Volk auf heftigen Widerspruch stießen, großes Aufsehen.

Er predigte gegen den Titel der „Gottesgebärerin“. Maria sei nur „Menschengebärerin“ oder besser „Christusgebärerin“, da sie den Menschen gebar, mit dem der göttliche Logos innig vereint war, in dem er wie in seinem Tempel wohnte. Nestorius lehrte also eine Zweiheit der Personen in Christus, d.h. in Christus seien nicht nur zwei Naturen, nämlich die göttliche und die menschliche Natur, sondern auch zwei Personen, die göttliche und die menschliche Person!

Das Dogma von der hypostatischen Union lehrt jedoch, daß die beiden Naturen in Christus, die göttliche und die menschliche, in einer Person und zwar in der zweiten göttlichen Person vereinigt sind (= hypostatische Union).

Gegen Nestorius trat der hl. Cyrill von Alexandrien (Fest am 9. Februar) auf, der in einem Schreiben den Titel theotókos (=Gottesgebärerin) verteidigte und Papst Cölestin I. um eine Entscheidung ersuchte. Cölestin I. gab Cyrill daraufhin uneingeschränkte Vollmacht zur Erledigung der Angelegenheit.

Inzwischen hatte Kaiser Theodosius II. für Pfingsten 431 ein allgemeines Konzil nach Ephesus einberufen, um die Frage zu klären. Bischof Johannes von Antiochien verzögerte absichtlich seine Ankunft, weil er ein Freund des Nestorius war. Mit 16-tägiger Verspätung eröffnete Cyrill – trotz des Einspruchs des Vertreters des Kaisers – am 22. Juni das Konzil, auf dem er die beherrschende Persönlichkeit war. Nestorius war zwar in Ephesus, erschien aber nicht auf dem Konzil. Vier Tage später erschienen die Antiochener und zeigten sich verletzt, da man nicht auf sie gewartet und ohne sie eine Entscheidung gefällt hatte. Begünstigt vom kaiserlichen Vertreter hielten sie ein Gegenkonzil unter Johannes von Antiochien ab, das die Lehre Cyrills verurteilte und ihn absetzte. Noch später erschienen die päpstlichen Legaten, die sich gleich auf die Seite von Cyrill stellten. Auch Johannes von Antiochien wurde exkommuniziert.

Beide Parteien wandten sich nun an den Kaiser, der zuerst beide Absetzungen bestätigte, dann aber die Rechtmäßigkeit der Absetzung des Nestorius anerkannte. Dieser wurde in ein Kloster verbannt. Nachträgliche Verhandlungen führten 433 zu einer Einigung zwischen Cyrill und den Orientalen, die vom Papst mit Freude begrüßt wurde.

Das Konzil von Ephesus (431) setzte Nestorius ab und folgte der Lehre des hl. Cyrill von Alexandrien, die darauf hin zielte, daß Christus nicht nur einer, sondern eins ist, ein Wesen, d.h. das zwei Naturen in einer Person vereinigt sind (= hypostatische Union).

So kam es also zur Dogmatisierung der „Gottesmutterschaft“ Mariens auf dem Konzil von Ephesus, daß Maria im wahren und eigentlichen Sinn Mutter Gottes ist. Dieser Satz besagt selbstverständlich nicht, daß Maria ihrem Sohn die göttliche Natur mitgeteilt hat, sondern daß ihr Sohn Gott ist. Maria hat nicht eine menschliche Natur geboren, sondern eine Person, nämlich den Gottsohn. Die Mutterschaft bezieht sich auf die Person. Nur wenn Maria einen Menschen geboren hätte, der erst später Sohn Gottes geworden wäre, wäre die Bezeichnung Gottesmutter falsch.

Die Gottesmutterschaft ist eine unverdiente Gnade. Maria konnte sie nicht verdienen, denn die Inkarnation (= Menschwerdung) ist das Prinzip aller Verdienste. Maria übertrifft alle geschaffenen Personen an Würde. Sie ist als Gottesmutter in ein einzigartiges Verhältnis zu Gott getreten. Sie hat Gott selbst die menschliche Natur geschenkt und ist seiner Menschheit nach mit ihm blutsverwandt.

Aufgrund der Erhabenheit dieses Dogmas von der Gottesmutterschaft Mariens hat Papst Pius XI. anläßlich der 1500-Jahrfeier der Dogmatisierung das Fest der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria eingeführt.

Unser Herr Jesus Christus hat, als er sterbend am Kreuz hing, seine Mutter auch uns zur Mutter gegeben. Daher dürfen wir Maria als unsere Mutter verehren und in jeglichen Anliegen um ihren Schutz und ihre Fürbitte anrufen. Danken wir ihr täglich dafür.


Foto: Heike Hannah Lux

Der hl. Blasius – einer der 14 Nothelfer

von P. Marc Brüllingen


Untrennbar mit dem Namen des heiligen Blasius ist der sog. Blasiussegen verbunden, den der Priester am Fest des hl. Blasius, am 3. Februar, den Gläubigen spendet. Hierzu kniet jeder Gläubige vor dem Altar nieder. Der Priester hält in Kreuzesform zwei Kerzen, die am Blasiusfest eine eigene Segensformel haben, vor den Hals des Gläubigen und spricht das im Römischen Rituale angegebene Segensgebet:

„Per intercessiónem sancti Blásii, Epíscopi et Mártyris, líberet te Deus a malo gútturis, et a quólibet álio malo. In nómine Patris, et Fílii + et Spíritus Sancti. Amen.“

(„Auf die Fürsprache des heiligen Bischofs und Martyrers Blasius bewahre dich Gott vor Halskrankheit und jeglichem anderen Übel. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“)

Die Tatsache, daß der hl. Blasius besonders bei Halskrankheiten um Hilfe angerufen wird, ist in dem Ereignis begründet, als der hl. Blasius im Kerker einem Jungen durch sein Gebet das Leben gerettet hat, weil dieser an einer Fischgräte zu ersticken drohte.

Blasius wurde um die zweite Hälfte des 3. Jh. in Sebaste/Armenien (heute: Sivasin/Türkei) geboren und starb ebenda wohl im Jahr 316 den Martertod unter Kaiser Licinius (308-324?). Wahrscheinlicher ist aber das Martyrium zur Zeit von Kaiser Diokletian.

Blasius war von Beruf Arzt und wurde später Bischof in seiner Heimatstadt Sebaste. Über das Leben des Heiligen ist uns nur wenig bekannt. Nach der Legende soll sich Blasius während der Christenverfolgung in einer Höhle versteckt haben, wo er von wilden Löwen, Tigern und Bären bewacht wurde. Vögel brachten ihm Nahrung herbei, und er segnete wilde Tiere und heilte deren Verletzungen. Die Jäger fanden kein Wild mehr, da sich alle Tiere zu Blasius geflüchtet hatten. Aus dieser Einsiedelei heraus soll Blasius dann sein Bistum geleitet haben.

Eines Tages dann offenbarte ihm Christus daß die Zeit seines Martyriums gekommen sei. Trotz der Bewachung durch die wilden Tiere wurde er von Jägern gefangengenommen und vor den Statthalter Agrikolaos gebracht. Dieser ließ ihn ins Gefängnis werfen, da Blasius sich weigerte Götzenbilder anzubeten. Im Kerker selbst oder auf dem Weg dorthin, wirkte Blasius dann dieses berühmte Wunder, indem er einem Jungen durch Fürsprache und Gebet vor dem Ersticken an einer Fischgräte das Leben rettete. Durch Blasius‘ Standhaftigkeit im Glauben ließ der erbittert Statthalter schließlich die Haut des Heiligen mit eisernen Wollkämmen zerfetzen. Sieben Frauen, die aus Ehrfurcht vor dem heiligen Bischof dessen Blut aufsammelten, wurden ebenfalls gefangengenommen und mit Kämmen gemartert. Als der feurige Ofen, in den sie geworfen werden sollten, vor ihnen erlosch, wurden sie schließlich enthauptet.

Daraufhin wurde Blasius mit zwei Gefährten in einen Teich geworfen, er machte das Kreuzzeichen über das Wasser, Christus erschien, und sie schritten trockenen Fußes an Land. Vor seiner Hinrichtung bat Blasius noch darum, daß alle Erhörung fänden, wenn sie bei Halskrankheiten oder sonstigem Übel seinen Namen anriefen. Vom Himmel versicherte ihm eine Stimme, daß seine Bitte Erhörung finden solle. Schließlich wurde auch er zusammen mit den beiden Gefährten enthauptet.

Die Verehrung des hl. Blasius ist im Blasiussegen verankert und begann in Deutschland nach der Übertragung der Reliquien von Rom nach Rheinau am Hochrhein, dem Mutterkloster von St. Blasien im Schwarzwald (um 855). Von dort oder von St. Blasien dürften Teile der Gebeine um 990 zur Kathedrale von Toul gelangt sein, deren Bischof, der spätere Papst Leo IX., den Kult stark förderte. Reliquien des hl. Blasius befinden sich auch in Paris, Dubrovnik und im sauerländischen Balve.

Der hl. Joseph

von P. Miguel Stegmaier


„Quis et qualis homo fuerit beatus Joseph?“ (Sermo sancti Bernardi Abbatis) „Wer und was für ein Mann ist der heilige Joseph wohl gewesen?“ (Predigt des hl. Abtes Bernhard)

Die Auskünfte, die das Evangelium über den heiligen Joseph gibt, reichen nicht aus, sein Leben darzustellen. Das soll uns aber nicht hindern, über ihn zu sprechen. Wir ahnen doch schon, daß der Mensch, der in so enger Verbindung mit Jesus und Maria lebte, eine selten „edle Seele“ gehabt haben muß.

Der heilige Epiphanias sagt darüber: „Obgleich arm und dürftig, in ganz gewöhnlichen Verhältnissen lebend, obgleich von den Augen der Welt unbekannt und ungeachtet, war doch vor dem Angesichte Gottes keiner edler und reicher als Joseph, weil keiner zu einer solchen Auszeichnung erhoben wurde.“ Und der hl. Bernardin von Siena erweitert: „Gott vereinte mit dieser gebenedeiten Jungfrau keine andere Wirksamkeit und Tugend als eine solche, die der ihrigen höchst ähnlich war.“ Wollten wir es doch versuchen, die Seele Josephs in den einzelnen Berichten des Evangeliums zu entdecken, finden wir einige wenige Szenen, über die der hl. Leonard von Porto Maurizio, aus dem Franziskanerorden, schreibt: „Schweigen also auch die Evangelisten und übergehen fast alles, was sie von den hohen Vorzügen und vollkommenen Tugenden zu seinem Ruhm hätten sagen können, so genügt mir schon dies eine, daß sie ihn den Mann Mariens nennen. Das heißt, unter allen Lebenden war er dem vollkommensten Werk, das im Bereich der geschöpflichen Wesen aus den Händen Gottes hervorging, am ähnlichsten. „In der Tat, wie heilig mußte dieser Mann gewesen sein, wie rein in seinen Gedanken und wie zart in seinem Empfinden, daß er Maria unter seinen Schutz nahm, obwohl das Geheimnis, das sich in ihrem Schoß regte und dessen göttlicher Ursprung ihm verborgen war, ihn tief erschreckt hatte.

Trotz allem wird Joseph „der Mann Mariens“ genannt. Der Engel selbst wendet sich mit dieser Bezeichnung an ihn, und deshalb nennt ihn die Kirche im Kanon der hl. Messe ja auch „Virginis sponsi“ (Mann der Jungfrau Maria). Der hl. Kirchenlehrer Thomas von Aquin gibt uns eine weitere Antwort dazu: „Diejenigen, die Gott zu etwas auserwählt, bereitet er vor und stattet er aus, daß sie zu dem Amt, wozu er sie bestimmt, tauglich befunden werden.“ Joseph ist also auserwählt, der Mann Mariens zu werden. Als der Engel zu Joseph sagte: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt. 1, 20-21), was nichts anderes bedeutete, als daß Maria den Erlöser des Volkes Israel zur Welt bringen werde, ihre Überraschung darüber war groß, denn auch sie erwartete gemeinsam mit ihrem Volk diesen ungeduldig.

Gerade die „messianische Hoffnung“ zeichnete die Religion der Juden aus. Der Eifer der Frommen wandte sich der Zukunft zu: einer wunderbaren Zukunft, in der der Messias sein Volk retten und ein Königreich gründen werde, dessen Herr Gott selbst sein würde. Von dieser Hoffnung war Joseph tief durchdrungen und überzeugt; er erwartete noch ungeduldiger aber glücklicher als der weise Simeon die Ankunft des Messias und das Heil seines Volkes: „Joseph ist weit glücklicher als Simeon; er trägt das Jesuskind nicht bloß einmal auf seinen Armen, sondern tausendmal“ (Johann Baptist de Lectis d’Orlonia)“Viele erwarteten den Messias vor allem einer politischen und zentralistischen Neuordnung wegen. Denn der Messias malten sie sich auch aus als den „Befreier des Volkes“, das selbst nicht imstande war, die Befreiung zu erlangen. Joseph, als „vir justus“ (Gerechter) hegte den Wunsch nach nationaler Befreiung gegen die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten der fremden römischen Besatzung.

Joseph war ein Mann seiner Zeit, doch ging seine Hoffnung weit über das bloße Niveau politischer Erwartungen hinaus. Er erinnerte sich an die prophetischen Aussprüche von Jeremias und Ezechiel, die einen neuen Bund ankündigten, in dem das Volk in „einem neuen Geist und mit neuem Herzen“ (Jer. 31, 31-33, Ezech. 36, 25-29) wirklich seinem Gott angehören würde. Das ideale Volk der Zukunft sollte mit göttlicher Heiligkeit erfüllt werden. Deshalb war sein Leben im Allgemeinen ein stilles Vorbereiten der Erlösung und glanzvollen Offenbarung Christi in der Tradition der Propheten. Wie standen doch, anscheinend, andere Persönlichkeiten der messianischen Zeit durch ihr Amt Gott näher. Der Priester Zacharias zum Beispiel oder die letzten Propheten. Und doch vertraute Gott nicht ihnen seinen eingeborenen Sohn an, sondern den schwieligen, rissigen Händen eines einfachen Mannes, der keine theologische Bildung besaß, den die Pharisäer verachteten, der lediglich von ganzem Herzen fromm war.

Der Evangelist Matthäus berichtet uns: „Als Joseph vom Schlafe erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (Mt. 1, 24). Die Botschaft des Engels gab seiner Hoffnung neuen Aufschwung und sein Glaube ist hier tatsächlich offenbar geworden. Deshalb nahm er Maria voll Vertrauen zu sich, mit dem ganzen Geheimnis ihrer Mutterschaft, er nahm sie zu sich zusammen mit dem Sohn, der durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Welt kommen würde, als Messias seines Volkes. Und so lebte er Seite an Seite mit Jesus und Maria in Nazareth und die drei bildeten eine „Heilige Familie“, deren allgemeine Bedeutung weit über jede private hinausging. Zwischen ihr und dem Erlösungsplan Gottes herrscht eine innige Beziehung; war sie doch von grundlegender Bedeutung für die Kirche, das Reich Christi und die ganze Menschheit.

Joseph dachte an Gott, er redete mit Gott, er tat seine Arbeit für Gott. Auf diese Weise hatte er sich von aller bösen Begierde gereinigt und war des einzigartigen Gnadenvorzugs würdig geworden: „Bräutigam der Allerseligsten zu heißen und den Erlöser der Welt auf den Armen zu halten. „Bei Joseph bildete sich eine ganz übernatürliche Hoffnung heraus durch den täglichen Kontakt mit Jesus. Inniger Glaube und unerschütterliches Vertrauen lebten in ihm auf die Güte Gottes. Die Liebe unterdrückte bei ihm jede Regung der Bitterkeit. Was der hl. Joseph für seine Familie leistete und ihr bot, hat er damit der Kirche und auch uns geboten. Ein so liebevolles Verhalten belohnt Gott; dafür ist die Seele Josephs mit größter Freude erfüllt worden: „Wohlan denn, du guter und getreuer Knecht, weil du in Wenigem treu gewesen bist, will ich dich über Vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Der hl. Bernhard sagt sehr schön: „Joseph ist von Gott dazu bestimmt worden, gleichsam der Verwalter seiner großen Geheimnisse auf der Erde zu sein, das erhabene Geheimnis der Menschwerdung des eingeborenen Sohnes zu kennen und zu fördern, der Bräutigam Mariens und Beschützer ihrer Jungfräulichkeit zu sein und Pflegevater Jesu Christi genannt zu werden. Welch ein Glück für ihn, Jesus Christus nicht nur zu sehen, sondern auch ihn zu hören, ihn an sein Herz zu drücken, ihn von einem Ort zum andern zu tragen, ihn zu liebkosen, zu umarmen, zu nähren, und Anteil zu nehmen an jenen unaussprechlichen Geheimnissen, welche den Augen der Welt verborgen gewesen sind!“

Das ganze Leben des Heiligen bildete eine lange Reihe von ungezählten, wichtigen Diensten, die er dem göttlichen Wort, seiner Menschwerdung und seiner Erziehung im Schoß der Familie von Nazareth geleistet hat mit Fleiß, sowie Demut und Frömmigkeit, nicht im Evangelium direkt nachzulesen aber auch nicht Legende. Josephs Verhalten als „Verwalter“ auf Erden der Geheimnisse Gottes, beweist die Bedeutung der Mitarbeit, zu der auch wir berufen sind, um durch unsere Hoffnung dem Werk Gottes zu dienen. Gott verlangte von Joseph die Haltung der Hoffnung, und seine Hoffnung war ein Flehruf an den Erlöser, sein Werk zu vollziehen: „Joseph von Nazareth, der Glauben hatte und gegen jede Hoffnung hoffte“ (Papst Johannes Paul II.).

Dieser Heilige liebt die Menschen, die sich in sehnsüchtiger Erwartung ihm zuwenden. Wenn Joseph auch nicht direkt und sichtbar an der Wiederaufrichtung des Gottesreiches arbeiten konnte, so lehrt er uns doch, durch das innere Verlangen des Herzens an der Ausbreitung des Reiches Christi mitzuwirken. Er kann uns helfen, aus unserer Hoffnung ein Beten zu machen, das göttliche Gnade auf die Menschheit herabzieht. Schutzpatron der Kirche, Schutzpatron der Familie, Schutzpatron der Sterbenden – mit diesen überirdisch hohen Ehrentiteln belohnte die Kirche ein männlich opferbereites und gerechtes Herz, eine männliche, reine und ernste Liebe: „Der Herr hat den Gerechten auf rechtem Weg geführt. Und ihm das Reich Gottes gezeigt“ (Sap. 10, 10). Wir Menschen freilich haben lange gebraucht, um die innere Größe dieses Mannes zu verstehen. Deshalb lassen wir uns jetzt die Ehre Josephs angelegen sein. Und wenn sich eine Gelegenheit bietet, seine Verehrung zu empfehlen und zu verbreiten, lassen wir sie nicht ungenutzt vorübergehen: „Geht zu Joseph“ (Gen. 41, 55). Das war der Rat und sollte der Trost sein, den Pharao seinem armen Volk gab. Können wir diesen Rat nicht auch denen geben, die uns ihre Not klagen?

Es ist ein leichtes Apostolat für den heiligen Joseph, das ihm sehr wohlgefällig, dem Nächsten und uns von Nutzen sein wird: „Zu meinem Fürsprecher und Herrn erwählte ich den glorreichen heiligen Joseph und empfahl mich ihm recht inständig. Und in der Tat! Ich habe erkannt, daß dieser mein Vater und Herr gewesen, der mich sowohl aus meiner damaligen Not als auch aus anderen und noch größeren Nöten, die meine Ehre und das Heil meiner Seele betrafen, gerettet und mir sogar noch mehr verschafft hat, als ich zu bitten gewußt“ (hl. Theresia von Ávila).


Bild: Ikone des hl. Joseph | Foto: Heike Hannah Lux

Bruder Firminus Wickenhäuser OFM

von P. Andreas Fuisting


Ich erinnere mich gut daran, als kleiner Junge häufiger vom „Herrgottsbrüderle“ gehört zu haben, besonders dann, wenn ich mit Erwachsenen spazierengehend am Franziskanerkloster in meiner Heimatstadt Düsseldorf vorbeikam, wo er in der Krypta beigesetzt ist. Dabei befremdete meine rheinländischen Ohren das „-le“, was ich nicht deuten konnte. Später erfuhr ich den Grund: Bruder Firminus war Schwabe.

Geboren in Massenbachhausen (Kreis Heilbronn) wurde Josef Wickenhäuser am 19. Januar 1876 als Sohn einfacher und armer Eltern. Sein Vater Adam war Schäfer von Beruf. In zweiter Ehe heiratete dieser Elisabeth Merkle, die Mutter Josefs. Sie galt als tiefreligiöse und geduldige Frau. Das Vorbild seiner christlichen Eltern war die beste Anleitung für Josef zu heiliger Gottesfurcht und christlicher Frömmigkeit. Sein Vater starb 1891; ab diesem Zeitpunkt mußte Josef für den Unterhalt seiner Mutter sorgen. In seiner Pfarrkirche empfing er die Hl. Taufe und diente als Bub seinem Pfarrer als vorbildlicher Meßdiener am Altar, wo er 1889 die erste Hl. Kommunion empfing. In Kirchhausen wurde Josef 1892 gefirmt. Nach der Schulentlassung (Volksschule in seinem Heimatdorf) arbeitete er zur Unterstützung seiner Eltern in einem Steinbruch. Mit 16 Jahren begann Josef seine Lehre bei Steinmetz Pisot in Kirchardt. Diesem viel sogleich die außergewöhnliche Frömmigkeit und Redlichkeit seines Lehrlings auf, der sich niemals dazu verleiten ließ, gegen sein Gewissen zu handeln. Wurde er von Kameraden ausgelacht oder verspottet, ließ er sich nicht beirren und setzte sich meistens durch. Sah er bei Hänseleien die Nutzlosigkeit persönlicher Rechtfertigung ein, schwieg er lieber.

Mit einem guten Zeugnis ging Joseph als Steinmetz nach Stuttgart in das Grabsteingeschäft Schönleber. Hier lernte er die eigentliche Bildhauerarbeit, Punktieren und Modellieren. Seine freien Stunden galten Weiterbildung und Gebet. Früh auf sich allein gestellt, brachten Wanderjahre ihn bis ins Rheinland und nach Berlin. 1896 kam Josef zum Militärdienst beim Infanterieregiment „Kaiser Franz Josef“. Das Soldatenleben konnte ihn aus seiner gewohnten und gesuchten Christusverbundenheit nicht herausholen.

In Stuttgart lernte Josef das Hausmädchen Maria Farny kennen, die wegen ihrer Frömmigkeit und heiteren Wesensart von ihm geschätzt wurde. Sie versprachen sich einander die Ehe. Während seiner Wanderjahre forderte seine Verlobte von ihm eine Entscheidung. Josef entschied sich dazu dem Ruf Gottes zu folgen und gab Maria frei. Nach dem Tod seiner Mutter (1905) gab er seiner längst vernommenen Berufung endgültig nach und beschloß nun ganz für Gott da zu sein.

1906 erbat er die Aufnahme in den Franziskanerorden. Nachdem er mehrer Klöster besucht hatte, um im franziskanischen Geist geschult zu werden, kam Bruder Firminus, diesen Namen hatte er nach altem Brauch bei der Einkleidung erhalten, schließlich nach Düsseldorf. 1912 berichtete sein Novizenmeister: „Bruder Firminus faßt das Ordensleben ideal auf. Er zeigt großen Eifer im Tugendstreben und in seinem ganzen Verhalten den sicheren Ordensberuf.“

Mit Brüdern aus anderen Ordensgemeinschaften tat unser Bruder im Ersten Weltkrieg Dienst als Malteser überall, wo man ihn brauchen konnte: im Bahnhofsdienst, in Krankensälen und im Operationssaal. Keine Arbeit war ihm zu schwer und keine Zeit zu ungelegen in der Betreuung der Verwundeten. Einmal schreibt er. „Es wurde mir sehr schwer, die schrecklichen Wunden zu verbinden. Doch mit Gottes Hilfe konnte ich das Opfer bringen. Täglich gehe ich in der Frühe eine Stunde weit zur Kirche, um mir in der Feier der Hl. Messe die Kraft für mein schweres Tagwerk zu holen.“

Inzwischen war – auch während des Krieges – zu einer seiner Hauptaufgaben die Bildhauerei geworden. Trotz zahlreicher ehrenvoller Bildhauerarbeiten (Kaiser Wilhelm II. schätzte seine Arbeiten und grüßte ihn im Lazarett von St. Remi einmal mit: „Sind Sie der verkappte Michelangelo?“), hat er nie diese Arbeit, bei der er Adelsleute, Politiker und hohe Militärs modellierte, zum Gegenstand seines Lebens im soldatischen Dienst gemacht. Für ihn gab es nur Gott. Eine Anekdote verdeutlicht das. Als Firminus einmal gefragt wurde, ob er auch sonntags an einer Büste arbeiten könne, gab er die klare Antwort: „… ich pflege sonntags nicht zu abreiten, sondern zu beten und an mir zu modellieren.“

Zum Kriegsende November 1918 kam Bruder Firminus endlich ins Kloster Düsseldorf zurück und durfte nun wieder ganz Ordensmann sein. 1910 legte er die Ewigen Gelübde ab bis zum Tode. Vorbehaltslos ging er weiter auf sein Ideal zu, wie der hl. Franziskus es aufgestellt hat: Regel und Leben der Minderbrüder ist dies: Das hl. Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beobachten und zu leben in Armut, Gehorsam und Jungfräulichkeit. In seinen Aufzeichnungen lesen wir. „Es ist mein einziger Wunsch, daß ich ein immer besserer Minderbruder werde.“

Zwischen 1919 und 1924 erhielt der Bruder den Auftrag, an der St. Apollinariskirche in Remagen größere Restaurierungsarbeiten auszuführen. Es war zumeist eine mechanisch – technische Arbeit. Diese lag ihm eigentlich nicht. Aber er wollte nicht aufgeben oder um eine andere Arbeit bitten. Ihm galt der Auftrag als Auftrag Gottes.

Seine Haupttätigkeit als Bruder, aus Steinblöcken Kunstwerke herauszuarbeiten, blieb die Gesundheit des Firminus betreffend, nicht ohne Folgen. Er erkrankte an der berüchtigten Staublunge, bei der sich durch feinste Ablagerungen krankhafte Veränderungen am Lungengewebe zeigen. Als Folge bildete sich eine Schädigung des Herzens heraus, was mit der Zeit den ganzen Körper in Mitleidenschaft zog. Im Frühjahr 1939 wurde er ins Krankenhaus eingewiesen. Vorausahnend, daß sein Heimgang zum Herrn nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, ließ er sich nur Geld für die Hinfahrt geben. Trotz seines elenden Zustandes fanden ihn die Krankenschwestern häufig neben seinem Bett knien und beten. „Für Gott allein! So wirst du hier und ewig glücklich sein!“ So betete er! Wenn der Bruder konnte, half er den Schwestern beim Kranken- und Wirtschaftsdienst. Gern besuchte er die anderen Kranken, um ihnen durch sein Wort und seine Güte zu helfen. So ging Firminus betend, leidend, liebend und dienend seinem Heiland entgegen. Am 30. September 1939 verstarb er, nachdem ihm in der Krankenhauskapelle morgens noch die hl. Kommunion gereicht worden war. Am gleichen Tag wurde er ins Kloster überführt und im Klostergang aufgebahrt. Eine große Zahl an Verehrern brachte Blumen her und berührte seinen Leichnam mit Rosenkränzen.

Am 3. Oktober wurde Br. F. Wickenhäuser auf dem Friedhof in Stoffeln (Düsseldorf) beigesetzt. Die Anteilnahme der Bevölkerung war überraschend groß, hatte doch gerade erst der Zweite Weltkrieg begonnen. Nachdem die Friedhofsverwaltung die „häufigen und wiederholten Besuche des Grabes“ bestätigen konnte, leitete Joseph Kardinal Frings, Erzbischof von Köln, auf Bitten der Ordensgemeinschaft der Franziskaner am 29. April 1957 den Seligsprechungsprozeß ein. Am 14. September des Jahres 1957 schließlich wurden die Gebeine in die Bruder-Firminuskrypta des Franziskanerklosters in Düsseldorf überführt und dort beigesetzt.

Die Eigenschaften eines Heiligen

Demut:

Bruder Firminus machte seinem Ordensnamen alle Ehre. „Der Beständige“ war er gewiß, der in unerschütterlichem Glauben fest und beständig seinen Ordensweg ging. Dabei war er sich bewußt, aus der Kraft und Treue Gottes zu leben. In einer Mischung aus Humor und demütiger Überzeugung gab Firminus seinem Namen eine andere Deutung. Er sah sich als den „Vier – minus“, dessen Leben nur die Note „schwach ausreichend“ verdiente. Mit der „vier minus“ signierte er sogar seine Kunstwerke. Er wollte damit auf seine Art zeigen, was er war: nach der Regel des Ordensgründers Franziskus ein „Minderbruder“, der im Geist und in der Nachfolge Christi bereit ist, im selbstlosen Dienst an den Armen, Leidenden und Verachteten den letzten Platz einzunehmen.

Nächstenliebe:

Unter dem Beinamen, „Das Herrgottsbrüderle von Düsseldorf“ ist Bruder Firminus bekannt geworden. Zwar wurde ihm dieser Name wohl von Menschen verliehen, die ihn gut kannten und sein geistliches Leben schätzten; aber selbst trägt er auch Anteil daran. Es war nämlich seine Gewohnheit die Mitmenschen „Herrgottsbrüderle“ oder “ -schwesterle“ zu nennen. In dieser Kurzformel gab er seine Sicht vom Menschen wider: Jeder Mensch steht im Schnittpunkt der Gottesliebe (Herrgott) und Nächstenliebe (Bruder und Schwester). So schreibt er einmal: „Da jeder Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und unser Bruder und unsere Schwester ist, so ist infolgedessen unsere Nächstenliebe der heilige Maßstab unserer Gottesliebe.“

Es findet sich in der Hl. Schrift häufiger die Rede, daß Gott selbst seinen Getreuen einen neuen Namen geben wird. Besonders Freunden und Vertauten offenbart Gott diesen Namen bereits zu Lebzeiten, wie die Geschichte der christlichen Spiritualität zu berichten weiß. In diesem Zusammenhang bedeutet „Name“ das umfassende göttliche und menschliche Geheimnis der Person. „Herrgottsbruder“ könnte wohl ein solcher Name sein.

Beten:

Bruder Firminus beeindruckte viele durch seine innere Sammlung beim Gebet. Dieses war im Laufe der Jahre so sehr zur Mitte seines Lebens geworden, daß von einem beständigen und unaufhörlichen Gebetsgeist, der ihn beseelte, gesprochen werden kann. Er betete immerzu: in der Kirche, in der Werkstatt, bei jeglicher Arbeit und Freizeit. Stets war er sich der Gegenwart Gottes bewußt. So war er ein lebendiges Vorbild des Gebetes, das anderen Mut machte und zur Nachahmung anregte.

Gebet ist immer eine Begegnung mit Gott, in der Er seinen heiligen und liebenden Willen mit den unvollkommenen und oft so unheiligen Selbstentwürfen des Menschen durchkreuzt. Im Gebet offenbart Gott seinem geliebten Geschöpf stets neu seine Wahrheit und bietet ihm die Gemeinschaft seiner Liebe an. Firminus hat die Größe, aber auch die Schwierigkeiten der gottgewollten Umgestaltung durch das Gebet zutiefst erfahren. Er sagt selbst dazu: „Weil Gott mich liebt, will er mich auch trotz meiner Sünden noch heilig machen. Ich muß deshalb auch im Kreuz und Leid auf Gott vertrauen, ja, in Kreuz und Leid erst recht. Auch jede Schwierigkeit im Gebet läßt Gott zu, damit ich durch dieses Kreuz von meinen bösen Neigungen gereinigt, in der Tugend immer wieder geübt und schneller zur Vereinigung mit ihm gebracht werde. Die trockenen Stunden, wo ich nicht mit Trost und Genuß beten kann, will ich im Geiste der Buße und Sühne annehmen.“

In seiner Arbeit als Künstler:

Bruder Firminus liebte seinen Beruf und seine Arbeit. Doch stand bei ihm nicht die Leistung, sondern die Gesinnung im Mittelpunkt seines Schaffens. Er sah in seiner Tätigkeit einen „Dienst an der Schöpfung“ und zur Ehre Gottes und zum Heil und Wohl der Menschen. Neben dem Gebet war für ihn die Arbeit das beste Mittel, um seine wahre Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich unter Beweis zu stellen.

Große handwerkliche Fähigkeit, die ihn zum Steinmetz befähigte, verband sich bei ihm mit einer künstlerischen Begabung, die ihn zum Bildhauer werden ließ. Diese Tätigkeit am Stein wurde für ihn zu einem tiefen Sinnbild und Gleichnis. Sie schenkte ihm die Schau, daß es bei jeder Arbeit im Grunde darum geht, ein Kunstwerk zu schaffen, das vollkommen ist und nie vergeht. Ein solches Kunstwerk aber kann nur gelingen, wenn menschliches Handeln und göttliches Wirken Hand in Hand gehen. Es gelingt, wenn Gottes Hand den Meißel führt, mit dem unser Leben geformt und gestaltet wird, damit wir „dem Bilde seines Sohnes gleichgestellt werden“ (vgl. Röm 8,28 f.).

Besucher, und Bewunderer seiner Kunstwerke lernten seine Sicht dieses tiefen Sinngehalts menschlichen Wirkens kennen, wenn er ihnen sagte: „So wie ich mit Hammer und Meißel arbeite, so arbeitet der liebe Gott an unserer Seele, damit das Bild Christi in ihr herauskommt. . .

Laßt uns ausreißen, was einer anderen Richtung zuneigt, und unbarmherzig mit dem Hammer und dem Meißel der Abtötung herunterhauen, wie ich jetzt an einem Stein rücksichtslos schon sechs Wochen herunterhaue. Da gibt es keinen Eigenwillen von Seiten des Steines. . .

Ich meißle zwar gern die Heiligenbilder, aber viel lieber erfülle ich im Gehorsam den Willen Gottes. . .

Ich bin ein ganz armer Sünder. Der Herr muß noch viel draufschlagen, bis ein Heiligenbild daraus wird.“

In der Nachfolge des gekreuzigten Herrn:

Für viele Menschen ist die Nachfolge des Gekreuzigten ein „Ärgernis“, weil sie im Kreuz nur Tod und Untergang sehen. Der Glaubende sieht das Kreuz mit den Augen Gottes und erkennt darin „Gottes Weisheit und Gottes Kraft“, die durch das Leiden und Sterben Jesu der Welt offenbart und geschenkt wurde. Endgültiges Heil und Erlösung gibt es nur dort, wo der Mensch aus einer Quelle trinken kann, deren Wasser die Lebenskraft hat, von aller Schuld und allem Bösen zu befreien und aus dem Tod zu erlösen. Dieser ewiges Heil und ewiges Leben spendende Quell, so sieht und bekennt es dankbar der Gläubige, entsprang am Kreuz aus den fünf Wunden des gekreuzigten Herrn. Dazu äußert sich Bruder Firminus wie folgt: „Alle Leiden und Schmerzen sind unserer sündigen Natur zuwider; aber es liegt ein großes Geheimnis im Kreuz und Leiden. Das Geheimnis der Leiden des Herrn ist der Grundstein heiligen Glaubens. Das Kreuz ist der Quell allen Segens und der Ursprung aller Gnaden.“

Die Nachfolge des gekreuzigten Herrn war für Firminus vor allem der königliche Weg der göttlichen Liebe. Von dieser Liebe hatte er sich ganz gefangen nehmen lassen, und er bemühte sich, sie täglich sichtbar zu machen. Wer diesen Weg geht, geht im Tod nicht zugrunde, weil die allmächtige Liebe Gottes ihn ewig leben läßt in der Herrlichkeit des auferstandenen Leibes. Und da der Bruder Kreuz und Leid in diesem österlichen Licht der vollendeten Liebe Gottes zu sehen pflegte, nahm er täglich in großer Liebe sein und vieler Menschen Kreuz auf sich und folgte dadurch Jesus nach. Denn er hatte festgestellt: „Das Kreuz ist die bejahende schöpferische Kraft des Guten, entgegen der verneinenden Macht des Bösen.“

Leben aus dem Geheimnis der Hl. Kommunion:

Die unbegreifliche Gegenwart und Wirksamkeit des auferstandenen Herrn inmitten seiner Kirche war für Bruder Firminus die wahre Sonne, die ihm stets Licht und Leben schenkte, in der täglichen Mitfeier der hl. Messe. Hier erfuhr er die unfaßbar innige Gemeinschaft mit Christus durch die hl. Kommunion. Sie erfüllte seine Seele immer wieder mit Staunen und Dank. Sooft es ihm möglich war, ging er in die Kirche, um zu beten und sich von „der Sonne Jesu im allerheiligsten Sakrament bescheinen“ zu lassen. Auch die Anbetung des Allerheiligsten war für ihn ein Kernstück wahrer Christusliebe. Deshalb sagte er: „…reiße dich los von der Unterhaltung der Menschen und verweile von heute an täglich einige Zeit lang vor Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament…“ Und schreibt einer Bekannten: „Was wären wir unvermögend, wenn wir nicht oft zu den hochheiligen Geheimnissen, der heiligen Kommunion hinzutreten dürften. Gehen Sie, sooft es Ihnen möglich ist. Der liebe Heiland wandelt uns dann nach und nach zu Heiligen. Liebe und Freude werden wir dann ausstrahlen gegen alle Menschen.“

O Wunder, das niemals seinesgleichen hatte, noch haben wird!
O Gnade, die wir niemals verdienen konnten!
O Liebe, die wir niemals zu erfassen vermögen!

Bruder Firminus

Im Vertrauen auf die Fürsprache Mariens:

Der Marienwallfahrtsort Neviges hatte für Bruder Firminus eine besondere Bedeutung. In dessen Gnadenbild, so scheint es, fand er weitgehend den sichtbaren Ausdruck zu jenem Bild der Gottesmutter, das er unsichtbar in seinem Herzen trug. In seiner inneren Schau sah er Maria vornehmlich in ihrer vollkommenen und vollendeten Gestalt. Ihr ganzes Leben sah er in diesem Licht. Bei ihr in der wunderbaren Eigenschaft als Gnadenvermittlerin, verweilte zunehmend sein Blick, an sie richtete er immer häufiger seine Gebete. „Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, schrieb er deutlich sichtbar in den Sockel jener Marienstatue, die er zu Ehren der Mittlerin aller Gnaden gestaltet hatte, und „Maria, Gnadenvermittlerin, bitte für uns!“, waren die letzten Worte, die er zwei Tage vor seinem Tod niederschrieb. Mit großem Vertrauen betete Bruder Firminus zur Gottesmutter. Von ihrer Fürbitte erhoffte er sich die größten Gnaden für sein Leben und das anderer Menschen. So schreibt er in einem Brief an den Adressaten. „Möge unsere gute, himmlische Mutter ihnen eifriges Tugendstreben und viel Freude dazu am Throne Gottes erbitten…Die mächtige Fürbitte der lieben Gottesmutter wird Sie wieder gesund machen.“

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Auf dem Weg zu ewigen Leben:

Das von Gott dem Menschen gesetzte Ziel, das ewige Leben bei ihm, verlangt den ganzen Einsatz der Person. Wie der Weg zu diesem Ziel zu gehen und wie es zu erreichen ist, dafür ist das Leben von Bruder Firminus ein Vorbild. Fest und beharrlich ging er den Weg, den Gott im Leben Jesu vorgezeichnet hat. Er bemühte sich, keine Umwege zu machen und auf dem Weg nicht stehen zu bleiben. Daher war er auch von der Hoffnung mit Christus zu siegen und mit ihm das ewige Leben zu erben ganz erfüllt. Nur die Macht Gottes vermag es den Tod zu besiegen, mag der Mensch sonst kämpfen und siegen wie er will. In der Auferstehung Jesu Christi von den Toten hat Gott diese seine Macht erwiesen und ihn eingesetzt zum Mittler des ewigen Lebens für alle Menschen. Wer das Leben des auferstandenen Herrn in seinem Leben wirksam werden läßt durch den Glauben und die Nachfolge Christi, der wandelt schon im neuen Leben, das nach dem Tod in göttlicher Herrlichkeit sich offenbaren wird. So ist der Tod kein Feind mehr, sondern ein Bruder, der das Tor öffnet zum ewigen Leben. Davon war Firminus so fest überzeugt, daß er folgende tröstliche Worte schreiben konnte: „All unsere Werke, Gedanken und Worte müssen eine Vorbereitung zum Tode sein. Dann kann der Tod als unser Freund und Bruder jederzeit willkommen sein.“

Durch den Ruf der Heiligkeit, durch den der Diener Gottes im Leben leuchtete, hörte auch nach seinem Tod die Verehrung nicht auf. Deshalb eröffnete Joseph Kardinal Frings als Erzbischof von Köln im Jahr 1957 den Prozeß seiner Seligsprechung und Kanonisierung.

Die Kongregation für die Seligsprechung billigte dies ordnungsgemäß in einem Dekret am 24. Mai 1991.

Nach Regel und Brauch ist dann erörtert worden, ob Bruder Firminus die Tugenden in heroischer Weise geübt habe. Am 1. Juli 1997 tagte ein besonderer Kongreß mit glücklichem Ausgang über die theologischen Räte.

Am 6. Oktober 1998 bekannten in einer ordentlichen Sitzung die Kardinäle und Bischöfe, daß Bruder Firminus die theologischen Tugenden, sowie die dazugehörenden Kardinaltugenden in „heroischer Weise“ gelebt habe.

Nachdem der höchste Pontifex Johannes Paul II. über die erfolgten Schritte informiert worden war, ordnete er an das „Dekret über die heroischen Tugenden“ des Dieners Gottes aufzusetzen.

Es lautet:

„Es steht fest, daß Bruder Firminus Wickenhäuser, die theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowohl Gott als auch dem Nächsten gegenüber, sowie die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und alle dazugehörigen Tugenden auf h e r o i s c h e  W e i s e ausgeübt hat!“


Die Ausführungen sind dem lesenswerten Buch entnommen „Franziskanerbruder Firminus Wickenhäuser, 1876 – 1939, gelebt und gestorben im Rufe der Heiligkeit“, Herausgegeben vom BRUDER-FIRMINUS-WERK, Franziskanerkloster Düsseldorf, 2007. Auswahl der Texte und deren Kürzungen von mir.

Die Heiligen – Freunde Gottes und Helfer der Menschen

von Pater Marc Brüllingen


Der Monat November ist vielen von uns als Allerseelenmonat bekannt. Doch beginnt der Monat November mit dem Fest Allerheiligen, an dem die Kirche alle Heiligen im Himmel verehrt. Aber, wann ist ein Mensch ein Heiliger? Wann wird jemand als Heiliger verehrt? Zunächst einmal muß festgestellt werden: Gott ist der Allheilige. Es ist das Wesen des höchsten Gutes und der höchsten Güte, sich selbst gemäß, d.h. heilig zu sein. Gott ist auch der Urheilige, der vernunftbegabte Geschöpfe über die Möglichkeiten ihrer geschöpflichen Ordnung hinaushebt in eine übernatürliche und sie sich selbst gemäß macht und angleicht, sie heilig macht. Jedes vernünftige Geschöpf strebt zwar kraft seines Wesens nach Gott, seinem Ursprung, um in ihm Ruhe und Heimat zu finden. Aber welches Geschöpf dürfte wohl wagen, wie Gott sein zu wollen und sich eindrängen in das persönliche Leben Gottes? Das Geschöpf kann sich seinen Platz nicht wählen in der göttlichen Sphäre seines Schöpfers. Aber der Schöpfer kann – aus Gnade – das Geschöpf teilhaben lassen an seinem eigenen Leben. Und da Leben bei dem höchsten Geiste Erkennen und Lieben ist, muß der geschaffene Geist, der an seinem Leben teilhaben will, in seinem Erkennen dem göttlichen Geiste angeglichen werden.

Der übernatürliche Glaube, der in Schauen übergeht, und der Mensch muß dem göttlichen Lieben gleichförmig werden durch jene Liebe, welche der Geist der Liebe, der ausgegossen ist in unsere Herzen, bewirkt. Der Mensch wird so gottförmig. Er wird vergöttlicht, ohne aufzuhören, ein Mensch zu sein. Es gibt Menschen, über deren Leben und Sterben die katholische Kirche die Sicherheit hat, daß Gott schon auf Erden in ihnen alles geworden ist. Solche Mitglieder anerkennt die Kirche öffentlich als Heilige und ehrt sie durch diesen Titel. Von ihnen behauptet die Kirche, daß sie in der Anschauung Gottes selig sind und daß sie als Freunde Gottes unsere Fürbitter sind. Darum empfiehlt sie, die Heiligen zu verehren, wohl wissend, daß die Verehrung der Heiligen im Grunde den ehrt, der die Quelle ihrer Heiligkeit ist, den Allheiligen, von dem sie selbst nur ein Abglanz sind.

Die Heiligen sind nicht selbstleuchtend wie die Sonne, sie glänzen vom Lichte Gottes, von dem alle Heiligkeit ausgeht und auf den alle Heiligenverehrung zurückziehlt. Die Kirche läßt eine öffentliche Verehrung, also eine Verehrung im kirchlichen Gottesdienst, nur zu nach vorhergegangener kirchlicher Prüfung. Eine solche Prüfung fand bereits in der altchristlichen Zeit bei den Märtyrern statt. Man nannte die Anerkennung des Martyriums durch den Bischof oder durch Synoden vindicatio; die Märtyrer, deren Verehrung gestattet war, hießen Martyres vindicati. Das waren solche, die durch ihren Tod öffentlich Zeugnis für Christus abgelegt hatten. Die Namen der anerkannten Märtyrer wurden beim Gottesdienst verlesen. Die Namen der Märtyrer eines Ortes, deren Andenken gefeiert werden sollte, waren auf Täfelchen, den sogenannten Diptychen, aufgezeichnet. Zu diesen setzte man auch die Namen anderer berühmter Märtyrer, die man wegen des Glanzes ihres Martyriums oder des Rufes ihrer Heiligkeit und ihrer Wunder verehren wollte. Auf diesen Brauch weisen heute noch Gebete des römischen Meßkanons hin. Die Berichte über den Tod der Märtyrer gingen um und wurden beim Gottesdienst häufig vorgelesen. Dadurch wurde ihre Verehrung stark ausgebreitet.

Die Kirche hatte nach der Märtyrerzeit zunächst gezögert, auch Nichtmärtyrer öffentlich als Heilige zu verehren. Aber die Verehrung, welche der hl. Antonius der Einsiedler und andere große Gestalten des Mönchtums im Morgenland, die der hl. Martin von Tours und andere nach ihm im Abendland fanden, konnte nicht nur auf die private Frömmigkeit beschränkt bleiben. Bald war es allgemeine Überzeugung, daß es, wie Isidor von Sevilla (+ 636) schreibt, zwei Arten von Märtyrern gibt: „Die einen legen vor aller Augen Zeugnis ab durch ihr Todesleiden, die andern bezeugen Gott durch die verborgene Tugend ihrer Seele. Manche haben den Anschlägen des Teufels widerstanden, haben sich nicht überwinden lassen durch das Gelüsten des Fleisches und haben sich so dem allmächtigen Gott geopfert, daß sie Zeugen Gottes wurden, als die Kirche Frieden hatte, wie sie Blutzeugen geworden wären, wenn sie Verfolgung zu leiden gehabt hätten.“ Das Wort confessor, Bekenner, wurde in jener Zeit der Ehrentitel jener Nichtmärtyrer, deren Heiligkeit die Kirche anerkennen wollte. Die feierliche Zuerkennung der öffentlichen Verehrung gab dem Bekenner, der Jungfrau oder der Witwe, das sind die beiden anderen Stände, die man bei den Heiligen unterschied, was bei jedem anerkannten Märtyrer Sitte war, daß nämlich über seinem Grabe das eucharistische Opfer gefeiert werden durfte. Sie fand ihren Ausdruck darin, daß die Gebeine des neuen Heiligen gehoben und unter einem Altare beigesetzt wurden.

Die Seligsprechung, welche die Vorstufe zur Heiligssprechung ist, wird dann vorgenommen, wenn durch die Kirche festgestellt worden ist, dass der Diener Gottes von heroischer Tugendgröße gewesen ist und daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat. Können nach der Seligsprechung zwei weitere Wunder bewiesen werden oder drei, falls der Diener Gottes rechtmäßig eine öffentliche Verehrung seit unvordenklicher Zeit genoß, dann erfolgt die Heiligsprechung. Bei den Martyrern genügt zur Seligsprechung der Nachweis des Martyriums als Beweis heroischer Tugendgröße. Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (= Kanonisation), die sie vorbereitet. Die Seligsprechung gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung. Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Heilige Vater als oberster Lehrer der Christenheit sein letztes, allgemein geltendes und allgemein bindendes Urteil: „Dieser Selige ist ein Heiliger, ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er hat Anspruch auf Verehrung in der ganzen Kirche.“


Foto: Heike Hannah Lux

Hermann Joseph von Steinfeld

– ein Heiliger der Eifel

von P. Marc Brüllingen


Wohl kaum eine Persönlichkeit ist so mit der Eifel verbunden wie der hl. Hermann Joseph von Steinfeld. Viele, die von der Eifel hören, bringen mit dieser schönen Landschaft Steinfeld und den hl. Hermann Joseph in Verbindung. In der Tat wird Steinfeld jedes Jahr von mehreren Menschen besucht, die hierher kommen um die schöne Klosteranlage zu besichtigen sowie die großartige Basilika, in der sich das Grab des hl. Hermann Joseph befindet. Das Leben dieses großen volkstümlichen Heiligen steht in der Blütezeit der Hohenstaufen-Kaiser. Papst Innozenz III. (1198-1216) war in seinem Pontifikat auf dem Höhepunkt der kirchlichen Machtfülle. Rainald von Dassel war zu dieser Zeit Erzbischof von Köln und zugleich mächtiger Reichskanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter Kaiser Friedrich Barbarossa. Zeitgenossen von Hermann Joseph, ebenfalls bekannte Heilige, waren Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Dominikus, Elisabeth von Thüringen sowie Hedwig von Schlesien.

Der hl. Hermann Joseph wurde um 1150 in Köln als Sohn armer Eltern geboren. Wie die Legende erzählt, habe Hermann Joseph als Kind einmal die Kirche St. Maria im Kapitol besucht und sich vor einem Marienbild gekniet und dem Jesuskind auf dem Arm der Gottesmutter einen Apfel dargereicht. Jesus habe darauf die Hand ausgestreckt und die Frucht entgegengenommen. Nach diesem Erlebnis habe für Hermann Joseph festgestanden, daß er Priester werden wolle. Diese Begebenheit zeigte schon im zarten Kindesalter seinen vertrauten Umgang mit der Gottesmutter und ihrem göttlichen Kind.

Mit zwölf Jahren kam Hermann Joseph nach Steinfeld ins Prämonstratenserkloster. Der Eintritt ins Kloster begann für Hermann Joseph jedoch mit einer Enttäuschung. Er war der Ansicht, von nun an ein Leben des Gebetes und des Studiums führen zu können, zurückgezogen und allein in seiner Klosterzelle. Der Abt aber übertrug ihm zunächst das Amt des Speisemeisters, und Hermann Joseph mußte sich nun Tag für Tag um die Einkäufe der notwendigen Lebensmittel für die Klostergemeinschaft kümmern. Er hatte soviel zu tun, daß er nicht mehr in dem von ihm gewünschten Maß zu Gebet und Besinnung kam. Weil Hermann Joseph so innerlich in seinem Herzen beunruhigt war, soll er daraufhin in seiner unglücklichen Lage, so erzählt die Legende, zur Muttergottes gebetet haben und sich über den in seinen Augen „unglücklichen“ Verlauf des Klosterlebens beklagt haben. Maria soll ihm daraufhin geantwortet haben: „Wisse, daß du mir nichts Angenehmeres tun kannst, als deinen Brüdern in aller Liebe zu dienen.“

Später übertrug man ihm das Amt des Sakristans. Hermann Joseph erhielt von seinen Mitbrüdern seinen zweiten Namen „Joseph“ aufgrund seiner glühenden Marienverehrung. Bekannt dafür ist ein Gemälde von Antonius van Dyck (1599-1641): Die mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Die Muttergottes berührt auf dem Gemälde die Hand von Hermann Joseph).

Trotz harter Bußstrenge gegen sich selbst, hatte Hermann Joseph ein gütiges und mitfühlendes Herz für seine Mitmenschen. Dies geht besonders daraus hervor, daß er ein eifriger Seelsorger war, der sich als solcher für die leiblichen und seelischen Nöte seiner Mitmenschen einsetzte, besonders auch als begehrter Beichtvater und Seelenführer der Ordensfrauen in verschiedenen Klöstern. Hermann Joseph, der nicht nur ein vorbildlicher Priester und Seelsorger war, war darüber hinaus auch ein begnadeter Mystiker. Seine mystische Frömmigkeit kommt besonders in seinen zarten wie innigen Gebeten und Hymnen zum Ausdruck, welche die vollendete Hingabe einer der Welt entrückten und ganz Gott hingegebenen Seele wiederspiegeln.

Von seinen Werken sind erhalten: der große Marienhymnus „Gaude, plaude, clara Rosa“; der Hymnus auf das göttliche Herz Jesu „Summi Regis cor, aveto“; das Jubellied auf die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen (Stadtpatrone von Köln) „O vernantes Christi rosae“; ferner die Sequenz auf die heilige Ursula „Virginalis turma sexus“; schließlich die zwölf Dankgebete zum Erlöser; der innige eucharistische Hymnus „Jesu, dulcis et decore“ sowie seine Betrachtungen über die fünf Freuden Mariens „Gaude Virgo gratiosa“. Hermann Joseph ist auch Verfasser einer verloren gegangenen Erklärung zum Hohen Lied.

Hermann Joseph starb in sehr hohem Alter an einem Donnerstag nach Ostern (wahrscheinlich am 7. April 1241) im Kloster der Zisterzienserinnen in Hoven bei Zülpich, wo er während der Fastenzeit der Kommunität noch einen Besuch abstattete. Als Hermann Joseph bei diesem letzten Besuch das Kloster betreten hatte, malte er mit seinem Stock die Form eines Grabes auf den Boden und sagte: „Hier werdet ihr mich begraben.“ Nach dieser Visitation war der schwache Hermann Joseph nicht mehr in der Lage, die Heimreise anzutreten und schloß bald darauf seine Augen für immer. Die Zisterzienserinnen bestatteten ihn in Hoven. Doch seine Mitbrüder ruhten nicht eher, bis sie seinen Leichnam nach Steinfeld überführen durften, um ihn dort beizusetzen. Auf Bitten der Prämonstratenser von Steinfeld veranlaßte der Kölner Erzbischof die Überführung der sterblichen Hülle Hermann Josephs von Hoven nach Steinfeld. Es wird berichtet, daß die Eifeler Bevölkerung mit brennenden Kerzen und Fahnen Hermann Joseph entgegen gezogen sei, um ihn für im-mer heimzuholen. Seitdem wird sein Grab durch viele Wunder verherrlicht.

Von seinem Tode an setzte eine große Verehrung für diesen liebenswürdigen Heiligen ein, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr ausbreitete, so daß Hermann Joseph nicht nur in den europäischen Ländern, sondern sogar auch in Nord- und Südamerika verehrt wird. Der Prozeß um die Heiligsprechung Hermann Josephs entwickelte sich in den letzten drei Jahrhunderten nur mühsam, so daß erst Papst Pius XII. (1939-1958) am 11. August 1958 den heroischen Tugendengrad und die große Verehrung dieses Heiligen anerkannte. Über den „Heiligen der Eifel“ veröffentlichte Papst Johannes XXIII. (1958-1963) im Jahre 1958 ein Dekret, in dem es auszugsweise heißt: „In der katholischen Kirche gibt es immer Menschen, die den Gipfel der Heiligung tapfer erreicht haben und so auf den Leuchter gestellt wurden, um anderen den Weg zum Heil zu weisen. Zu diesen ausgezeichneten Menschen gehört mit Recht der Diener Gottes Hermann Joseph, Priester aus dem Orden der Prämonstratenser, selig oder heilig genannt. Dieser Mann steht bis heute im Bewußtsein der Völker deutscher Zunge als frommer Diener Gottes, reichlich ausgestattet mit Tugend und voll zarter Liebe zur seligsten Jungfrau Maria“. 1960 erfolgte seine Heiligsprechung. Seit 1923 betreuen die Salvatorianer (Ordensgesellschaft des Göttlichen Heilandes) die Wallfahrtsstätte zum Grab des hl. Hermann Joseph.

Hermann Joseph gilt als Patron der Kinder und der heranwachsenden Jugend. Priester und Ordensleute sehen ihn als ihr geistliches Vorbild. Auch die Uhrmacher verehren ihn als Patron, weil Hermann Joseph Uhren angefertigt und repariert haben soll.

Dargestellt wird Hermann Joseph meist als Prämonstratenser-Chorherr mit dem Kelch in der Hand, aus dem drei Rosen hervorsprießen, deutende Zeichen seiner mystischen Begnadungen, besonders bei der heiligen Messe. Ebenfalls bringt eine Holzplastik aus dem Jahre 1500 im rechten Seitenschiff der Steinfelder Basilika den Heiligen treffend zum Ausdruck, mit einem scharf geschnit-tenen herben Antlitz. Andere Darstellungen: Mystische Vermählung Hermann Josephs mit der Gottesmutter (Altarbild des Hermann-Joseph-Altars in Steinfeld); Grabplastik: der Heilige mit der Lilie und dem Jesuskind auf dem Arm. Sehr bekannt ist vor allem die Darstellung jener mystischen Be-gebenheit, bei der er als Kind in der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol der Muttergottes einen Apfel anbietet, den das Jesuskind annimmt.

Maria Maienkönigin

von P. Marc Brüllingen


„Maria, Maienkönigin,
dich will der Mai begrüßen,
o segne ihn mit holdem Sinn
und uns zu deinen Füßen.
Maria, dir befehlen wir,
was grünt und blüht auf Erden;
o laß es eine Himmelszier
in Gottes Garten werden.“

Jetzt im Monat Mai finden wir in den katholischen Kirchen das Bild oder die Statue der Gottesmutter Maria ganz besonders geschmückt. Dies hat seinen Grund darin, dass wir den Monat Mai als „Marien-Monat“ begehen, der Monat also, welcher der Muttergottes geweiht ist und in dem wir Maria besondere Verehrung zukommen lassen.

Aber, so werden wir uns fragen, warum gerade der Monat Mai und kein anderer Monat, ist doch auch schon der Oktober Maria als „Rosenkranzkönigin“ geweiht.

Nun, dies hat seinen Grund darin, dass kein anderer Monat nach langen, dunklen Wintertagen so voller Sehnsucht und Hoffnung ist wie der Maimonat. In keinem Monat leuchtet das gerade sprießende Grün so intensiv. Die Freude und Erbauung über die hell erwachende, jungfräuliche Natur, über die Blütenpracht des Frühlings wird mit der Gottesmutter in Verbindung gebracht: Maria steht am Beginn des Heilswerkes Gottes und gebiert Christus, das Heil der Welt, nach dem sich die Menschen des Alten und Neuen Bundes sehnen. Aus diesem Grund hat die Kirche den Mai der Muttergottes geweiht, um uns auch auf diese Weise ihre Rolle als Miterlöserin kundzutun. So wie Ostern, das Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, ebenfalls im Frühling gefeiert wird, weil es eine Auferstehung zu neuem Leben ist, so ist in analoger Weise der Mai der Monat des Frühlings, der die eben erwachte Natur nach der Winterruhe zu neuem Leben erweckt, indem das Grün wieder erblüht.

Maria hat an diesem Erlösungswerke am Menschen entschiedenen Anteil, weil sie durch Ihre Zustimmung, Muttergottes zu werden unsere Erlösung mitbewirkt hat. Durch Marias einzigartige Stellung in der Heilsgeschichte Gottes ist sie „selig zu preisen von allen Geschlechtern“ (Lk 1,48). In der frühen Mariendichtung wird Maria als Mittelpunkt der menschlichen Teilhabe an der Erlösung hingestellt. Es werden besonders ihre Schönheit und Reinheit betont und verehrt. Und gerade diese Schönheit und Reinheit der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria kommt am deutlichsten im Monat Mai zum Ausdruck, in dem die Natur ihre ganze Fülle zeigt, ja eigentlich ein Abbild der Schönheit Marias darstellt und somit auf die Größe und Allmacht des himmlischen Vaters zurückzuführen ist. In der gesamten Schöpfung Gottes ist Maria das größte Werk Gottes, was die allerheiligste Dreifaltigkeit erschaffen hat. Deshalb ist es angemessen, der allerseligsten Jungfrau einen eigenen Monat zu weihen.

Der hl. Alphons Maria von Liguori, der den Redemptoristenorden gegründet hat und ein großer Marienverehrer gewesen ist, hat die Schönheit und Reinheit Mariens, d. i. die UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS, in seinem „Hymnus an die Unbefleckte“ auf folgende erhabene Weise ausgedrückt: „…Ich wünschte, die ganze Welt möchte dich kennen und preisen als das schöne Morgenrot, immer geschmückt mit dem göttlichen Licht, als die auserwählte Arche des Heiles, die vor dem allgemeinen Schiffbruch der Sünde bewahrt blieb, als jene vollkommene und unbefleckte Taube, für die dein göttlicher Bräutigam dich selbst erklärt hat, als den verschlossenen Garten, der der Lieblingsaufenthalt Gottes ist, als die versiegelte Quelle, zu der der böse Feind nie Eingang fand. Ich wünschte, die ganze Welt möchte dich kennen als jene weiße Lilie, die zwischen den Dornen, nämlich den Kindern Adams, wächst, die alle von der Sünde befleckt, in der Feindschaft Gottes geboren werden, während du allein ganz strahlend rein, ganz heilig, aufs innigste von deinem Schöpfer geliebt geboren wurdest…“. Wenn wir dieses Gebet des hl. Alphons lesen, dann wird uns klar die hohe Bedeutung Mariens als Maienkönigin vor Augen gestellt.

Jetzt in diesem Monat Mai können wir der Muttergottes ganz besondere Verehrung erweisen, in dem wir zu ihrer Ehre sog. Maiandachten halten, in denen wir die Vorzüge Mariens preisen. Der letzte Tag im Mai ist auch gleichzeitig der Höhepunkt und krönende Abschluß dieses schönen Monats: das Fest MARIA KÖNIGIN (31. Mai). In diesem Jahr ist es zudem ein schönes Ereignis, dass das Fest Maria Königin auf den Pfingstsonntag fällt. Das Fest Maria Königin können wir dadurch zwar nicht feiern, weil Pfingsten als höheres Fest den liturgischen Vorrang hat, doch steht die Gottesmutter auch in enger Beziehung zum Hl. Geist, da sie doch von der Mariologie als „Braut des Hl. Geistes“ bezeichnet wird.

Daher wollen wir Gott danken für sein erhabenes Schöpfungswerk, in dem er durch seine Kirche die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria zur Maienkönigin erhoben hat, der wir nun in diesem Monat Mai unsere besondere Verehrung erweisen wollen.